Hans-Heinrich Dieter

Höchst trügerische Hoffnungen   (14.02.2016)

 

Durch die Vereinbarung einer Waffenruhe und humanitärer Zugänge zu belagerten syrischen Städten binnen Wochenfrist hat die Syrien-Kontaktgruppe aus 17 Staaten in München vor Beginn der Sicherheitskonferenz kurzfristig große Hoffnungen geweckt. Wenn man sich dann genauer mit der Sache befasst, wird man eher misstrauisch.

Die USA und Russland haben sich in der entscheidenden Frage, welche Rebellengruppen als Opposition und welche als Terroristen zu behandeln sind, nicht einigen können. Für die USA ist der Islamische Staat der terroristische Feind, der auch in einer Feuerpause weiter bekämpft wird. Für Russland sind die meisten oppositionellen Milizen, so auch die mit den USA zusammenarbeitende Al- Nusra- Front, Terroristen, die weiter bekämpft werden sollen. Für die Türkei ist die kurdische Miliz in Nordsyrien, die am Boden gegen IS vorgeht, eine Terroristentruppe, die möglichst bald zerschlagen werden soll.

Assad, der in die Verhandlungen der Syrien-Kontaktgruppe nicht einbezogen wurde, hat kurz vor dem Treffen der Syrien-Kontaktgruppe in einem Exklusiv-Interview für AFP erklärt, dass er zur Rückeroberung ganz Syriens entschlossen sei. Er erklärte sich zugleich aber zu Verhandlungen über eine Beendigung des Bürgerkriegs in seinem Land bereit. Zu verhandeln bedeute aber nicht, den Kampf „gegen den Terrorismus“ einzustellen, betonte Assad.

Weit über 100 unterschiedliche Milizen, Terrorgruppen, Verbrecherbanden, örtliche Machthaber und kriminelle Familienclans, die in die Verhandlungen nicht einbezogen worden sind, kämpfen in Syrien teilweise unkoordiniert gegeneinander. Für die gibt es wenig Grund die Kämpfe einzustellen und wer will sie dazu zwingen?

Und schon wenige Stunden nach der Vereinbarung von München hat die russische Luftwaffe in Unterstützung der syrischen Streitkräfte belagerte Städte massiv bombardiert. Deswegen ist davon auszugehen, dass die syrischen Streitkräfte in der Wochenfrist mit der verbündeten russischen Luftwaffe sowie den Milizen des Iran, ihre Geländegewinne und Stellungen ausbauen und so günstige Bedingungen für spätere Verhandlungen über die Zukunft Syriens schaffen. Und es wird interessant sein zu beobachten und dann zu beurteilen, ob Russland eine Feuerpause wirklich will oder ob es nur wieder um ein weiteres taktisches Manöver in russischer hybrider Kriegsführung geht. Mit der bestehenden Unklarheit über die zu bekämpfenden Zielgruppen ist es eher unwahrscheinlich, dass es überhaupt zu einer Feuerpause kommt und Putin kann sein doppeltes Spiel ungehindert fortsetzen. Die Chancen, dass der vereinbarte baldige Waffenstillstand in Syrien tatsächlich in Kraft tritt, stehen also ziemlich schlecht. Das ist auch im Verlauf der Münchner Sicherheitskonferenz sehr deutlich geworden.

Verteidigungsministerin von der Leyen hat in ihrer Eröffnungsrede Russland ein doppeltes Spiel vorgeworfen. In den Beiträgen westlicher Politiker ist im Zusammenhang mit dem Krieg in Syrien oder mit dem Bürgerkrieg in der Ukraine das die Konflikte verstärkende Russland immer wieder aufgefordert worden, sich endlich für die Umsetzung des Minsker Abkommens einzusetzen sowie die Bombardierung legitimer syrischer Oppositionsgruppen sowie der Zivilbevölkerung einzustellen und sich mit der Allianz auf die Bekämpfung des IS zu konzentrieren - natürlich ohne Erfolg.

Der russische Regierungschef Medwedew nutzte im Verein mit Lawrow vielmehr die Chance, um scharfe Angriffe gegen den Westen zu formulieren. Aus Sicht Medwedews befindet man sich in einem „neuen Kalten Krieg“, in dem Russland vom Westen als Hauptgefahr dargestellt wird. Russland setze trotzdem nach wie vor alles daran, einen einheitlichen syrischen Staat unter Präsident al-Assad zu erhalten. Darum werde man „Terroristen“ weiterhin attackieren. Dabei leugnete Medwedew ungerührt, dass bei russischen Luftschlägen in Syrien auch Zivilisten getötet werden. Medwedew stellte vielmehr Russland als missachtetes und isoliertes Opfer aggressiver westlicher Politik dar. Bei solchen Anlässen wird immer wieder deutlich, dass Putin und seinen Genossen jegliches Verständnis für unser westliches Wertebewusstsein fehlt. Solchen Politikern ist nicht klar, dass sie sich mit ihren völkerrechtswidrigen Aggressionen, wie der Annexion der Krim und der Destabilisierung der Ukraine durch hybride Kriegsführung, außerhalb einer möglichen Partnerschaft mit der westlichen Welt stellen und sich so selbst isoliert und selbstverschuldet Sanktionen ausgesetzt haben. 

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz sind eine so große Kluft sowie so viel Misstrauen zwischen Russland und der westlichen Welt deutlich geworden, dass es schwer ist, an eine baldige Beilegung der Konflikte in Syrien und in der Ukraine zu glauben. Und es wird lange dauern, bis das erforderliche Vertrauen in den unverzichtbaren Gesprächspartner Russland für erfolgreiche gemeinsame Konfliktregelungen wieder aufgebaut ist. 

(14.02.2016)

 

 

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