Hans-Heinrich Dieter

Zynischer Kotau bei Erdogan   (26.01.2020)

 

Die Eröffnung des neuen Campus der türkisch-deutschen Universität in Istanbul war ein Vorwand mit schönen Bildern, der es Merkel erlaubt hat, den stramm nationalistischen und erpresserischen Autokraten Erdogan einmal mehr zu hofieren. Es ging natürlich – neben dem Stellvertreterkrieg in Libyen - hauptsächlich um den Flüchtlingsdeal der EU mit Erdogan.

Die politische Lage der Türkei verbietet eigentlich einen Kotau Merkels bei Erdogan. Denn der türkische Präsident hat am 09. Oktober – offensichtlich nach Zustimmung Trumps und Absprache mit Putin - einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Syrien vom Zaun gebrochen. Die Türkei verletzt mit ihrer Militäroffensive, zunächst gegen den Nordirak, die Souveränität und die territoriale Integrität Syriens und greift Soldaten der Kurdenmiliz YPG – also syrische Bürger – an. Für diesen Angriffskrieg gibt es keine von der UNO geschaffene Grundlage, wie etwa eine Ermächtigung des UN-Sicherheitsrates, sondern nur die Behauptung Erdogans, dass die YPG eine Terrororganisation sei. Das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta kann auch nicht zur Anwendung kommen, denn es gibt keinen bewaffneten Angriff der YPG auf das Territorium der Türkei und ein solcher Angriff steht auch nicht erkennbar bevor.

Präsident Erdogan reagierte empört auf die einhellige Verurteilung der völkerrechtswidrigen Offensive und wies die Kritik harsch zurück - vor allem die aus der EU: "Hey, Europäische Union. Reißt Euch zusammen. Seht, ich sage es noch einmal: Wenn ihr versucht, unsere aktuelle Operation als Besatzung zu bezeichnen, dann haben wir leichtes Spiel. Dann öffnen wir die Türen und schicken euch 3,6 Millionen Flüchtlinge!“ Und der türkische Außenminister forderte sogar sehr dreist und frech von der NATO eine „klare Solidarität“, schließlich sei die Militäroperation „sehr wichtig für die Sicherheit des Territoriums des Bündnisses“. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Ein NATO-Mitglied fordert doch tatsächlich von der westlichen Verteidigungsorganisation, die sich auch als Wertegemeinschaft versteht, Solidarität bei türkischem Verstoß gegen internationales Recht und Völkerrechtsverletzungen! Deutlicher kann man sich als unwürdiges und untaugliches NATO-Mitglied nicht entlarven.

Und Erdogan droht der EU tatsächlich mit Aufkündigung des Flüchtlingsabkommens von 2016 und einer von der Türkei unterstützten Schleuserkriminalität in Richtung Europa „zugunsten“ von 3,6 Millionen Flüchtlingen. Anschaulicher kann man sich als politischer Erpresser nicht präsentieren. Und solcher Erpressung eines türkischen Staatschefs, der zunehmende Verachtung für die europäischen Werte zeigt und mit dem fortschreitenden Abbau demokratischer Rechte sein Land immer weiter von der EU wegführt, darf die EU nicht nachgeben. Deswegen ist es die EU, die in solcher Lage Gespräche zu führen hat, und nicht die Regierungschefin eines EU-Mitgliedslandes! Es ist nicht bekannt, dass Merkel ein Verhandlungsmandat der EU hat.

Deswegen ist es umso schwerer verständlich, dass Merkel Erdogan derart demütig eine Ehre erweist – der er nicht würdig ist! Merkel stellt Erdogan weitere finanzielle Hilfen der EU für syrische Flüchtlinge - möglicherweise über die im Flüchtlingsabkommen vereinbarten sechs Milliarden Euro hinaus - in Aussicht, ohne dafür ermächtigt zu sein. Sie sichert der Türkei ebenfalls zu, das Land im Kampf gegen Schleuser mehr zu unterstützen und bei der Stärkung der Küstenwache zu helfen, ohne dass das Thema im Bundestag, auch im Hinblick auf die erforderliche Finanzierung, diskutiert wurde. Und schließlich will Merkel prüfen, ob Deutschland den Bau von Unterkünften für Flüchtlinge in Nordsyrien finanziell fördern könne, obwohl sie mit einer solchen Maßnahme Erdogans Völkerrechtsverletzung in Nordsyrien unterstützen würde.

Die EU sollte den Erpressungsversuchen Erdogans nicht nachgeben, und die Beitrittsverhandlungen mit allen Konsequenzen beenden. Außerdem sollte die EU das schwer erträgliche politische Verhalten der deutschen Kanzlerin missbilligen!

(26.01.2020)

 

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