Hans-Heinrich Dieter

Konsequenzen konsequent ziehen!   (17.03.2014)

 

Große Teile der Bevölkerung der Krim haben sich mehrheitlich bei dem völkerrechtswidrigen Referendum - wie erwartet - für einen Beitritt der ukrainischen Halbinsel an Russland entschieden. Legitim wird der Anschluss der Krim an die russische Föderation dadurch nicht. Das Referendum verstößt außerdem gegen die Verfassung der Ukraine, war daher illegal und ist nach internationalem Recht ungültig.

Dieser eklatante Verstoß gegen das internationale Recht wurde von dem Autokraten und Neoimperialisten Putin mit intensiver Propaganda, mit Einsatz von „Spezialkräften“ und mit Hilfe großangelegter Tarn- und Täuschoperationen herbeigeführt. Und der kaltschnäuzige Ex-KGB-Agent lässt immer wieder durchblicken, dass er großrussische Interessen sogar mit militärischen Mitteln zu verfolgen bereit ist.

Die ehemaligen Sowjetrepubliken in Osteuropa, insbesondere solche mit mehr oder weniger großen russischen Bevölkerungsanteilen, haben mit Recht Angst und auch Staaten in Zentralasien müssen sich unsicher fühlen.

Die internationale Staatengemeinschaft verurteilt mit großer Mehrheit die russische Aggression, der Weltsicherheitsrat verurteilt – gegen die Stimme Russlands, mit Enthaltung Chinas – also nahezu einstimmig die Verletzung der Integrität der Ukraine, die USA verstärken die Hinweise auf bevorstehende Sanktionen, die Staaten Europäische Union signalisieren der Führung in Moskau in seltener Einmütigkeit ihre Empörung über die Verletzung der Souveränität der Ukraine und lassen ihre Außenminister über Stufe 2 der abgestuften Sanktionen beraten. Und auch NATO-Generalsekretär Rasmussen hat den russischen Präsidenten als Aggressor gebrandmarkt. Die internationale Staatengemeinschaft lässt sich den russischen Großmachtchauvinismus nicht bieten und will die russische Föderation durch Beschränkungen der Wirtschafts-, Finanz- und Verkehrsbeziehungen zu treffen. So blockiert die Regierung in Washington nun das US-Vermögen von sieben ranghohen russischen Regierungsvertretern und Parlamentariern und die EU-Außenminister einigen sich in Brüssel auf eine Liste von 21 Personen - 13 russische und acht ukrainische Staatsbürger - gegen die Einreiseverbote verhängt und deren Konten gesperrt werden. Die westliche Welt beginnt aus den russischen Rechts- und Tabubrüchen konsequent Konsequenzen zu ziehen.

Nach dem Ergebnis des Referendums auf der Krim haben einige Medien sehr oberflächlich vom Scheitern der europäischen Diplomatie geschrieben, man kann immer wieder Mahnungen lesen, doch alles zu tun, um eine Spaltung Europas zu verhindern und viele Politiker und Medien werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass Sanktionen auch die eigene Wirtschaft treffen und möglicherweise in einer Sanktionsspirale enden, die zu einem Bruch in den Beziehungen zwischen den westlichen Mächten und Russland führen kann. Solche Urteile sind in der Regel wohlfeil, weil nicht aufgezeigt wird, welche Handlungsweise zum Erfolg führt. Darüber hinaus sind wir noch weit entfernt vom Ende der Krise.

Putin darf sich in seinem völkerrechtswidrigen Handeln nicht bestärkt fühlen und erfolgreich wähnen. Die Bevölkerung Russlands muss erkennen und spüren, dass die Politik Putins, seiner Administration und der Duma auf Dauer nicht erfolgreich sein werden. Die inzwischen zur westlichen Welt gehörenden Nachbarn Russlands müssen einen Teil ihrer Sicherheit und ihres Vertrauens in die Handlungsfähigkeit der USA und der EU wiedergewinnen. Die bisherigen intensiven diplomatischen Bemühungen und der Sanktionsstufenplan, der auch durchgesetzt wird, tragen dazu bei. Europa ist auf keinem schlechten Weg.

