Hans-Heinrich Dieter

Großes Klein-Klein   (03.12.2013)

 

Große Gesprächsrunden haben für den Vertrag einer Großen Koalition einen sehr großen Zeitaufwand getrieben. Eine Große Koalition hat ja auch Parlamentsmehrheiten, die große und zukunftsträchtige politische Weichenstellungen zulassen. Wenn der Koalitionsvertrag Grundlage wäre für solche Weichenstellungen für Deutschlands zukünftiges Wirken in Europa und die Stellung unseres Landes in der Welt, dann hätte sich der Zeitaufwand gelohnt.

Ergebnis ist aber ein schwer lesbares Sammelsurium von allgemeinen Aussagen und auch Phrasen zu unterschiedlichen Politikfeldern und parteipolitischen Populismusthemen, die eine parteipolitische "Handschrift" für das Parteivolk erkennen lassen sollen. Herausgekommen ist dementsprechend ein Koalitionsvertrag für "die kleinen und fleißigen Leute" und eine politische Arbeitsgrundlage, die dafür sorgen soll, dass es den Menschen 2017 als Grundlage für die nächste Bundestagswahl etwas besser geht als heute, also ein großes Klein-Klein-Machwerk, das große Probleme wie die demographische Entwicklung ausklammert und sozialpolitisch rückschrittlich und wenig zukunftstauglich ist. Eine beißendere Kritik als das Lob des sozialistischen Versagers Hollande für den Koalitionsvertrag kann es wohl nicht geben.

Die Kleinteiligkeit des politischen Denkens der größten Volkswirtschaft und wichtigen Mittelmacht Europas sowie des derzeit drittgrößten Exportlandes der Welt lässt sich gut am außen- und sicherheitspolitischen 7. und - bezeichnenderweise - letzten Kapitel des Vertrages "Verantwortung in der Welt" erkennen.

Dort heißt es: "Deutschland stellt sich seiner internationalen Verantwortung. Wir wollen die globale Ordnung aktiv mitgestalten. Dabei lassen wir uns von den Interessen und Werten unseres Landes leiten. Deutschland setzt sich weltweit für Frieden, Freiheit und Sicherheit ... ein." Deutschland hat aber bisher nicht definiert, welche Ziele es bei der Wahrnehmung seiner internationalen Verantwortung verfolgt und in welcher Qualität es der Verantwortung gerecht werden will. Deutschland hat außerdem kein außenpolitisches Zielsystem mit vitalen Interessen entwickelt, wir haben kein außen- und sicherheitspolitisches Konzept und noch für keinen Auslandseinsatz der deutschen Streitkräfte eine Strategie formuliert und zur Diskussion gestellt. Deutschland will also weiterhin möglichst unauffällig sowie risikoarm mitmachen und schränkt deswegen im Hinblick auf weltweite Friedenssicherung sehr vorsichtig und zurückhaltend ein: "Dabei stehen für uns die Mittel der Diplomatie, der friedlichen Konfliktregulierung und der Entwicklungszusammenarbeit im Vordergrund."

Unsere Verbündeten erwarten aber durchaus, dass Deutschland - bei allem Verständnis für die historisch bedingte Zurückhaltung bei militärischem Engagement - sich mit seiner wirtschaftlichen Kraft und seinem politischen Gewicht in Europa auch bei Militäreinsätzen stärker beteiligt. Dazu würden unsere Partner, mit denen wir eine stärkere Aufgabenteilung und verbesserte Kooperation in der NATO und der EU anstreben, gerne unsere genauen Vorstellungen und Konzepte kennen, um Deutschland als möglichst verlässlichen Partner richtig einschätzen zu können. Dafür fehlen bisher die Grundlagen.

Die Bundeswehr ist dementsprechend für Deutschland kein außenpolitischer Faktor und wird dementsprechend auch nur mit freundlichem Desinteresse bedacht. Immerhin heißt es im Vertrag: "Wir bekennen uns zu einer starken Verteidigung mit modernen und leistungsfähigen Streitkräften." und " Die Bundeswehr wird auch in Zukunft in Auslandseinsätzen gefordert. Das setzt ein breites militärisches Fähigkeitsspektrum voraus." sowie "Unsere Soldatinnen und Soldaten brauchen die bestmögliche Ausrüstung. Dabei steht ihre Sicherheit im Mittelpunkt."

Damit solche vielfach geäußerten hehren Worte keine Phrasen bleiben, müssen Fähigkeitsdefizite wie im Afghanistaneinsatz schnellstmöglich beseitigt werden und dürfen Beschaffungen von modernem Kriegsgerät wie z.B. Aufklärungs- und Kampfdrohnen nicht aus Angst vor einer kontroversen Diskussion durch verzögernde Prüfaufträge in die nächste Legislaturperiode verschoben werden. Vielmehr müssen Fragen der vernetzten deutschen Außen- und Sicherheitspolitik offensiv öffentlich diskutiert werden, um Verständnis und Interesse der Bürger für Deutschlands Verantwortung in der Welt zu wecken. Eine Große Koalition könnte diese große Aufgabe schultern und einen Beitrag zur inneren Souveränität Deutschlands leisten. Dazu müssten sich die Groß-Koalitionäre aber vom Klein-Klein, das in den nächsten 4 Jahren abgearbeitet werden soll, lösen, langfristige politische Ziele zum Wohle Deutschlands formulieren und die dafür erforderliche Politik weit über die Legislaturperiode hinaus gestalten. Bisher sieht es nicht so aus, als ob sich die maßgeblichen Politiker dieser wichtigen und schwierigen Aufgabe unterziehen wollten.

(03.12.2013)

 

 

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