Hans-Heinrich Dieter

Kalter Krieger Putin   (03.02.2015)

 

Eine von der US-Regierung in Auftrag gegebene Studie empfiehlt, der Ukraine unter anderem leistungsfähige Waffen, Spähdrohnen und Panzerabwehrraketen im Wert von drei Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen. Außenminister Kerry und auch Generalstabschef Dempsey sind offenbar für Gespräche über die Lieferung von Verteidigungswaffen an die ukrainischen Regierungstruppen. Das hat natürlich eine kontroverse Diskussion ausgelöst. Präsident Obamas Sicherheitsberater Rhodes hat sich inzwischen eher zurückhaltend geäußert. Spürbare Wirtschaftssanktionen sind nach seiner Auffassung immer noch der beste Weg, Einfluss auf Moskau auszuüben. Von Seiten des amerikanischen Außenministeriums hieß es allerdings, man halte sich weiter alle Optionen offen. Medien sehen das sehr heterogen.

Die NEUE OSNABRÜCKER ZEITUNG urteilt nassforsch: "Unglaublich. Statt sich als Feuerwehr zu betätigen, gießen die USA Öl ins Feuer. Bundeskanzlerin Merkel muss unverzüglich in Washington intervenieren. Bislang galt die richtige Einschätzung, dass die Ukraine-Krise nicht militärisch zu lösen ist. Das stimmt unverändert, denn eine Separatisten-Bewegung, die massiv von einer benachbarten Großmacht unterstützt wird, lässt sich nicht wegbomben. Der einzige Weg zum Frieden in der Region führt deshalb über Moskau."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hält US-Waffenlieferungen an die Ukraine für eine "sehr dumme Idee" und meint, "Es gibt genügend andere Mittel unterhalb der militärischen Schwelle, um Moskaus Aggression zu kontern."

Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA sieht das unter der Überschrift "Besser spät als nie!", anders: "Es wird immer schwieriger zu erklären, weshalb man die Ukraine nicht mit Waffen unterstützen sollte. Die Gefechte im Osten des Landes nehmen weiter zu. Nichts deutet darauf hin, dass die von Russland unterstützten Separatisten in irgendeiner Weise die Absicht hätten, sich an das Minsker Abkommen vom September letzten Jahres zu halten. Und nichts lässt hoffen, dass sie den ukrainischen Soldaten nach dem Ende der Kämpfe die Hand reichen würden."

Der TAGESSPIEGEL in Berlin schreibt: "Es herrscht Krieg, mitten in Europa, und die Lage in der Ukraine wird von Tag zu Tag schlimmer. Waffenlieferungen sind in keinem Konflikt die beste Lösung. Doch solche Hilfe für die Ukraine kategorisch auszuschließen, ist derzeit das falsche Signal Richtung Moskau. Denn dann könnte dieser Krieg so lange weitergehen, bis aus russischer Sicht dessen Ziel erreicht wurde." 

Das BADISCHE TAGBLATT stellt fest: "Das öffentliche Nachdenken der Regierung Obama über direkte Lieferungen 'tödlicher Waffen' an Kiew ist ein klares Signal an die Bündnispartner in Europa und an Wladimir Putin, dass man nicht mehr gewillt ist, der Tragödie im Donbass länger tatenlos zuzusehen. Dass man die Defensive verlässt und die Diplomatie so lange hintanstellt, bis Russland zu ernsthaften Verhandlungen über einen Frieden im ukrainischen Bürgerkrieg bereit ist."

Die deutsche Politik äußert sich erwartungsgemäß ziemlich homogen. Bundeskanzlerin Angela Merkel will bei ihrem Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama in der nächsten Woche, trotz der Rückschläge in der Ukraine-Krise, auf eine diplomatische Lösung pochen - natürlich muss es am Ende eine diplomatische Lösung geben! Und der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hat vor Waffenlieferungen an die Ukraine gewarnt. Dadurch könnte der Konflikt endgültig zu einer Auseinandersetzung zwischen Russland und den USA werden - was heißt dabei "endgültig" und von welcher Qualität der Auseinandersetzung spricht Mützenich?

