Hans-Heinrich Dieter

Friedensfeindlich   (04.01.2014)

 

Man kann US-Außenminister Kerry nicht vorwerfen, dass er sich um eine Friedenslösung in Nahost nicht bemüht. Bei seiner 10. Reise in das krisengeschüttelte Gebiet hat er ein von den USA formuliertes Rahmenabkommen im Gepäck, das die Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern, die im Juli 2013 nach langer Pause wieder aufgenommen wurden, so voran bringen soll, dass bis April 2014 zumindest Einigung über die Grundprinzipien eines umfassenden Friedensvertrages erzielt werden können. Kerry ist optimistisch und hält eine Lösung im viele Jahre alten Dauer-Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern weiterhin für möglich. Außenminister müssen von Berufs wegen Optimisten sein. Da fragt man sich gelegentlich, wo und wann positiver Optimismus zur Illusion wird.

Das Rahmenabkommen ist nicht in Einzelheiten bekannt. In großen Zügen aber soll Israel sich im Falle einer Zwei-Staaten-Lösung weitestgehend auf seine Grenzen vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967 zurückziehen und zahlreiche jüdische Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten aufgeben. Die Palästinenser hingegen sollen Israel als jüdischen Staat anerkennen und weite Zugeständnisse beim Rückkehrrecht für Flüchtlinge machen. Da ist erheblicher Widerstand sowohl von Netanjahu als auch von Abbas vorprogrammiert.

Netanjahu spielt wie immer ein doppeltes Spiel. Er macht gegenüber Präsident Obama vordergründige Lippenbekenntnisse, erhebt aber vor allem auch mit Rücksicht auf die israelischen Rechtsextremisten Vorwürfe gegen die palästinensische Seite: "Frieden bedeutet Schluss mit der Hetzerei, bedeutet Terrorismus zu bekämpfen und zu verurteilen, bedeutet Israel als jüdischen Staat anzuerkennen, bedeutet seine Sicherheitsinteressen zu respektieren und bedeutet ehrlich bereit zu sein, den Konflikt ein für alle Mal zu beenden." Sein Wohnungsbauminister kündigte derweil - noch ein wenig inoffiziell - den Bau neuer Siedlungsanlagen im Westjordanland an und führende Politiker der Likud-Partei betonen immer wieder: Ein Landverzicht kommt nicht in Frage. Israels Innenminister Gideon Saar fuhr während des Kerry-Besuchs demonstrativ zu einer symbolischen Grundsteinlegung in einer jüdischen Siedlung im Jordantal - ein echter Affront. Immerhin hat Netanjahu wie vereinbart die dritte Tranche der insgesamt 104 palästinensischen Langzeithäftlinge - die meisten von ihnen waren wegen der Tötung von Israelis verurteilt worden - aus dem Gefängnis entlassen.

Abbas wartete vor seinem Amtssitz in Ramallah auf die Heimkehrer. "Es ist ein glücklicher Tag für uns alle und die heldenhaften Gefangenen, die heute freigekommen sind, um als freie Menschen zu leben", sagte er und fügte hinzu: "Wir werden keinen endgültigen Friedenspakt mit Israel unterzeichnen, bevor nicht alle Gefangenen frei sind", und das sind immerhin um die 5000. Abbas weiß genau, dass solche Aussagen - zusammen mit der großenGewaltbereitschaft der Palästinenser- die Verhandlungen genauso behindern wie die illegale Siedlungspolitik Israels, denn in den Augen der Israelis werden "Terroristen und Mörder" wie Helden gefeiert. In der zweiten Hälfte 2013 kamen vier Israelis bei gezielten Anschlägen um. Einige Fachleute sehen durchaus Anzeichen für eine dritte Intifada.

Nach Anschlägen gegen Israelis kam es zu anti-palästinensischen brutalen Racheakten durch Siedler.Wenige Stunden vor der Freilassung der Häftlinge feuerten militante Palästinenser erneut eine Rakete aus dem Gazastreifen ins israelische Grenzgebiet. Als Antwort flog die israelische Luftwaffe Angriffe gegen Ziele im Gaza-Streifen. Dabei gab es auf beiden Seiten keine Verletzten.

Angesichts der wenig friedensfördernden israelischen Politik und des friedensabträglichen palästinensischen politischen Verhaltens drängt sich der Eindruck auf, dass fünf Monate nach der jüngsten US-Initiative zur Lösung des Nahost-Konflikts eigentlich nur noch die Vereingten Staaten einen Friedensvertrag eindeutig wollen. Von daher scheint die neuerliche Friedensinitiative Außenminister Kerrys von vornherein eine aussichtslose Mission zu sein. Doch Kerry ist - anders als Hillary Clinton - ein Mann starker Nerven und großen Durchhaltevermögens. Und er zieht offenbar die Daumenschrauben bei beiden Verhandlungspartnern an.

Und für politischen Druck sind die Rahmenbedingungen nicht ungünstig. Israel kann sich einer völlig bedingungslosen Freundschaft der USA nicht mehr sicher sein. Die Europäische Union bezieht klare Positionen gegen Israels Siedlungspolitik. In der Weltgemeinschaft ist Israel zunehmend isoliert und dem Vorwurf illegalen Handelns ausgesetzt. Zudem braucht Israel die USA angesichts der sich verändernden Rolle des Iran in der Region. Und die Palästinenser bekommen keine allzu große Unterstützung mehr aus der arabischen Welt, die seit dem "Arabischen Frühling" zunehmend einem Scherbenhaufen gleicht. Es ist also durchaus möglich, dass diese Lageentwicklung beide Seiten von einer eher friedensfeindlichen Politik Abstand nehmen lässt.

Auch Außenminister Kerry warnte außerdem vor einer "dritten Intifada" für den Fall, dass die Verhandlungen zwischen den beiden Parteien unter seiner Anleitung scheitern sollten und forderte Israel auf, sich zwischen Siedlungsbau und Frieden zu entscheiden. Das ist Klartext. Und Kerry hat Israel eine Frist gesetzt. Wenn die Verhandlungen bis April 2014 kein Ergebnis bringen, dann will er sich an die Vereinten Nationen wenden. Das bringt natürlich vorwiegend Netanjahu unter Zugzwang.

Politik wird aber von Politikern gemacht, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Wenn es zu einem Friedensvertrag auf der Basis einer Zweistaatenlösung kommt, dann werden Netanjahu und seine rechtsextremen Koalitionäre vermutlich ihre Macht verlieren, genau wie auf palästinensischer Seite die Hamas, deswegen fehlt auch das wirkliche Interesse am Erfolg. Das wird sich, bei allen "Daumenschrauben" und guten Absichten Kerrys, möglicherweise negativ auf eine friedliche Zukunft der Region auswirken. Und auch die jüdische Lobby in den USA sowie der stark gealterte "Falke" und Netanjahu-Unterstützer McCaine, der derzeit lautstark und kontraproduktiv durch Israel reist, werden den Bemühungen Kerrys abträglich sein.

Dem berufsbedingten Optimismus Kerrys muss daher leider eine begründete Skepsis hinsichtlich einer friedlichen Zukunft in Nahost entgegengesetzt werden.

(04.01.2014)

 

 

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