Hans-Heinrich Dieter

Klimaneutrale Bundeswehr?   (29.06.2021)

 

Die Bundeswehr hat zwanzig Jahre Reformen hinter sich – und ist nicht einsatzfähiger geworden! Denn in unserer mehrheitlich naiv-pazifistisch eingestellten Republik meint es die Politik nicht besonders gut mit ihren Streitkräften. Und das Parlament vernachlässigt „seine Parlamentsarmee“ sträflich!

Kürzlich hat Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer Eckpunkte zur “Bundeswehr der Zukunft verkündet. Also steht erneut eine Reform ins Haus. Der Zeitpunkt ist sehr unpassend so kurz vor Bundestagswahlen mit unvorhersehbaren Koalitionsentwicklungen. Und der Zeitraum für das Anlaufen von Reformbemühungen ist auch unglücklich, denn Stäbe und Truppe sind mit dem Rückzug aus Afghanistan gut ausgelastet und dazu kommen noch die vielfältigen Corona-Aktivitäten sowie die zahlreichen Auslandseinsätze. Auch stellt sich die Frage, ob diese Reform überhaupt begründet ist. Bisher hat man die „Eckpunkte“ im Parlament noch überhaupt nicht hinreichend diskutiert und die Kommunikation in die Öffentlichkeit sowie in Parlament und Politik war so grottenschlecht, dass sogar die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag lautstark unzufrieden war und an der Qualifikation von AKK gezweifelt hat. Sie verspricht im Eckpunktepapier „Mehr Truppe, weniger Stäbe“, um die Bundeswehr zukunftsfähiger zu machen. In der Realität wächst das Verteidigungsministerium und der Nachwuchs bleibt aus! Denn seit 2015 stieg die Zahl der Dienstposten im BMVg von 2176 auf 2933 (+35%) und die Zahl der Soldaten in den Streitkräften wuchs lediglich um 3,7%. Vielleicht sollte man zunächst pragmatisch mit der Straffung des Ministeriums beginnen – mehr Qualität als Quantität – und vielleicht sollte man da in der nächsten Legislaturperiode bei AKK ansetzen!

Die Bundeswehr erfüllt in einem Dutzend Auslandseinsätzen erfolgreich und wertgeschätzt militärische Aufträge und trägt bei Großübungen der NATO teilweise maßgeblich zum Erfolg bei. Außerdem zeigte die Führung der „Very High Readiness Joint Task Force”, VJTF, in 2019, dass die Bundeswehr Landes- und Bündnisverteidigung noch kann – allerdings nicht aus homogenen Strukturen heraus. Die Soldaten erfüllen ihre Aufträge professionell aber unter meist erschwerten Bedingungen – mit zusammengeliehenem Material und personell zusammengestellten Kontingenten. Doch das ist nicht Schuld der Streitkräfte, sondern das Ergebnis jahrelanger Unterfinanzierung, des unorganisierten Aussetzens der Wehrpflicht sowie der Personalreduzierung der Streitkräfte im Rahmen der unsäglichen „Friedensdividende“. Und dann werfen einige Medien den „kaputtgesparten Streitkräften“ vor, dass sie von der bis 2031 zu erreichenden Vollausstattung noch sehr weit entfernt seien. Die Streitkräfte haben für das Wiederherstellen der Einsatzfähigkeit nach NATO-Kriterien bis 2031 ein gebilligtes Konzept. Der Verteidigungshaushalt 2021 sowie die dazugehörige mittelfristige Finanzplanung 2022-24 machen das Erreichen dieses Zieles aber finanziell erneut unmöglich. Denn es fehlt die für das Gewährleisten einer Vollausstattung erforderliche, finanziell abgesicherte Planbarkeit! Die Streitkräfte brauchen also keine kostenträchtige und kräfteraubende Strukturreform, die Bundeswehr braucht dringend eine verantwortungsbewusste und planbare Finanzierung der Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft für die Bündnisverteidigung nach NATO-Kriterien und auf der Grundlage der gemeinsamen Finanzierungsvereinbarungen – 2% pro Jahr des jeweiligen BIP ab 2024! Deutschland dümpelt derzeit bei ungefähr 1,5% herum und verfehlt auch mittelfristig die gemeinsame Abmachung. Deutschland ist wortbrüchig!

Die Wortbruch-Zahlen für den Verteidigungshaushalt 2021 mit der mittelfristigen Finanzplanung bis 2024 werden auch von unseren NATO-Partnern gelesen. Der Bundestag hat für 2021 einen Verteidigungshaushalt in Höhe von 46,93 Milliarden Euro entschieden, was einem Anteil von weniger als 1,5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt (BIP) entspricht. Das ist zwar eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr, aber deutlich weniger, als mit der NATO vereinbart sowie unzureichend im Hinblick auf die geplante Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte bis 2031. Und die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2022-2024 zeigt dann sogar erneut eine leicht fallende Tendenz auf, so dass Deutschland weiterhin weit von dem vereinbarten Ziel der NATO entfernt bleibt, wonach die Mitgliedstaaten ihre Militärausgaben bis 2024 auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen sollen.

