Hans-Heinrich Dieter

Großrusse Putin   (11.12.2014)

 

Bundeskanzlerin Merkel steht zu ihrer inzwischen konsequenten Politik gegenüber Russland und weist die ziemlich erbärmliche Kritik der eitlen, inzwischen sehr "alten" und nicht mehr in der politischen Realität lebenden Vorgänger im Amt, Kohl und Schröder, deutlich zurück. Sie könnte darüber hinaus Schröder einmal öffentlich darauf hinweisen, dass die sozialdemokratische "Wandel durch Handel"-Politik seiner Amtszeit ganz offensichtlich am großrussischen Nationalismus Putins gescheitert ist und dass er bei seinen öffentlichen Äußerungen seine geschäftliche Abhängigkeit von Putin berücksichtigen sollte, wenn er wieder glaubwürdig werden will. Im Augenblick ist Schröder genauso unglaubwürdig wie sein Boss Putin.

Putins jüngste Rede zur Lage der neuen russischen Nation macht die schwierige Situation deutlich, in die Putin Russland hineinmanövriert hat. Die russische Wirtschaft stagniert seit etwa sieben Jahren und leidet nun zusätzlich unter den Sanktionen der westlichen Welt sowie unter der selbstverschuldeten ökonomischen Strukturschwäche. Der Rubel stürzt immer weiter ab. Die russische Bevölkerung leidet zunehmend unter den von Putin verordneten Gegensanktionen und durch die Teuerung der Lebenshaltung aufgrund der zunehmenden Schwäche des Rubels. In dieser Lage hilft nur Opium für das Volk: stalinistische Propaganda und großrussischer Nationalismus. So ist zu verstehen, dass Putin die völkerrechtswidrige Annexion der „heiligen“ Krim zu einem geradezu sakralen Akt hochstilisiert, denn darüber hinaus hat er keine „guten“ Botschaften und Erfolge aufzuweisen. Noch reichen diese propagandistischen Streicheleinheiten der leidensfähigen russischen Volksseele. Putin wird aber bald überlegen müssen, wie er die selbstverschuldete zunehmende Isolation sinnvoll aufbrechen, wie er Glaubwürdigkeit wiedererlangen und wann er seine selbstgewählte Rolle als Gegner des Westens aufgeben und wieder als Partner akzeptiert werden will. Wenn Putin zu solchem politischem Handeln nicht fähig sein sollte, dann bleibt ihm nur, den von ihm wiederbelebten kalten Krieg mit dem Westen zu führen. Das kann für den Osten der Ukraine, für Moldawien/Transnistrien und Georgien/Abchasien/Südossetien sowie für das Baltikum gefährlich werden. Die Aussicht auf etwaige großrussische Erfolge ist allerdings schlecht, wenn der Westen an seinen Werten orientiert konsequent und gemeinsam unter Nutzung aller Mittel unterhalb der Schwelle zum heißen Krieg Putins neoimperialistischer Politik entgegenwirkt. Russland hat den letzten kalten Krieg verloren und leider daraus nicht nachhaltig gelernt. Putins Rede wird bei Kanzlerin Merkel die Ãœberzeugung gestärkt haben, dass sie mit ihrer konsequenten, werteorientierten Politik gemeinsam mit Europa richtig liegt.

Und die Kanzlerin hält unbeirrt an ihrer Politik gegenüber Russland fest, obwohl etwa 60 Prominente einen Aufruf  "Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!" unterzeichnet haben, in dem sie die Politik vor einer „Dämonisierung“ Russlands warnen, „dem Westen“ die Schuld an der Krise zuweisen und unterstellen, die deutsche Regierung habe nicht alles unternommen, was in ihrer Kraft steht, um die drohende Eskalation zu vermeiden. Viel mehr muss man zu diesem peinlichen, anmaßenden Papier voller Klischees, Plattitüden und unverschämter Ratschläge eigentlich nicht sagen. Klaus von Dohnanyi hat inzwischen seine Unterschrift – peinlicherweise als „Bürofehler“ einer Sekretärin bezeichnet – zurückgezogen, er hätte besser zugegeben, dass er ein solch peinliches Machwerk nun doch nicht mitträgt, Mario Adorf wird es wohl egal sein, wenn er politisch für dumm gehalten wird, Eckhard Cordes hat hauptsächlich Wirtschaftsinteressen im Kopf und muss nicht werteorientiert und politisch denken, Ex-Kanzler Schröder hat wohl als Gazprom-Lobbyist im Sinne seines Bosses Putin unterschrieben, für Margot Käßmann reicht es möglicherweise, wenn etwas nach Pazifismus riecht und Ex-Bundespräsident Roman Herzog hatte offenbar noch keine Zeit, sich inhaltlich mit dem auch von ihm unterzeichneten „Dokument“ auseinanderzusetzen. Schlimm ist, dass drei Politiker den Aufruf der Prominenten ins Leben gerufen haben, denen man eine solche, die politischen Realitäten verdrehende oder verkennende Denkweise nicht zugetraut hätte: der frühere Kanzlerberater Horst Teltschik (CDU), Walther Stützle (SPD) und die frühere Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne). Um Aufmerksamkeit heischend scheuen eitle Charaktere manchmal auch vor Peinlichkeiten nicht zurück!

