Hans-Heinrich Dieter

Falsches VerstÀndnis vom Primat der Politik

 

Im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr wird immer wieder propagiert, dass die Stellung des Generalinspekteurs als ranghöchster Soldat der Bundeswehr und als höchster militĂ€rischer ReprĂ€sentant gestĂ€rkt wird. Das wird damit begrĂŒndet, dass der Generalinspekteur zukĂŒnftig truppendienstlicher Vorgesetzter aller Soldaten ist. Im gleichen Atemzug sagt allerdings Verteidigungsminister de MaiziĂšre am 18.05.2011 in seiner Rede zur Neuausrichtung: "Er bleibt aber einem StaatssekretĂ€r unterstellt, das ist nach (ergĂ€nzt: meiner?) Meinung auch so zwingende Folge des Primats der Politik." Und der Generalinspekteur teilt diese Auffassung und verteidigt sie öffentlich. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass dieses VerstĂ€ndnis vom Primat der Politik  hinterfragt werden muss.

Kein Bereich unseres Staatswesens unterliegt in stĂ€rkerem Maße einem Primat der Politik als das MilitĂ€r. Das ist nicht nur durch Misstrauen gegenĂŒber dem MilitĂ€r nach den Erfahrungen der Weimarer Republik und des Dritten Reiches begrĂŒndet, sondern geht auf den MilitĂ€rphilosophen Clausewitz zurĂŒck, der vom absoluten Primat der Politik spricht. Die zivile politische FĂŒhrung hat die Entscheidungsgewalt ĂŒber die Anwendung militĂ€rischer Gewalt, sowohl im Frieden als auch im Krieg. Die StreitkrĂ€fte sind der Exekutive untergeordnet und werden vom Parlament mit einem umfangreichen Instrumentarium kontrolliert. Soldaten der Bundeswehr wachsen förmlich mit diesem Primat der Politik auf, der Grundsatz wird regelrecht verinnerlicht. Dabei wird der Vorrang der Politik vor dem MilitĂ€rischen nicht als EinschrĂ€nkung empfunden, sondern ist heute unabdingbar ein Teil des demokratischen VerstĂ€ndnisses der StaatsbĂŒrger in Uniform und der FĂŒhrungsphilosophie der Inneren FĂŒhrung.

Die Bundeswehr untersteht dem zivilen Bundesminister der Verteidigung, der bisher als einziger Zivilist Soldaten Befehle erteilen darf. Allein das sichert den Vorrang der Politik gegenĂŒber dem MilitĂ€r. Der Bundestag hat weitgehende Kontrollrechte gegenĂŒber der Bundeswehr als Teil der Exekutive und entscheidet ĂŒber QualitĂ€t und Umfang bewaffneter EinsĂ€tze deutscher Soldaten. Auch deswegen ist die Bundeswehr eine „Parlamentsarmee“.

Der Primat der Politik ist allerdings kein Wert an sich, sondern zweckgebunden und dient der AuftragserfĂŒllung der StreitkrĂ€fte im Rahmen unserer parlamentarischen Demokratie. Der Primat der Politik ist deswegen keine Einbahnstraße und darf weder in Dirigismus ausarten noch zu undemokratischer UnterwĂŒrfigkeit der MilitĂ€rs unter die Politiker  fĂŒhren. Hier liegen die Gefahren fĂŒr MissverstĂ€ndnisse. Denn in der heutigen sicherheitspolitischen Praxis bedeutet Primat der Politik, dass Bundestag und Bundesregierung entscheiden und die Bundeswehr klag- und widerspruchslos umsetzt, was von ihr verlangt wird. Dabei fĂŒhlen sich militĂ€rische FĂŒhrer teilweise so sehr und absolut dem Primat der Politik unterworfen, dass sie dirigistische politische Detailregelungen militĂ€rischer Sachverhalte widerspruchslos akzeptieren und darauf verzichten, mit militĂ€rischem Sachverstand zu beraten.

Im Zusammenhang mit den globalen, internationalen und immer komplexer werdenden sicherheitspolitischen Herausforderungen fĂ€llt es der Politik erkennbar zunehmend schwerer, den „Primat“ sachgerecht auszuĂŒben, insbesondere weil ja eine „Nationale Sicherheitsstrategie“ als Grundlage fĂŒr Einsatzentscheidungen fehlt. Hier ist intensive Fachberatung gefordert. Der militĂ€rische Berater der Bundesregierung ist der Generalinspekteur der Bundeswehr.

Beratung ist umso wirkungsvoller, je mehr sie auf „Augenhöhe“ erfolgt. „Augenhöhe“ wird erreicht, wenn der erste militĂ€rische Berater des Ministers und der Bundesregierung auf der Ebene der beamteten StaatssekretĂ€re dem Minister direkt unterstellt ist. Auf dieser Ebene wĂ€re der Generalinspekteur auch Teil der Leitung mit entsprechendem Einfluss und Gewicht. Als Teil der Leitung des Verteidigungsministeriums auf der Ebene der StaatssekretĂ€re könnte der zustĂ€ndige Generalinspekteur in Fragen der MilitĂ€rpolitik, der MilitĂ€rplanung und der EinsĂ€tze der Bundeswehr quasi „eigenverantwortlich“ dem Parlament Rede und Antwort stehen. Der Primat der Politik wĂ€re durch diese angemessene Stellung des Generalinspekteurs in keiner Weise beeintrĂ€chtigt, denn er wĂ€re ja dem Minister direkt unterstellt.

Warum es diesem Primat der Politik entsprechen sollte, dass der erste militĂ€rische Berater einem beamteten, also nichtpolitischen, StaatssekretĂ€r  "unterworfen" wird, bleibt unverstĂ€ndlich und offenbart ein eher undemokratisches Misstrauen gegenĂŒber dem obersten StaatsbĂŒrger in Uniform. Die Geschichte der Bundeswehr zeigt, dass solches Misstrauen nicht gerechtfertigt ist. Ein unbotmĂ€ĂŸig kontrollierter erster militĂ€rischer Berater ist darĂŒber hinaus ein weniger freier und damit weniger guter Berater.

(17.07.2011)

 

 

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