Hans-Heinrich Dieter

Hybride Kriegsführung   (25.02.2016)

 

Der vom russischen Ministerpräsidenten Medwedew proklamierte „neue Kalte Krieg“ ist gekennzeichnet durch ein zerrüttetes politisches Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Russland auf der Grundlage eines nuklearen Gleichgewichtes, durch politische und wirtschaftliche Spannungen zwischen Russland und der Europäischen Union sowie durch aggressive und teilweise völkerrechtswidrige politische Aktionen Russlands gegen die Ukraine und Staaten der westlichen Welt, die hybrider Kriegsführung zugeordnet werden können.

Hybride Kriegsführung ist keine russische Erfindung, sondern schon sehr lange bekannt als asymmetrische Kriegsführung, verdeckte Kriegsführung, unkonventionelle Kriegsführung oder auch nicht-lineare Kriegsführung. Hybride Kriege sind keine traditionellen, erklärten Kriege zwischen Staaten mit klaren Frontlinien. Bei hybrider Kriegsführung werden politische Prozesse in Gegnerstaaten von außen beeinflusst, kritische Bevölkerungsteile unterstützt und aktiviert sowie Milizenbildung politisch und finanziell gefördert. Wenn der Gegnerstaat dann politisch allmählich instabil wird und sich regionale Rebellionen sowie Unabhängigkeitsströmungen abzeichnen, werden „Rebellen“ politisch unterstützt und militärisch ausgerüstet und ausgebildet. Wenn es dann zu bürgerkriegsähnlichen militärischen Auseinandersetzungen kommt, werden schwer zu identifizierende Spezialkräfte unterstützend eingesetzt, über soziale Netzwerke freiwillige irreguläre Kämpfer rekrutiert oder eigene „freiwillige Soldaten im Urlaub“ genutzt. Das Ganze wird begleitet durch wirtschaftlichen Druck, Cyberangriffe sowie massive Desinformations- und Propagandakampagnen und durch Aufbau einer Drohkulisse mit massiver Aufrüstung, Modernisierung der Streitkräfte und intensiver Manövertätigkeit an den Grenzen der Nachbarstaaten. Entscheidend ist, dass der eigentliche Kriegstreiber verdeckt, also im Hintergrund bleibt und keine politischen oder militärischen „Fingerabdrücke“ hinterlässt und so politisch nur schwer anzugreifen ist. Steine aus diesem Baukasten hybrider Kriegsführung können je nach politischer Zielsetzung ausgewählt, zusammengefügt und mit unterschiedlichen Schwerpunkten eingesetzt werden. Aktionen hybrider Kriegsführung, als Mischung zwischen ziviler und militärischer Bedrohung, sind daher bei geringer Intensität nur schwer erkennbar, lassen sich aber sehr flexibel eskalieren bis hin zum massiven Einsatz militärischer Mittel. Wer den Krieg in der Ost-Ukraine aufmerksam verfolgt, der wird solche Bausteine der Strategie hybrider Kriegsführung leicht erkennen. Und die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland ist ein weiteres Beispiel für Putins aggressive kriegerische Hybrid-Aktionen.

Ukraine und Krim sind aber nur besonders bekannte und auch nachweisbare Beispiele aus dem breiten Spektrum hybrider Kriegsführung, das Putin derzeit inszeniert. Die baltischen Staaten mit großen russischen Bevölkerungsteilen und auch Polen fühlen sich durch die aggressive russische Politik bedroht sowie durch grenznahe Manöver und bewusste Verletzungen der Lufträume provoziert. Wenn die NATO nicht so konsequent, unter Bekenntnis zu ihren Bündnisverpflichtungen Abschreckungs- und Schutzmaßnahmen ergriffen hätte, wären die baltischen Staaten und Polen möglicherweise heute schon durch massivere russische Maßnahmen hybrider Kriegsführung beeinträchtigt. Die konsequenten Gegenmaßnahmen der NATO nutzt wiederum Russland, um sich durch Propaganda und Desinformation als Opfer der NATO-Osterweiterung zu gerieren und so Putinjünger in Westeuropa gegen die Politik der NATO und der EU zu mobilisieren.

