Hans-Heinrich Dieter

Halbkonsequente NATO   (09.09.2014)

 

Die NATO hat sich auf ihrem Gipfel in Wales als starkes Verteidigungsbündnis gezeigt. Es war angesichts des Ukraine-Konfliktes wichtig, die Geschlossenheit der Mitgliedsstaaten zu demonstrieren und die Beistandspflicht der Mitglieder nach Art. 5 des NATO-Vertrages unzweideutig zu bekräftigen.

Die Entscheidung für den Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe, die auf mögliche Bedrohungen durch Russland an der Ostflanke des Bündnisses reagieren soll, ist konsequent und ein deutlicher Hinweis an ein aggressives Russland mit neo-imperialistischen Absichten. Diplomatisch verständlich ist die Kompromiss-Entscheidung, dass die NATO an der NATO-Russland-Akte als Teil der Sicherheitsarchitektur Europas festhalten will, und dem Drängen der osteuropäischen NATO-Mitglieder auf dauerhafte Truppenstationierungen nicht nachgegeben hat. Dieser Kompromiss kann sich schnell als faul erweisen, denn Putin zeigt uns tagtäglich, dass er auf symbolpolitische Abschreckungsmaßnahmen nicht durch Handeln im Sinne der europäischen Sicherheitsarchitektur reagiert, sondern ausschließlich mit aggressiver Propaganda gegen Europa und die NATO. Deswegen sind die Entscheidungen der NATO in dieser Hinsicht wenig konsequent.

Warum sollte man an der NATO-Russland-Akte festhalten, wenn Russland sie bereits mehrfach gebrochen sowie zur Makulatur gemacht und die Partnerschaft mit Europa und der NATO aufgekündigt hat? Sollte Russland in nicht zu definierender Zukunft wieder an einer Partnerschaft interessiert sein und an einer stabilen europäischen Sicherheitsarchitektur mitwirken wollen, dann muss ohnehin ein neuer Partnerschaftsvertrag geschlossen werden, der der sicherheitspolitischen Realität entspricht. Und warum wird am NATO-Russland-Rat festgehalten, wenn konstruktive Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist und der russische NATO-Botschafter, im Einklang mit Putins Wadenbeißer Lawrow, gelegentliche Zusammenkünfte ohnehin nur zu Propaganda nutzt? Putin und Russland verstehen nur konsequente Politik, die sich nachteilig auf Russland auswirkt.

Deswegen sind auch die Warnungen vor einer angeblichen Eskalationsdynamik, die die unverbesserlichen Putinversteher von der NATO und von der EU initiiert sehen, nicht wirklich ernst zu nehmen. Die Sowjetunion und dann Russland haben den Kalten Krieg eindeutig verloren. Russland wird einen neuen Rüstungswettlauf mit den USA und der westlichen Welt angesichts seiner maroden Wirtschaft nicht gewinnen können. Russland wird wirklich harte Sanktionen der USA und der EU im Finanzwesen und im Wirtschaftsbereich nicht sehr lange aushalten können, ohne volkswirtschaftlich massiv zu verlieren. Die Versuche Russlands, zur Kompensation mit China stärker ins Geschäft zu kommen, haben die Chinesen brutal ausgenutzt und Verträge geschlossen, die nur marginal zur Steigerung des russischen Nationalproduktes beitragen werden. Russland braucht längerfristig die EU für sein Wirtschaftswachstum und deswegen wird liebedienerisches permanentes und einseitiges Offenhalten von Gesprächskanälen ohne positive Auswirkungen von Russland und von unseren osteuropäischen Bündnispartnern als Schwäche ausgelegt, die Russland für sich nutzt und die in Polen und im Baltikum erhebliches Vertrauen kostet. Der Westen muss keine Angst vor einem neuen Kalten Krieg haben, wohl aber vor den destabilisierenden Auswirkungen auf die Sicherheit Europas, wenn man dem vertrauensunwürdigen Putin nicht Einhalt gebietet.

Und Russland achtet nur eine konsequente NATO als zeitweiligen vor neo-imperialistischer Politik abschreckenden Gegner, wenn die NATO die dazu erforderlichen militärischen Fähigkeiten auch glaubwürdig zum Tragen bringen kann. Dazu gehört auch, dass die NATO-Mitglieder die vereinbarten Rüstungsanstrengungen schultern und so zur Glaubwürdigkeit und Geschlossenheit der NATO beitragen.

Die EU hat jetzt schärfere Sanktionen beschlossen, will aber mit der Implementierung noch die Entwicklung der Waffenruhe in der Ukraine abwarten und Russland zum ständig wiederholten Mal Zeit geben, seine Politik zu ändern und die Forderungen zur Beilegung der Krise mit der Ukraine zu erfüllen. Putin wird die Zeit der Waffenruhe nutzen und weitere Fakten hinsichtlich der „neuen Staatlichkeit“ der Ostukraine im „Neuen Russland“ schaffen. Wenn Russland dann so viel Zeit gewonnen hat, dass die Fakten irreversibel sind, hat Putin gewonnen und die Ostukraine teilt das Schicksal mit der Krim. Dann braucht die EU die Sanktionen nicht mehr in Kraft zu setzen und kann zuschauen. Das wäre zum Beispiel den Österreichern ohnehin lieber.

Da ist es schon wirkungsvoller wenn die NATO das Air-Policing im Baltikum verstärkt und Flottenmanöver im Schwarzen Meer abhält. Noch besser wäre es, wenn die NATO als Grundlage für zukünftiges Handeln eine mit der EU und den USA abgestimmte Russland-Strategie entwickeln würde, an der die Mitglieder unser Verteidigungsbündnis messen könnten und durch die Russland vor sicherheitspolitisch gefährlichem Verhalten gewarnt würde. Bis dahin ist noch ein langer Weg.

Bis dahin nutzt Putin konsequent unsere Schwächen aus und wir haben Angst vor möglicherweise negativen Auswirkungen einer konsequenten Verteidigung unserer Werte.

(09.09.2014)

 

 

 

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