Hans-Heinrich Dieter

Geschäft mit der Sicherheit (13.08.2011)

 

Um die vielen und vielfältigen Kriege, Konflikte und Krisen auf unserer Welt zu „bewältigen“, gibt es nicht genug Soldaten und Polizisten, es gibt also viele Sicherheitslücken. Der internationale Terrorismus verschärft die Problematik und erhöht den Sicherheitsbedarf. In solche Lücken springen immer mehr private Sicherheitsdienstleister mit einem breit angelegten Produktangebot, vom Personen- und Objektschutz über bewaffnete Konvoi-Begleitung, Ausbildung von Sicherheitspersonal und Logistik bis hin zu Governance-Beratung. Medien berichten da eher über Söldnerunwesen und schmutzigen Krieg. Tatsache ist, dass heute schon im Irak und in Afghanistan nahezu mehr Angestellte amerikanischer Sicherheitsdienstleister eingesetzt – und gestorben – sind als US-Soldaten. Diese Männer und Frauen verrichten teilweise heikle Arbeiten in Grauzonen. Öffentlichkeit, Medien und Politiker begegnen dem Phänomen mit Ablehnung, Unverständnis oder einfach nur Unbehagen. Die Aufgabe der Politik ist es aber, die Arbeitsbedingungen bewaffneter Sicherheitsdienstleister eindeutig zu regeln und sie aus der Grauzone herauszuholen. Und da die Sicherheitsdienstleister global agieren, ist das inzwischen eine drängende internationale Aufgabe.

Einem Bericht des Internationalen Schifffahrtsbüros zur Folge, der kürzlich in London veröffentlicht wurde, nimmt die Zahl der weltweiten Piraten-Überfälle ständig zu. Von Januar bis Juni 2011 gab es 266 Versuche, Schiffe zu kapern. Das sind 70 mehr als im ersten Halbjahr 2010. In 21 Fällen führten die Angriffe zum Ziel. Fast zwei Drittel der Überfälle wurden von Piraten aus Somalia verübt. Die Bundesmarine beteiligt sich inzwischen mit zwei Fregatten an der Anti-Piraten-Mission Atalanta. Die verstärkte Militärpräsenz im Golf von Aden hat zwar zu einem leichten Rückgang der Zahl gekaperter Schiffe geführt, ein durchschlagender Erfolg im Kampf gegen die Piraterie ist aber nicht zu verzeichnen, im Gegenteil, Piraterie ist ein boomendes Geschäft.

Im Golf von Aden – dem gefährlichsten Gebiet auf der Seereise von Asien nach Europa –werden durch die - derzeit deutsch geführte - EU-Marineoperation Atalanta, die mit Kriegsschiffen die Handelswege dort freihält, Gruppentransporte angeboten, die mehrere Frachtschiffe zusammenfassen und dann mit Marine-Begleitung durch den Golf schleusen. Die deutschen Reeder unterwerfen ihre Fahrpläne nicht gerne solcher Konvoi-Organisation und vertrauen auch nicht der angebotenen Sicherheit, denn auch in solchen Konvois wurden schon Frachtschiffe angegriffen und entführt. Die Reeder setzen eher auf Bewaffnung ihrer Schiffe. Die Bundesregierung konnte die Bitte der Schiffseigner nach Begleitung ihrer Frachter durch Soldaten oder Polizei bisher nicht erfüllen. Dass das Problem dringend gelöst werden muss, zeigt der Vorschlag der Polizeigewerkschaft, 500 Zeitsoldaten der Bundeswehr für die bewaffnete Begleitung von Handelsschiffen zu qualifizieren. Das Verteidigungsministerium will das prüfen. So etwas dauert und konkrete rechtliche Rahmenbedingungen für einen solchen Einsatz gibt es nicht. Deswegen kümmern die Reeder sich nun selbst um die Sicherheit ihrer Schiffe und Besatzungen. Sie engagieren inzwischen Sicherheitsdienstleister, die das Schiff bewaffnet begleiten. Unter 100 deutschen Reedereien gaben 27 an, sie beschäftigten bewaffnete Sicherheitsdienste. Der Erfolg gibt den Schiffsbetreibern recht, denn die Schiffe mit Sicherheitsdienst an Bord werden selten oder nicht angegriffen. Die Piraten sind offenbar gut informiert, welche Schiffe bewaffnet begleitet werden und mehrfach ist es schon gelungen, Piratenangriffe abzuwehren. Das Problem der Piraterie im Golf von Aden ist aber auf See nur zum Teil zu lösen. Nachhaltige Erfolge können sich nur in Somalia ergeben, wenn es gelingt, die Basis der Piraten an Land unbrauchbar zu machen.

