Hans-Heinrich Dieter

GefĂ€hrlicher Putin   (28.04.2014)

 

Der Fotograf Platon Antoniou hat vor sieben Jahren ein Portrait von Putin aufgenommen, das die Psyche des russischen PrĂ€sidenten zu spiegeln scheint. Es zeigt einen zynisch blickenden Putin, der kaltblĂŒtig und gefĂ€hrlich wirkt wie ein Reptil. Die russische BĂŒrgerrechtsbewegung hat das Bild inzwischen vereinnahmt, um ihrem Protest gegen den autokratischen Machthaber im Kreml auch bildlich Ausdruck zu verleihen.

Antoniou hat offenbar das wahre Gesicht Putins eingefangen, denn wenn man ihn bei seinen jĂŒngsten Reden im Zusammenhang mit der Krimkrise und dem Ukrainekonflikt beobachtet, fĂ€llt auf, dass er noch hĂ€sslicher, noch zynischer und noch kaltblĂŒtiger wirkt als vor sieben Jahren und dass er seine geballte Wut auf den dekadenten und schwulen Westen sowie seinen Machthunger und seine Gewaltbereitschaft kaum unter Kontrolle halten kann - anders sind seine stĂ€ndigen Zuckungen und hasserfĂŒllten Gesichtverzerrungen kaum zu erklĂ€ren. Er wirkt wie eine zu klein geratene - und deswegen komplexbehaftete - Kreuzung zwischen einem aggressiven politischen Reptil und einer "Geheimdienstratte". Eine gefĂ€hrliche Spezies! Der zuletzt weniger zurechnungsfĂ€hige Trunkenbold Jelzin hat wohl nicht mehr erkennen können, welche Natter er an seine Brust legte.

So wie Putin Ă€ußerlich wirkt, verhĂ€lt er sich auch politisch. Putin hat einmal gesagt, die schlimmste Entwicklung des 20. Jahrhunderts sei der Untergang der Sowjetunion gewesen. Das heißt, dass er sich immer noch mit der verbrecherischen Vergangenheit der Sowjetunion identifiziert. Unter seiner PrĂ€sidentschaft wird diese verbrecherische Geschichte, die eng mit dem kommunistischen Massenmörder Stalin verbunden ist, nicht objektiv aufgearbeitet werden, im Gegenteil. Deswegen benutzt er nun auch neoimperialistische Kampfbegriffe wie "Ruski Mir" (Russische Welt) und bringt zum Ausdruck, dass Russland dort ist, wo sich Russen befinden, aufhalten und wohnen. Das ist die "russische Legitimation" fĂŒr aggressives völkerrechtswidriges Verhalten unter Missachtung der SouverĂ€nitĂ€t und IntegritĂ€t anderer Staaten zum "Schutz der Interessen russisch sprechender BĂŒrger", die nicht unbedingt russische StaatsbĂŒrger sein mĂŒssen. Deswegen stört es den chauvinistischen Putin bei der Verfolgung seiner allrussischen Blut und Boden-Ideologie auch nicht, dass die russischsprachigen Ukrainer keine russischen Staatsangehörigen sind und dass es sich bei den angeblich bedrohten Russen um illegal bewaffnete Separatisten - wenn nicht Terroristen - handelt, die spĂ€testens mit der Geiselnahme der OSZE-MilitĂ€rbeobachter zu Schwerverbrechern geworden sind. Wer eine "Politik der StĂ€rke" betreibt, darf sich auch nicht mit störenden Details aufhalten und schon ĂŒberhaupt nicht durch die Meinung des verweichlichten Westens beirren lassen, sondern muss das große Ziel kraftvoll mit allen Mitteln anstreben. Dazu dient auch Putins meisterlich orchestrierte Propaganda aus LĂŒgen, Verdrehungen und Falschaussagen. GefĂ€hrlich ist, dass Putin inzwischen in seiner ganz eigenen Welt zu leben scheint und zusammen mit seinem engen FĂŒhrungsklĂŒngel selbst an seine PropagandalĂŒgen glaubt. An sich brĂ€uchte Putin wohl spezielle medizinische Hilfe, doch seine HofĂ€rzte werden ihm statt Psychopharmaka eher Anabolika verschreiben, damit er bei der nĂ€chsten öffentlichen Shownummer mit freiem Oberkörper fĂŒr die allrussische Öffentlichkeit noch muskulöser und stĂ€rker aussieht.

Welche Mittel Putin in Zukunft auch verabreicht bekommen mag, er ist und bleibt nach unseren politischen MaßstĂ€ben nicht berechenbar und er entzieht sich Bewertungen nach unserem Wertekanon. Trotzdem wird man mit dem russischen PrĂ€sidenten im GesprĂ€ch bleiben mĂŒssen, wenn auch beeintrĂ€chtigt durch einen von Putin vorgezogenen eisernen GesprĂ€chsvorhang. Über das GesprĂ€ch hinaus muss ein einiger Westen aber Putins "Politik der StĂ€rke" mit konsequenter politischer StĂ€rke begegnen. Eine andere "Medizin" wirkt bei Putin nicht. Verbale politische StĂ€rke kann aber nicht durch KrĂ€merseelen in glaubhaftes und wirkungsvolles politisches Handeln umgesetzt werden. Als Demokratien sind wir gegenĂŒber gewaltbereiten Gegnern in einem Dilemma, das wir aber durch windelweiche, am Eigenprofit orientierte und uneinige Schaukelpolitik verschĂ€rfen. Was soll noch alles passieren, bis die vereinbarte Sanktionsstufe 3 ausgerufen wird? Da lacht sich Putin in seiner ganz eigenen Welt ins FĂ€ustchen.

Trotz seiner offensichtlichen Störungen, wird Putin nicht von sich aus in die Ukraine einmarschieren, denn das ist selbst einem schwachen Westen gegenĂŒber zu stark. Putin wird sich aber weiter einen feuchten Kehricht um internationale Abkommen und internationales Recht scheren, wenn es um Propaganda, den Einsatz von russischen SpezialkrĂ€ften und um russische Geheimdienstoperationen geht, die dem Ziel dienen, einen souverĂ€nen Staat wie die Ukraine zu destabilisieren, Entwicklungen hin zu hinlĂ€nglicher Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu verhindern und gegebenenfalls eine russische militĂ€rische Reaktion zu provozieren, wie 2008 im Georgien-Krieg.

Dass Putin nicht vor der UnterstĂŒtzung von Angriffen auf die OSZE zurĂŒckschreckt, sollte in diesem Zusammenhang sogar Außenminister Steinmeier zu denken geben. Andere westliche Politiker, die weniger zu bestglĂ€ubigem, stĂ€ndigem Lavieren neigen, haben lĂ€ngst aufgehört, an die alleinige Kraft der Diplomatie und an den guten Willen Putins sowie des Kreml zu glauben. Polen und die baltischen Staaten haben zu Recht Angst vor diesem unberechenbaren und gefĂ€hrlichen Putin.

(28.04.2014)

 

 

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