Außerdem liegt der 2021 entschiedene Verteidigungshaushalt knapp 8 Mrd Euro unter dem dringenden Bedarf für die geplante Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft gemäß dem gebilligten Konzept der Streitkräfte. Und mittelfristig sind 2022-24 35,9 Mrd weniger geplant als nach dem gebilligten Konzept für die Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft nach NATO-Kriterien erforderlich wäre. Das ist Ausdruck fehlenden sicherheitspolitischen Verantwortungsbewusstseins des NATO-Bündnispartners und EU-Mitglieds Deutschland – und das Parlament macht das mit!

Und nun hat das Bundeskabinett am 23. Juni in Berlin den Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2022 und den Finanzplan des Bundes bis 2025 beschlossen. Das Wachstum der Verteidigungsausgaben soll sich weiter fortsetzen und das Budget 2022 insgesamt 50,3 Milliarden Euro erreichen. Damit können vor allem wichtige Rüstungsprojekte realisiert werden, heißt es.

In der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung sind für 2022 46,8 Mrd vorgesehen. Mit dem neuen Entwurf für 2022 ist mit 50,3 Milliarden Euro eine Steigerung ins Auge gefasst. Der Finanzbedarf gem. Konzept liegt aber bei 57,4 Mrd Euro und damit wird sich die Unterfinanzierung der Streitkräfte fortsetzen. Deutschland darf aber kein vertrauensunwürdiger sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer bleiben. Da haben die Bundesregierung und der Bundestag in der neuen Legislaturperiode große Aufgaben zu bewältigen!

Und da sind die Rahmenbedingungen nicht erfolgversprechend. Die nach der Wiedervereinigung souverän gewordene Bundesrepublik Deutschland hat immer noch keine verbindlichen außen- und sicherheitspolitischen Ziele formuliert oder strategische Grundlagen für die jeweiligen Auslandseinsätze - teilweise mit kriegsähnlichem Charakter – definiert. Die Weißbücher der Bundeswehr sind Ressortpapiere geblieben, die vom Parlament zur Kenntnis genommen aber nicht verabschiedet wurden. Unserer parlamentarischen Demokratie fehlen so die politischen Grundlagen und damit einhergehend auch vielen Abgeordneten der sicherheitspolitische Hintergrund für die verantwortungsvolle Wahrnehmung des Primats der Politik gegenüber der Bundeswehr.

Da gibt es Ankündigungen und Absichtserklärungen, es fehlen aber konkrete ergebnisorientierte Entscheidungen, die dem Ziel der Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte dienen! Die derzeit beherrschenden Themen sind der Klimaschutz, das Erreichen der Pariser Klimaziele und die Klimaneutralität Deutschlands bis 2045. In den Eckpunkten zur „Bundeswehr der Zukunft“ gibt es keine Aussagen zu den auch für die Bundeswehr wichtigen Zukunfts-Themen Klimaschutz und Klimaneutralität – ein Versäumnis! In den kommenden Jahren will die Bundesregierung acht Milliarden Euro zusätzlich bereitstellen, um die neuen nationalen Ziele abzusichern. Da ist die Rede von der Industrie, von der Energie, vom Gebäudesektor, vom Verkehr, von der Landwirtschaft sowie von Wäldern und Mooren. Von der Bundeswehr spricht in diesem wichtigen Zusammenhang keiner! Das Verteidigungsministerium hat sich offenbar nicht in diese zukunftsorientierten Planungen eingebracht, um einen Teil dieser Zusatzaufwendungen für die unterfinanzierte Bundeswehr beanspruchen zu können. Das ist höchst nachlässig, weil sich doch jeder einigermaßen informierte Bürger vorstellen kann, dass da erhebliche Kosten entstehen!

Denn wenn die Bundeswehr es ernst meint mit der Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft für die NATO-Bündnisverteidigung, dann müssen alle Waffensysteme einsatzbereit gemacht werden, dann müssen unsere Kriegsschiffe ablegen können und unsere Piloten über praktische Flugerfahrung ihre Lizenzen erhalten können. Und einsatzbereit werden unsere Streitkräfte nur durch intensives Ãœben, Ãœben, Ãœben…- bis hin zu Großübungen im Großverbandsrahmen - in den nächsten zehn Jahren und darüber hinaus. Mit den derzeit verfügbaren Waffensystemen bedeutet das die erhebliche Zunahme klimaschädlicher Emissionen, die das Erreichen unserer Klimaziele zusätzlich erschweren werden und deswegen muss bei zukünftigen Beschaffungen auch über alternative Antriebe nachgedacht werden. Mit den dringenden Bemühungen um die kostenintensive Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft unserer Streitkräfte muss also auch die kostenintensive Begrenzung oder auch Reduzierung der mit dem einsatzorientierten Betrieb der Streitkräfte verbundenen Umweltschädigungen mitgedacht und mitfinanziert werden. Die Soldaten der Bundeswehr bräuchten wohl eine engagierte NATO-Bewegung mit dem Motto: „Combatready German soldiers matter!“, um Gehör und Unterstützung zu finden!

Die Wiederherstellung der Einsatzbereitschaft muss höchste Priorität haben, nicht einsatzbereite Streitkräfte brauchen keine neue Struktur und ohne Einsatzbereitschaft gibt es auch keinen qualitativ hochwertigen Nachwuchs! Die Bundeswehr muss endlich - an der Realität orientiert - zukunftsfähig gedacht – und finanziert werden! Am zukunftsorientierten, verantwortungsbewussten, sicherheitspolitischen Denken und Handeln mangelt es bei unseren politischen Verantwortlichen!

(29.06.2021)

 

 

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