Die schwache somalische Ãœbergangs-Regierung hat nur sehr wenig Einfluss, weder in ihren Küstengewässern noch an Land. Sie hat nur etwa die Hälfte der Hauptstadt Mogadischu unter Kontrolle. Die andere Hälfte und die meisten Teile des Landes sind, bzw. waren in der Hand der islamistischen Miliz Al Shabaab. Das somalische Militär und die Polizei sind schlecht ausgebildet, schwach organisiert und nicht in der Lage, das Staatsgebiet zu kontrollieren. Die Ãœbergang-Regierung versucht deswegen, mit privaten Unternehmen die Sicherheitslücken zu schließen. Sie sollen somalische Militärs und Polizisten trainieren und logistisch unterstützen – oder gar Militär und Polizei mangels Masse teilweise ersetzen. Private Sicherheitsdienste erhalten den Auftrag, Piraterie vor der Küste durch Patrouillen zu verhindern, Politiker zu schützen oder wichtige Einrichtungen des Staates zu bewachen. Aber nicht nur die Ãœbergangsregierung, auch die UN und die Afrikanische Union betrauen mehr und mehr Sicherheitsdienstleister mit zahlreichen Aufgaben, meist auch im Bereich der Ausbildung und Logistik. Da die Verträge mit den Sicherheitsfirmen aus unterschiedlichen Ländern mit der Regierung, der UN und der Afrikanischen Union geschlossen werden, weiß niemand so genau, welcher Sicherheitsdienstleister wo mit welcher Kompetenz und unter welchen Arbeitsbedingungen tätig ist, nicht einmal das somalische Verteidigungsministerium. Allerdings ist es der Ãœbergangsregierung inzwischen mit Hilfe ausländischer Sicherheitsunternehmen offenbar gelungen, einige staatliche Einrichtungen der Kontrolle der islamistischen Al-Shabaab-Miliz zu entreißen und ihre Handlungsmöglichkeiten in Mogadischu deutlich zu erweitern. Das wird hoffentlich den westlichen Hilfsorganisationen den Zugang zu den Hungernden in den Dürregebieten erleichtern. Ein positives Ergebnis der Arbeit in der Grauzone! Warum sollte man solche positiven Ansätze nicht verstärken, die Ausbildung somalischer Sicherheitskräfte durch private Sicherheitsdienstleister verstärken und dann mit diesen Kräften gegen die Piratenbasen in Somalia vorgehen?

Die Nachkriegswirren im Irak, der Krieg in Afghanistan, die Piraterie im Golf von Aden und das Beispiel Somalia zeigen, dass es einen sehr großen Bedarf an privaten bewaffneten Sicherheitsdienstleistungen gibt. Die Landesverteidigungsakademie in Wien schätzt das Gesamtvolumen dieses Marktes auf 100 Milliarden Euro. Wo starke Nachfrage ist, gibt es Angebote unterschiedlicher Art und Qualität. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen in den Staaten, die als Firmensitz von Sicherheitsdienstleistern dienen, sind sehr unterschiedlich. Es gibt keine allgemein anerkannten, gültigen und verbindlichen Werte, an denen Sicherheitsfirmen die Arbeit ihrer Angestellten ausrichten. Definitionen im Genfer Abkommen von 1949 treffen auf die globale Sicherheitssituation, in der die Grenzen zwischen zivilen und militärischen Aufgaben undeutlich sind, nicht mehr zu. Und das Montreux-Dokument vom September 2008 ist eine Erklärung, mit der versucht wird, den Einsatz von Sicherheitsdienstleistern zu regulieren, aber kein völkerrechtlich bindender Vertrag. Und dieses Montreux-Dokument ist von vielen Staaten noch nicht in Gesetze und Verordnungen umgesetzt, die den Einsatz von Sicherheitsdienstleistern regeln, auch nicht von Deutschland. Unbehagen, Ablehnung und die Diffamierung von Sicherheitsdienstleistern als „Söldner“ helfen da nicht weiter, sondern nur staatliche Regelungen, Kontrolle und Verpflichtung der Sicherheitsdienstleister auf Qualitätsstandards, auf Werteorientierung und verbindliche Regeln durch die jeweiligen Staaten, die Firmensitz sind. Und die schlichte Befassung mit dem § 109h des Strafgesetzbuches macht sehr deutlich, dass wir da in Deutschland noch viele Hausaufgaben zu machen haben, bevor wir uns für internationale Regelungen stark machen und uns einbringen können.

