Hans-Heinrich Dieter

German Hysterie   (14.07.2013)

 

Der Terrorismus hat in Deutschland ein Phänomen verstärkt, das unsere internationale Umwelt etwas höhnisch und spöttisch mit dem Begriff "German Angst" belegt. Angesichts terroristischer Gefahren erscheint gerade die deutsche Bevölkerung wenig krisenfest und in hohem Maße durch Medien und "Scharfmacher" beeinflussbar. Genau das wollen Terroristen, sie wollen ein Klima der permanenten Verunsicherung und Angst erzeugen und Reaktionen herausfordern, die unsere Volkswirtschaften schwächen und unsere Lebensqualität beeinträchtigen. Der internationale Terrorismus war hier schon so erfolgreich, dass wir unsere tagtäglichen kleinen Niederlagen kaum noch wahrnehmen.

Gelassenheit ist angesichts der jüngsten "Wutbürger"-Aktionen, der Bereitschaft von Kernkraftgegnern, Gewalt anzuwenden und Straftaten wie Landesfriedensbruch und "Schottern" zu begehen, und aufgrund der teilweise gezielten Panikmache durch Sozialdemokraten und Grüne wohl keine bemerkenswerte deutsche Tugend. Und Angst macht sich dann in Empörung Luft, die hysterische Züge annehmen kann. Im Zusammenhang mit Stuttgart 21 tragen Wutmenschen Plakate mit der Aufschrift: „Das Lügenpack macht weiter! Schämt Euch – Demokratie à la CDU“ und die Kanzlerin wird mit Trillerpfeifen, Vuvuzelas und von ohrenbetäubendem Gebrüll „Lügenpack“ empfangen. Erstaunlich ist, wie viele – gemäß den veröffentlichten Bildern – schon ergraute und bürgerlich aussehende Menschen nicht einem gerechten Zorn sondern ihrer blinden Wut unter dem Vorwand demokratischer Aktivität Ausdruck verleihen. Aber Bürger bringen sich in unserer demokratischen Gesellschaft durch Diskussion und Argumente ein. Niederbrüllen ist dagegen ein eher undemokratisches, unbürgerliches und irgendwie krankes Verhalten – Symptome für „German Hysterie“.

Im Zusammenhang mit den Snowden-Enthüllungen geht das hysterisch anmutende Gebrüll hauptsächlich von Oppositionspolitikern und Medien aus. Brigitte Fehrle, Chefredakteurin der „Berliner Zeitung“ fragt zum Beispiel am 13.07.2013 im Deutschlandfunk mit vor Empörung bebender Stimme, „…was ist mit denen, die abgehört werden? Man hört keinen Aufschrei der UNO, die Europäische Union hat keinen Krisengipfel einberufen, die Kanzlerin hat nicht das nächste Flugzeug nach Amerika genommen, um scharf zu protestieren.“ Die sachliche Antwort ist ganz einfach: Der UN und der EU fehlen, genau wie der Kanzlerin, bisher Zahlen, Daten, Fakten und Belege für eine an der Sache orientierte Politik. Wo kämen Staaten und politische Organisationen hin, wenn sie hektisch und hysterisch auf Enthüllungsjounalismus reagieren wollten.

Die sachlich und politisch orientierte, verantwortungsbewusste Zurückhaltung der Kanzlerin findet Fehrle „irritierend“ und fragt „Wusste die Kanzlerin nichts, oder wusste sie Bescheid und hat es toleriert? Werden wir also von Ahnungslosen regiert, die sich von den Amerikanern hinters Licht führen lassen? Oder von Lügnern, die uns Bürger hinters Licht führen?“ Natürlich hält Fehrle die Kanzlerin – von der sie glaubt dass sie 2008/9 „Vorsitzende der CDU und Fraktionschefin und damit über alle wichtigen Fragen der internationalen Politik mit Sicherheit informiert“ gewesen sei – für eine Lügnerin. Hysterische Gefühle verstellen halt manchmal den Blick und trüben selbstverständliches Sachwissen.

Und Frau Fehrle ist natürlich von Snowden ganz hingerissen. „Er hätte es wahrlich verdient, dass ein europäisches Land, ja ganz Europa, ihm Asyl bietet. Kein politisches Asyl oder Asyl aus humanitären Gründen. Snowden hat sich das Asyl verdient für seine Zivilcourage. …Fast hat man das Gefühl, seine Tat ist zu groß, zu gewaltig, als dass wir sie noch wahrnehmen können.“ Ja, Frau Fehrle hat in vielfacher Hinsicht Wahrnehmungsschwierigkeiten. Da ist mir doch die ehrliche Aussage einer politischen Aktivistin lieber, die nach einem Gespräch mit Snowden sagte, „der wirkt ja wie ein Schuljunge“, wo sie doch einen „Helden“ möglicherweise in Gestalt von Arnold Schwarzenegger erwartet hatte.

Es ist an der Zeit, nun im Hinblick auf die Abhöraktion der NSA im Rahmen der Terrorbekämpfung den Wahlkampf zu vergessen, zur Sachlichkeit zurückzufinden, die Aktivitäten mit den USA und anderen Beteiligten/Betroffenen vollständig aufzuklären, politisch eine ehrliche Bilanz zu ziehen, diese nicht-öffentlich intensiv zu diskutieren, die entsprechenden Lehren daraus zu ziehen und das zukünftige Verhalten der Geheimdienste und der verantwortlichen Politiker möglichst an solchen Lehren zu orientieren. Die Medien werden dann hoffentlich die Problematik erkennen, sich selbst Zügel anlegen und auf „loose talk“ verzichten. Damit wäre der Sache und allen gedient.

Gott sei Dank gibt es besonnene und verantwortungsbewusste Politiker in Deutschland, die sich von hysterischem Gerede nicht beeinflussen lassen und sehr genau prüfen, welche Auswirkungen politische Entscheidungen haben und welche Ziele erreichbar sind. Die Politiker haben allerdings dafür zu sorgen, dass auch beim Kampf gegen den Terrorismus die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit der Bürger stimmt und dass Recht und Gesetz eingehalten werden.

Im Umgang mit Terrorismus sollten die geltenden Sicherheitsregeln - nicht ängstlich aber aufmerksam - beachtet und möglichst pannenfrei und lückenlos angewandt werden. Die Terroristen sollten wir genau beobachten und wenn immer möglich unschädlich machen. Sensationsberichterstattung über Terrorismus - häufig nach unzureichender Recherche und mit mangelhafter Sachkenntnis - ist völlig unangebracht.

Jede übertriebene Aufregung, jedes Anzeichen von Hysterie und jede Überreaktion tragen nicht zur Abschreckung von Terroristen bei, sondern sind Erfolge der Verbrecher. Die Terroristen wollen politisch spalten, verunsichern, sie wollen Organisationen und Dienste lahmlegen, überstrapazieren und blockieren. Die Terroristen ergötzen sich an der erkennbaren, hochgezüchteten Angst von Bürgern und Politikern. Solche Erfolge sollten wir ihnen nicht zubilligen.

(14.07.2013)

 

 

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