Putin hat zunächst einen eher zweifelhaften „Teilerfolg“ auf der Krim erzielt. Die möglichen Misserfolge wiegen auf Dauer sicher schwerer, denn Russland riskiert die starke Beeinträchtigung jahrzehntelanger europäischer Bemühungen, Russland in eine kontinentale Sicherheitsarchitektur zu integrieren, und beschädigen 25 Jahre russischer Anstrengungen, sich dem westlichen Wirtschaftssystem anzuschließen und anzugleichen.

Europa hat bereits Erfolge erzielt. Die nationalen europäischen Staaten mit ihren unterschiedlichen Interessen haben in der Ukraine-Krise zu einer gemeinsameren europäischen Außen- und Sicherheitspolitik gefunden, die offensichtlich mehr zulässt als das Finden des kleinsten gemeinsamen Nenners. Europa denkt gemeinsam darüber nach, das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine so schnell wie möglich wirksam werden zu lassen. Die NATO wird möglicherweise im Laufe der Krise die seit 2008 bestehende und derzeit ruhende Partnerschaft mit der Ukraine neu beleben und die Ukraine erneut als Kandidaten für den Beitritt zum NATO Membership Action Plan vorsehen. Die USA werden darüber nachdenken, die Stationierung der Raketenabwehr in Polen und Tschechien wieder aufzunehmen. So könnte Putin all das provozieren, was er mit aller Kraft verhindern wollte.

Das führt nicht zu einer Spaltung Europas, sondern höchstens zur Abspaltung Russlands und Weißrusslands von Europa. Vor- und Nachteile wollen eingehend analysiert und abgewogen sein. Aber schon das zaristische Russland hat sich anders entwickelt als der aufgeklärte Teil Europas. Das kommunistische Russland als Führungsmacht der Sowjetunion war nationalistisch und isolationistisch sowie ökonomisch rückwärtsgewandt. Wenn sich das heutige Russland immer mehr vom Westen entfernen will, dann wird es politisch, kulturell und ökonomisch eigene Wege gehen müssen. Von einem solchen Russland darf sich die westliche Welt in keiner Weise abhängig machen. Wenn das zu einem neuen „kalten Krieg“ führt, dann ist das sehr bedauerlich, vom Westen nicht gewollt aber bei Fortsetzung derzeitiger Putinscher Politik unvermeidlich. Da ist der Hinweis erlaubt, dass die westliche Welt den letzten kalten Krieg gewonnen hat.

Die USA und die EU dürfen deswegen auch angesichts erwartbarer politischer und wirtschaftlicher Nachteile nicht davor zurückschrecken, aus weiteren russischen Rechtsverletzungen konsequent angemessene Konsequenzen zu ziehen. Russland müssen Grenzen und die Folgen von Grenzverletzungen aufgezeigt werden. Europa und die USA müssen daher alles tun, um die Ukraine zu stabilisieren. Ihr Ziel muss es vor allem sein, die Ukraine vor weiteren russischen Übergriffen zu bewahren und das Eröffnen einer weiteren Front in der Ost-Ukraine zu verhindern. Die Gier und Gefräßigkeit des aggressiven russischen Bären wird jüngst auf dem südukrainischen Festland augenfällig, wo russische Truppen unter Missachtung der ukrainischen Souveränität eine Gaspumpstation unter ihre Kontrolle gebracht haben. Da darf der Westen sich nicht als Kuschel-Bär am Nasenring durch die Manege ziehen lassen.

Politiker mit der Psyche Putins sind nur sehr eingeschränkt kompromissfähig, sie verstehen konsequenten Druck und in Aussicht gestellte Nachteile leichter. Uns darf das nicht davon abhalten, immer parallel auch diplomatische Lösungen zu suchen und anzubieten. Das ist Teil unseres überlegenen westlichen demokratischen Selbstverständnisses und Wertesystems.

(17.03.2014)

 

 

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