Was macht die Angelegenheit so schwierig? Die Gewährleistung von Schutz und Sicherheit bedingt meist das Führen und den Gebrauch von Waffen zur Gewaltanwendung. Sicherheitsdienstleister sind aber keine Soldaten, also Kombattanten, und keine hoheitlich tätigen Polizisten, sondern zivile Angestellte, die nur auf der Grundlage von gesetzlichen Regelungen wie dem „Jedermann-Paragraphen“ Gewalt anwenden dürfen. Schon das öffentliche Führen von Waffen durch Zivilpersonen ist häufig verboten. Einige Beispiele sollen die Problematik verdeutlichen:

Piraten gehen immer professioneller vor und haben heute nicht mehr das Messer zwischen den Zähnen, sondern sind schwer bewaffnet, von automatischen Waffen bis hin zu Panzerfäusten und Raketenwerfern. Die Besatzungen von Handelsschiffen tragen keine Waffen und sind auch in der Regel nicht an Waffen ausgebildet. In den Häfen vieler Staaten sind private Sicherheitsdienste nicht erlaubt, zumindest nicht gern gesehen. Das Mitführen von Waffen ist in der Regel nicht erlaubt. Also gehen die Sicherheitsdienste mit Waffen außerhalb der Drei-Meilen-Zone an und von Bord. In internationalen Gewässern gibt es dann keine Gesetze gegen bewaffnete Sicherheitsdienste oder sog. „Söldner“. An Bord von Schiffen unter deutscher Flagge dürfen allerdings keine Kriegswaffen wie vollautomatische Maschinengewehre benutzt werden. Deutsche Schiffe und ihre Besatzungen haben also deutliche Nachteile gegen mit Kriegswaffen ausgerüstete Piraten, selbst wenn sie bewaffnete Sicherheitsdienste an Bord haben. Die Piraten kennen die Regeln ihrer Gegner bzw. Opfer sicher sehr genau. Es fehlen gleiche, allgemeingültige internationale Regeln, die hinreichend Schutz ermöglichen. Wenn Marineoperationen wie Atalanta Schutz nicht garantieren können, wenn Staaten, unter deren Flagge Handelsschiffe fahren, kein hoheitlich diensttuendes Personal für den begleitenden Schutz zur Verfügung stellen können, dann sollten private Sicherheitsdienstleister der Bedrohung angemessene Waffen zum Schutz von Schiff und Besatzung einsetzen können. Die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für den Waffengebrauch von Zivilpersonal müssen allerdings eindeutig geregelt sein.

Durch Schuldendruck und Sparzwänge werden in den entwickelten Staaten immer häufiger ehemals staatliche Aufgaben zur Entlastung der Haushalte privatisiert, so auch im Verteidigungssektor. Kasernen werden inzwischen von Sicherheitsfirmen bewacht. Das Personal dieser Firmen muss bestimmte Kriterien erfüllen und die sichere Handhabung ihrer Handfeuerwaffen wird regelmäßig überprüft. Warum sollten zivile Sicherheitsfirmen die Bundeswehr nicht auch im Einsatz stärker von Wach- und Sicherungsaufgaben entlasten?

Für die Ausbildung von afghanischen Polizeikräften hat die internationale Staatengemeinschaft bisher immer zu wenige Polizeiausbilder verfügbar gemacht. Entsprechend hinkt der Aufbau der afghanischen Polizei hinter der Entwicklung her. Warum übernehmen nicht zertifizierte zivile Sicherheitsdienstleister die Basisausbildung und entlasten so die internationalen Polizeikräfte? Und warum entlasten zivile Sicherheitsfirmen die Bundeswehr im Einsatz nicht von vielen Aufgaben, die einen Kombattantenstatus nicht erfordern? Das Problem liegt darin, dass auch solches zivile Personal Waffen führen und notfalls auch zumindest zur Selbstverteidigung einsetzen müsste.