Der Präsident des Deutschen Bundestages sollte diese peinlichen Unterzeichner eigentlich deutlich zurechtweisen, denn wenn sie sagen:„Wir appellieren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages, als vom Volk beauftragte Politiker, dem Ernst der Situation gerecht zu werden und aufmerksam auch über die Friedenspflicht der Bundesregierung zu wachen. Wer nur Feindbilder aufbaut und mit einseitigen Schuldzuweisungen hantiert, verschärft die Spannungen in einer Zeit, in der die Signale auf Entspannung stehen müssten.“, dann insinuieren sie, dass die Volksvertreter bisher dem Ernst der von Putin verursachten kriegerischen Situation nicht gerecht geworden sind und bisher offenbar der ihrer Friedenspflicht nicht vollständig nachkommenden Bundesregierung nicht aufmerksam genug auf die Finger geschaut haben. Das sind bodenlose und unverschämte Vorhaltungen, die von ehrenwerten Parlamentariern nicht unkommentiert bleiben sollten. Und auch der Vorwurf an die Bundesregierung, sie baue nur Feindbilder auf und hantiere mit einseitigen Schuldzuweisungen ist frech, falsch, beleidigend und unverschämt. Die Kanzlerin sollte klar Stellung beziehen und der SPD-Außenminister sollte sich öffentlich von diesem Aufruf distanzieren. Das wird ihm nicht leicht fallen, denn viele Unterzeichner sind SPD-Mitglieder. Und in der SPD sind ja auch viele Putinversteher wie die Altkanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder sowie Putinjünger wie der ehemalige Ministerpräsident von Brandenburg, Platzeck, beheimatet, da wird die SPD mengenmäßig nur von ihrem Seniorpartner Die Linke in Thüringen übertroffen.

"Niemand will Krieg", so falsch beginnt der Aufruf, denn diese Aussage verkennt, dass die völkerrechtswidrige Annexion der Krim ein russischer kriegerischer Akt war, der mit der fortgesetzten Verletzung der Souveränität der Ukraine durch russische militärische Besetzung anhält. Der Aufruf verkennt – sicher bewusst – dass russische Truppen am Bürgerkrieg in der Ostukraine beteiligt sind, und dass Putin diesen Krieg will und bewusst unterstützt, um die Ukraine dauerhaft zu destabilisieren. Putin ist der Aggressor, Putin verfolgt unverblümt großrussische Ziele, Putin hat die Partnerschaft mit Europa aufgekündigt und führt sich als Gegner Europas auf und unter solche aggressive Politik wollen die „Aufrufer“ offenbar einen Schlussstrich ziehen und Unrecht wie die Annexion der Krim im Grunde anerkennen, um des „lieben Friedens“ um jeden Preis willen. Und solches unverantwortliche politische Verhalten lässt sich natürlich besser rechtfertigen, wenn man Schuld zuweist. Mit am geschicktesten hat das der weit überschätzte Alt-Außenminister Genscher getan als er im Handelsblatt eine "bellizistische Ost-West-Debatte" geißelte und anfügte: „Natürlich ist auch die Politik Moskaus nicht frei von Fehlern.“, was meint, dass die Hauptschuld für die Erschütterung der europäischen Sicherheitsarchitektur bei der europäischen Union und der NATO liegt und natürlich nicht bei Russland, dessen Sicherheitsinteressen zu wenig anerkannt, dessen „Einkreisungsängste“ nicht ernst genug genommen und dessen Einflussinteressen auf ehemalige Sowjetrepubliken von der europäischen Union und von der NATO vermeintlich unzureichend berücksichtigt werden.

Der Großrusse Putin hat bisher Erfolg, noch bei der indoktrinierten russischen Bevölkerung und wohl noch lange bei all denen in Europa, die Putins aggressive, neo-imperialistische Politik sowie seine völkerrechtswidrigen kriegerischen Aktionen einfach klaglos und wertevergessen hinnehmen wollen, um die 25-jährigen westlichen Bemühungen um Entspannung und Ausgleich nicht als Misserfolg erscheinen zu lassen. Putin hat bisher Erfolge, weil er solche Schwächen konsequent ausnutzt und wir vielfach Angst vor möglicherweise negativen Auswirkungen einer konsequenten Verteidigung unserer Werte haben. Für einen Aggressor und Kriegstreiber wie Putin ist solche Schwäche sehr viel provozierender als Stärke.

Der Großrusse Putin hat Gott sei Dank zunehmend keinen Erfolg bei den verantwortungs- und wertebewussten Realpolitikern wie Bundeskanzlerin Merkel. Die wird es zum Wohle Deutschlands gelassen aushalten, dass ihre klare Aussage in Sydney als „Wutrede“ herabgewürdigt wird und der eine oder andere sie als Feindin der Entspannungspolitik sieht.

(11.12.2014)

 

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