Viele Medien fürchten eine Eskalation der Ukraine-Krise, doch diese Eskalation ist längst durch Putin herbeigeführt. Die Auseinandersetzung zwischen Russland und den USA gibt es längst - unterhalb derzeitiger Bereitschaft zur Anwendung militärischer Mittel. Im Hintergrund spielt natürlich immer auch die Angst vor dem Ausbruch eines neuen Kalten Krieges zwischen Russland und der westlichen Welt mit. Dieser Kalte Krieg herrscht aber längst, weil Putin sich nicht mehr als Partner sondern als Gegner Europas fühlt und verhält, sowie einen verdeckten heißen Krieg in der Ostukraine führt. Mit dem Bruch des Völkerrechtes und der Missachtung der Souveränität und Integrität der Ukraine hat Russland sich außerhalb der Partnerschaft mit der westlichen Welt gestellt. Russland bedroht durch sein politisches Verhalten und seine militärischen Aktivitäten seine westlich orientierten Nachbarn und versucht alles, ehemalige Sowjetrepubliken vor einer Westorientierung abzuschrecken, sogar mit Mitteln verdeckter Gewalt. Russland provoziert die NATO derzeit massiv militärisch, berücksichtigt die grundlegenden Werte der Europäischen Union und der NATO nicht und kultiviert seine Gegnerschaft geradezu. Das Blockadeverhalten aus Prinzip als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat ist ein weiteres Indiz. Alle langmütigen Versuche, Präsident Putin zur Vernunft zu bringen und ihm irgendwann eine gesichtswahrende Lösung zum Rückzug und zur Änderung seiner Politik anzubieten, sind bisher schiefgegangen. Außenminister Steinmeier ist bisher gescheitert. Es gibt eben - anders als die SZ glaubt - nicht genügend andere Mittel unterhalb der militärischen Schwelle, um Moskaus Aggression zu kontern, weil der Kriegstreiber Putin diese Mittel nachweislich nicht akzeptiert.

Putin ist dabei kein Umzingelter und Getriebener, sondern aus eigenem Willen unser Gegner und ein neo-imperialistischer und "großrussischer" Kriegstreiber, dem nur mit gemeinsamer und konsequenter Politik Einhalt geboten werden kann. Uneinigkeit, Willfährigkeit, Unterwürfigkeit, Anbiederung, Eigennutz und Selbstzweifel - insbesondere von einzelnen Partnern in der EU und auch von einigen deutschen maßgeblichen Politikern - sind Ausdruck politischer Schwäche und zeugen nicht vom Willen zu konsequenter Politik. Konsequente Politik gegen politische und militärische Aggression darf die Anwendung militärischer Mittel nicht ausschließen. Konsequent handelnde Staaten müssen glaubhaft dazu in der Lage und willens sein, bei dringendem Bedarf militärische Gewalt anzuwenden. Einem aggressiven Gegner im Kalten Krieg muss man eine glaubhafte Abschreckung entgegensetzen. Dabei ist es durchaus richtig, dass der einzige Weg zum Frieden in der Region über Moskau führt, allerdings muss Russland möglicherweise zum Frieden gezwungen werden.

Als Reaktion auf die russischen Provokationen, den Bruch der Vereinbarung von Minsk und fortlaufender russischer Völkerrechtsverletzungen, fliegt die NATO zusätzliche Patrouillen, rotiert deutlich mehr Truppen nach Osteuropa, organisiert eine neue und leistungsfähigere schnelle Eingreiftruppe und erhöht die Einsatzbereitschaft durch zusätzliche Manöver. Das sind konsequente Signale, die Putin durchaus versteht und möglicherweise auch von weitergehenden offenen Aggressionen gegen die Ukraine abhalten. Zumindest wird Russland so vor Aggression gegen unsere osteuropäischen NATO-Partner abgeschreckt.

Die Ukraine hat vernachlässigte, relativ desolate und wenig schlagkräftige Streitkräfte. Wenn die Ukraine sich erfolgreich gegen die von Russland massiv unterstützten Separatisten zur Wehr setzen und verhindern will, dass zum Beispiel ein von den Separatisten kontrollierter Land-Korridor in Richtung Krim vorwärts getrieben wird, dann wird das ohne Waffenlieferungen nicht gehen. Die USA sind die Weltmacht, die die souveräne Ukraine mit Waffenlieferungen, Beratung und Ausbildung militärisch unterstützen und so der Ukraine zu einer Gegnerschaft auf Augenhöhe verhelfen und eine glaubhafte Abschreckung aufbauen können, ohne von Russland militärisch unter Druck gesetzt werden zu können. Russland hat den letzten Kalten Krieg nachhaltig verloren und hat heute keine Chance, eine militärische Auseinandersetzung mit der westlichen Welt zu gewinnen. Bei Bedarf gilt das Gleichgewicht der nuklearen Abschreckung. Auf jeden Fall ist es ein falsches Signal in Richtung Putin, militärische Hilfe für die Ukraine kategorisch auszuschließen. Dann wird Putin unsere Schwächen konsequent ausnutzen. Und dann wird dieser Krieg so lange weitergehen und von Russland verdeckt geführt werden, bis Russland seine Ziele erreicht hat. Wenn die westliche Wertegemeinschaft Rückgrat und Ehre nicht verlieren will, darf sie dieses Verhalten Russlands nicht - mehr oder weniger achselzuckend oder gar verständnisvoll - hinnehmen. Denn für einen Aggressor ist Schwäche sehr viel provozierender als Stärke.

Putin versteht nur Klartext und konsequentes Handeln. Wenn Realpolitik die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für erfolgreiche Verhandlungen geschaffen hat, müssen die Diplomaten sich um Frieden bemühen. Ohne erfolgreiche Abschreckung vor weiterer russischer Aggression werden diplomatische Friedensbemühungen keinen Erfolg haben.

(03.02.2015)

 

 

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