 Waffensysteme und Kriegsgerät kommen aufgrund des dringenden Bedarfes häufig noch vor Ablauf von Gewährleistungsfristen in Kriegs- und Krisengebieten zum Einsatz. Technische Prüfungen, Instandsetzung und logistische Betreuung werden im Kriegsgebiet durch das zivile unbewaffnete Personal von Vertragsfirmen der Streitkräfte übernommen. Viele Dienstleistungen zur Unterstützung und Versorgung von Streitkräften werden von Vertragsfirmen erbracht, die sich mit ihrem Transportraum durch Krisengebiete bewegen. Auch die Treibstoffversorgung für Truppen im Einsatz wird über große Entfernungen durch instabile Regionen gewährleistet, ohne dass die Sicherheit hinreichend gewährleistet ist und das Personal zur Selbstverteidigung befähigt wurde. Die hohen Verluste bei der Treibstoffversorgung für die NATO durch Pakistan nach Afghanistan machen die Gefährdung für Mensch und Material sehr deutlich, denn solche Transporte sind für Aufständische und Terroristen weiche Ziele und das Personal ist genauso Feind wie die Soldaten der Internationalen Staatengemeinschaft. Das Führen von Krieg und das Bewältigen von Krisen ist längst keine vordringlich militärische Aufgabe mehr, weil die Grenzen zwischen hoheitlichen militärischen Aufgaben und zivilen Unterstützungsleistungen von ausschlaggebender militärischer Bedeutung verschwimmen. Die militärischen Kräfte reichen nicht aus, um die Sicherheit auch ziviler Dienstleistungen hinreichend zu gewährleisten. Wie viele NGO´s in den Einsatzgebieten versuchen die Dienstleistungsfirmen die Sicherheit ihres Personals und des hochwertigen Materials durch private Sicherheitsfirmen zu gewährleisten. Und wenn amerikanischen Medien zur Folge im Irak und in Afghanistan mehr zivile Sicherheitsdienstleister gestorben sind als US-Soldaten, dann mag das auch daran liegen, dass das Führen und der Gebrauch von adäquaten Waffen für dieses Personal nicht eindeutig geregelt sind. Der Gebrauch von Waffen und die Anwendung von Gewalt in einer Grauzone sind immer mit Unsicherheiten und Nachteilen verbunden.

Damit soll einer Privatisierung des staatlichen Gewaltmonopols nicht das Wort geredet werden, wohl aber der Notwendigkeit der Verabschiedung von Qualitätsstandards für ziviles Sicherheitspersonal und von eindeutigen gesetzlichen Rahmenbedingungen für deren Waffengebrauch, die über die unzureichende Beschlussempfehlung des Bundestages von 2009 unter der Ãœberschrift "Nichtstaatliche militärische Sicherheitsfirmen kontrollieren“ deutlich hinausgeht. Bisher bleibt Deutschland sogar hinter dem Dokument von Montreux zurück, denn dort wird gefordert, dass Regierungen verbindliche Regeln zu verabschieden haben, nach denen Sicherheits-Firmen überhaupt eingesetzt werden und Waffen gebrauchen dürfen. Für zivile Sicherheitsfirmen gibt es bisher also weder grundsätzliche noch auf Einsatzländer bezogene „Rules of Engagement“.

Wenn die im Internet zu recherchierenden Zahlen stimmen, dann sind im Mittleren und Nahen Osten ca. 3000 und in Afrika ungefähr 1000 deutsche zivile Sicherheitsdienstleister meist als Angestellte legal agierender Sicherheitsfirmen im Einsatz. Diese deutschen Staatsbürger, die einen Sicherheitsbedarf decken, der durch hoheitliches Personal nicht gedeckt werden kann, sollte Deutschland nicht in der Grauzone lassen. Wir können aber Übergriffe mit zahlreichen zivilen Toten wie die bekannten Aktionen von Blackwater-Angestellten im Irak nicht wollen. Deswegen brauchen wir möglichst bald verbindliche deutsche und internationale Regeln für den Einsatz von zivilem Sicherheitspersonal. Das Geschäft mit der Sicherheit muss auf eine solide ehrliche Basis gestellt werden, das geht nur mit eindeutigen Gesetzen.

(13.08.2011)

 

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