Hans-Heinrich Dieter

Kampf gegen Terrorismus   (02.01.2014)

 

Nach den Anschlägen in Wolgograd hat Putin in seiner Neujahrsansprache vollmundig erklärt, der "harte Kampf gegen die Terroristen" werde bis zu deren "totaler Vernichtung" fortgesetzt. Und es fallen weitere martialische Begriffe wie "ausradieren". Diese verbale Kraftmeierei ist in mehrfacher Hinsicht entlarvend.

Der russische Kampf gegen den islamistischen Terrorismus aus dem Kaukasus wird schon jahrelang geführt, bisher mit sehr eingeschränktem Erfolg. Vor mehr als zehn Jahren hat Putin schon einmal sehr deutlich sinngemäß geäußert; man würde die Terroristen bis auf die Toilette verfolgen. Ein paar Jahre später kündigte er an, man wolle die Terroristen wie Ratten vernichten. Die Terroristen sind noch da, sehr aktiv und sehr gefährlich. Der "Emir des Kaukasus" Umarow hat im Sommer angekündigt, dass er die Winterspiele in Sotschi stören will und er macht - im Gegensatz zu Putin - seine Ankündigung wahr.

Putin fürchtet die Terrorangriffe und die olympischen Winterspiele in Sotschi werden dementsprechend in einer Art "Hochsicherheitsareal" stattfinden. Das ist ein nur eingeschränkt ansprechender Rahmen für das Treffen der sportlichen Jugend der Welt. Und der mit immensem finanziellem Einsatz zu betreibende Sicherheitsaufwand ist allein ein großer Erfolg der Terroristen. Die Gefahr, dass die Terroristen woanders zuschlagen werden als in Sotschi, ist weiterhin gegeben. Mit einer Serie von möglichen Selbstmordattentaten in der weiteren Umgebung der Spiele erreicht Umarow seine Ziele ebenfalls.

Putin hat Angst, will aber die Welt und die russische Bevölkerung beruhigen, mit verbaler Kraftmeierei und mit großangelegten, brutal geführten Polizeiaktionen gegen kaukasische Bürger. Solche Polizeiaktionen sind dann möglicherweise wieder Startschuss für Ausländerhatz des rechtsgerichteten russischen Pöbel. Oder wir erinnern uns an das Vorgehen des russischen Staates gegen tschetschenische Extremisten, die 2002 ein Theater in Moskau besetzt hatten. Die Spezialkräfte leiteten Giftgas in das Theater und dadurch starben 129 Zuschauer und 39 Terroristen. Zwei Jahre später lautete die Bilanz nach der gewaltsamen Beendigung einer Geiselnahme an einer Schule in Beslan: 331 tote Zivilisten und 40 tote Terroristen. Solcher Antiterror produziert dann neue Terroristen.

Wenn der Ex-KGB-Offizier Putin von der "Vernichtung der Terroristen" spricht, dann ist er entweder zu wenig Profi oder er lügt bewusst. Er muss an sich wissen, dass global vernetzt agierende Terroristen nicht zu "vernichten" sind. Es ist keine Frage, dass man gegen Terroristen mit der gebotenen Härte und effektiven Mitteln vorgehen muss, insbesondere bei Gefahr im Verzuge. Aber wenn man Terrorismus überwinden will, dann braucht man ein Konzept, um die sozialen und gesellschaftlichen Ursachen des Terrorismus in einem Jahre dauernden Prozess nachhaltig zu beseitigen. Im Nordkaukasus heißt das, dass man mit Geld und Projekten den Muslimen im völlig verarmten Nordkaukasus Perspektiven aufzeigen muss, damit sie nicht so leichte Beute von Terroristenführern werden. Moskau hat kein solches Konzept und die Terrorprobleme über Jahre verdrängt oder falsch angepackt. Die Unterdrückungspolitik Putins hat das Gegenteil bewirkt. Die heutigen Selbstmordattentäter und Terroristen sind die Kinder der gestern und vorgestern "ausradierten" Terroristen.

Putin hat nicht alles unter Kontrolle, er hat Angst vor dem kaukasischen Terror und zeigt seine Schwächen, indem er sie intensiv zu verbergen sucht. Nicht der Kampf gegen die Symptome des Terrorismus ist auf Dauer erfolgreich, sondern allein die Beseitigung der sozialen Ursachen dieser Seuche.

(02.01.2014)

 

 

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