Das nicht abgesprochene und mit den USA nicht koordinierte militärische Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg auf Seiten Assads gegen jedwede syrische Opposition verlängert den Bürgerkrieg und vergrößert die riesigen Flüchtlingsbewegungen nach Europa. Die russischen Bombardements gegen zivile syrische Ziele produzieren täglich neue Flüchtlinge. Die auch mit Russland in München verhandelte Feuerpause hat Putin mit Assad offensichtlich ganz bewusst hintertrieben. So konnte Russland vorgaukeln, ebenfalls an einer friedlichen Entwicklung interessiert zu sein, Hoffnungen wecken und gleichzeitig mit unverminderten Bombardements auch ziviler Ziele die Erfolge Assads erweitern. Mit seinen hybriden Aktionen beeinträchtigt Putin die Glaubwürdigkeit politischen Handelns der USA und ihrer Verbündeten, verhindert mögliche Verhandlungserfolge bei UN-Friedensbemühungen und trägt durch „Flüchtlingsproduktion“ zur Destabilisierung der politischen Lage in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei und hat so Erfolge bei seinen Versuchen, die Spaltung Europas zu betreiben.

Auch Deutschland ist inzwischen Ziel russischer hybrider Kriegsführung. Wir wissen jetzt, dass russische Geheimdienste für den Hackerangriff gegen die Informationstechnologie des Bundestages verantwortlich sind. Deutschland wird massiv durch Desinformations- und Propagandakampagnen russischer Staatsmedien und von Sonderagenturen, wie die „Agentur zur Analyse des Internets“ in St. Petersburg, überzogen, russische Minderheiten werden mobilisiert und für russische Stimmungsmache benutzt - wie durch die sogar vom Chef-„Diplomaten“ Lawrow verbreitete Lügengeschichte um den „Fall Lisa“ überdeutlich wird. Soziale Netzwerke und Internetportale werden durch bezahlte russische „Trolle“ geradezu geflutet, um die Informationsfreiheit zu verunglimpfen. Und ob rechtsradikale deutsche Parteien von Moskau ebenso finanziell unterstützt werden wie Frau Le Pen mit der französischen Front National ist noch zu prüfen. Das sind nur einige Beispiele solcher hybrider russischer Aktionen mit dem Ziel der Desinformation, Verunsicherung und damit dann Destabilisierung Deutschlands. Putin will den Glauben deutscher Bürger an unser demokratisches System erschüttern, die Flüchtlingskrise ist da ein Nährboden für seinen möglichen Erfolg.

Die westliche Welt reagiert unterschiedlich auf den hybriden „Gegner Putin“ und die neue Sicherheitslage in Europa. Die USA haben gerade beschlossen, 2017 die Militäranstrengungen zur möglichen Stabilisierung der Sicherheitslage in Europa zu vervierfachen. Die NATO hat Anfang 2015 eine „Strategie gegen hybride Kriegsführung“ verabschiedet, macht somit auch erfreulich konsequente Gegen-Politik und ergreift wirksame Abschreckungs- und Schutzmaßnahmen. Die Europäische Union hält an den Sanktionen gegen Russland erstaunlich konsequent und bisher gemeinsam fest. Und Deutschland reagiert richtlinienlos und immer noch ziemlich naiv. Inzwischen gibt es immerhin eine Kommission, die prüfen soll, in welchem Maße und mit welchen Mitteln Russland versucht, unsere Destabilisierung zu betreiben. In Deutschland skandalisieren und verunglimpfen wir lieber die eigene nachrichtendienstliche Arbeit sowie die unserer Freunde als nur in den Geruch zu kommen, das Verhältnis zu Russland zu beeinträchtigen - auch wenn es noch so berechtigt sein sollte.

Putin ist halt ein Meister hybrider Kriegsführung - fast ein wenig unfair gegen Laien!

(25.02.2016)

 

 

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