Hans-Heinrich Dieter

Franco-Allemand?   (16.02.2014)

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am 19. Februar 2014 am 16. Deutsch-Französischen Ministerrat in Paris in Begleitung des Bundeskabinetts teilnehmen. Man wird über die Intensivierung der deutsch-französischen Zusammenarbeit beraten. Dabei ist die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik Schwerpunktthema. Im Vorfeld wirbt Frau Merkel in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft für eine engere Militärkooperation mit Frankreich bei Rüstungsprojekten, aber auch bei Auslandseinsätzen, etwa in den Krisenländern Mali und Zentralafrikanische Republik. Der Zusammenhang ist nachvollziehbar, die Frage stellt sich allerdings, ob das die richtige Botschaft ist, auch wenn Verteidigungsministerin von der Leyen mit ihrem französischen Kollegen die deutsch-französische Brigade weiterentwickeln und damit die Kooperation stärken will.

Nach monatelangen Unruhen in der Zentralafrikanischen Republik ufert die Gewalt muslimischer Rebellen vom Bündnis Séléka und christlicher Milizen aus. Frankreich hat nach eigenem Entschluss militärisch interveniert und verstärkt derzeit seine Militärpräsenz in der von Gewalt und Unruhen erschütterten ehemaligen französischen Kolonie, Zentralafrikanische Republik, um weitere 400 Mann auf insgesamt 2000 Soldaten. Der französische Präsident rief die internationale Gemeinschaft gleichzeitig dazu auf, ihre Anstrengungen zu verstärken. Die UN sollen die Entsendung einer Blauhelm-Truppe beschleunigen. Und die EU soll die geplante Eufor-Mission noch schneller anlaufen lassen. Beim letzten EU-Gipfel hat Bundeskanzlerin Merkel, mit anderen Partnern, die Finanzierung eigenständiger französischer Militäroperationen über einen EU-Fonds allerdings verweigert. Die Partner fordern zurecht die Teilhabe an den Entscheidungsfindungen ein.

Es gibt inzwischen eine hohe Zahl von Opfern in der Zivilbevölkerung, massive Vertreibungen, schwere Menschenrechtsverletzungen und die humanitäre Situation verschlechtert sich dramatisch. "Es ist eine Verpflichtung für die internationale Gemeinschaft, sich für eine dauerhafte Lösung des Chaos einzusetzen.", sagt Frau Ashton. Die Europäische Union erwägt daher die Verdoppelung ihres militärischen Kontingents für die Zentralafrikanische Republik von 500 auf 1000 Soldaten. Offen ist aber noch, welche EU-Staaten sich an der Mission beteiligen, die Anfang März beginnen und sich auf die Hauptstadt Bangui konzentrieren soll. Bisher haben nur Estland, Finnland und Luxemburg eine Beteiligung mit Soldaten in Aussicht gestellt. Großbritannien will keine Soldaten entsenden, die Bundeswehr wird den Einsatz aber möglicherweise logistisch unterstützen. Gemeinsame Ziele für eine EU-Mission sind allerdings noch zu definieren. Die EU ist aber inzwischen bereit, die eigenständigen französischen Militäroperationen in eine EU-Mission zu integrieren, wirkt aber noch nicht sehr handlungsfähig.

Im Zusammenhang mit der Krisenbewältigung in Mali bleibt trotz der Anfang 2013 gebotenen Eile festzustellen, dass die ehemalige Kolonialmacht Frankreich ohne Absprachen entschieden hat, die malische Regierung militärisch zu unterstützen. Auch wenn die Lage dringlich und ernst war, hätte Frankreich seine Partner und Freunde auf der Grundlage eines sicherheitspolitischen Konzeptes rechtzeitig konsultieren müssen, damit sie sinnvoll und abgestimmt über die Unterstützung Frankreichs und eigenes Engagement entscheiden können. Ein solches sicherheitspolitisches Konzept ist bis heute nicht bekannt. Gleichwohl beteiligt sich Deutschland an der Ausbildungsmission und will seine Einsatzkräfte verstärken.

In der Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie in der Rüstungspolitik hat Frankreich bisher eher nationalen Egoismus gezeigt als Kooperationsbereitschaft. Wenn Frankreich sich im Rahmen von "Francafrique" engagiert, dann auf der Grundlage von diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und seinen ehemaligen, frankophonen afrikanischen Kolonien und unter Nutzung der Netzwerke französischen Einflusses, um französische wirtschaftliche sowie sicherheitspolitische Interessen zu wahren und zu pflegen. Darüber hinaus hat Frankreich sich im Zusammenhang mit dem Eingreifen in den libyschen Bürgerkrieg der EU gegenüber unsolidarisch verhalten. Auch Deutschland sollte nicht verdrängen, dass es EU-Mitglieder wie Frankreich und Großbritannien waren, die zum bewaffneten Eingreifen in den Bürgerkrieg gedrängt und die Verantwortung dann an die NATO abgeschoben haben. Deutschland sollte sich erinnern, dass es EU-Mitglieder wie Frankreich und Italien waren, die den "Rebellen" unterschiedslos Ausbildungsunterstützung gewährt und - unter Missachtung des UN-Waffenembargos - Waffen geliefert haben. Und es war Frankreich, das sich ohne hinreichende Konsultationen aus dem Afghanistan-Einsatz zurückgezogen hat. Alle diese Erfahrungen zeigen, dass einzelne EU-Mitglieder schwierige Partner für verstärkte bilaterale Militär- und Rüstungskooperation sind.

Der EU mangelt es an gemeinsamen Zielen, an Konzepten und langfristigen Perspektiven in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, das macht eine Weiterentwicklung schwierig und behindert eine vertiefte Integration. In der Europäischen Union gibt es deswegen einen eklatanten Mangel an Militär- und Rüstungskooperation. Das ist sicher auch ein Grund für Alleingänge von Mitgliedstaaten. Umso mehr sollten deswegen alle Anstrengungen Deutschlands auf die Entwicklung gemeinsamer Ziele, Konzepte und langfristiger Perspektiven in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU als Grundlage für gemeinsame Sicherheitsvorstellungen und Verteidigungsanstrengungen gerichtet sein.

Frankreich wird in einer verstärkten miltärischen Zusammenarbeit mit Deutschland seine Souveränität im Hinblick auf die Verfügungsgewalt, die Weiterentwicklung und den Einsatz ihrer Streitkräfte nicht einschränken wollen, das erschwert eine Kooperation auf Augenhöhe. Frankreich ist außerdem wirtschaftlich zunehmend schwach und wird genau wie Deutschland in Zukunft nur über ein begrenztes Verteidigungsbudget verfügen. Eine Teilhabe europäischer Staaten an der Gestaltung der zukünftigen internationalen Ordnung wird daher nur dann wirkungsvoll und in der zu fordernden Qualität gelingen, wenn die EU-Staaten die dafür erforderlichen militärischen Fähigkeiten gemeinsam entwickeln und die diesbezüglichen Rüstungsgüter gemeinsam finanzieren.

Einzelstaaten und auch binationale Kooperationen werden die zukünftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen im internationalen Rahmen nicht bewältigen können. Deutschland sollte sich deswegen nicht verzetteln, sondern den Schwerpunkt auf die Förderung einer vertieften sicherheitspolitischen Kooperation der EU legen.

(16.02.2014)

 

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http://www.hansheinrichdieter.de/html/eu-sicherheits-undverteidigung.html

 

 

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