Hans-Heinrich Dieter

Falsches Verständnis   (25.02.2013)

 

Politiker der EU und Medien, die es verstanden haben, reden bezüglich der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei von neuem Schwung und Wiederbelebung oder auch vom Öffnen neuer Kapitel, die Türkei und die Politiker sowie Medien, die es nicht verstehen, reden von Blockade sowie bewusster Verzögerung und türkische Politiker wollen sich nicht länger „hinhalten“ lassen. Und alle reden vom wirtschaftlichen Boom, von der aufstrebenden Macht im östlichen Mittelmeer und von einem Partner auf Augenhöhe, dessen dynamische Wirtschaft angeblich die Spielregeln verändert.

Richtig ist, dass Frankreich unter Sarkozy das Öffnen weiterer Kapitel in den Beitrittsverhandlungen blockiert hat, weil Kapitel nach Kapitel verhandelt werden und das aktuelle Kapitel aufgrund noch nicht erfüllter Kriterien auch formal noch nicht abgeschlossen werden konnte.

Die EU ist keine reine Wirtschaftsunion, sondern hauptsächlich eine politische Wertegemeinschaft, die sich zu einer politischen Union weiterentwickeln muss. Wirtschaftlicher Aufschwung und die geopolitische Lage eines möglichen Beitrittskandidaten allein können deswegen weder die Spielregeln noch die Beitrittskriterien verändern. Die Verhandlungen mit der Türkei sollten daher weiterhin ergebnisoffen aber nach den geltenden Regeln erfolgen. Wiederbeleben kann die Türkei die Verhandlungen, indem sie die Kriterien des aktuellen Verhandlungskapitels erfüllt. Auch neuen Schwung kann nur die Türkei selbst den Beitrittsverhandlungen geben, indem sie die inzwischen wieder gewachsenen Defizite bei den Themen Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit beschleunigt abbaut und alles daran setzt, baldmöglichst die vorgegebenen Kriterien voll zu erfüllen. Solange die Türkei die Kriterien nicht erfüllt, ist sie für die EU auch kein „Partner auf Augenhöhe“.

Der Türkei könnte eine durchaus noch nicht papierkorbreife „privilegierte Partnerschaft“ angeboten werden, bis die Entwicklung des Landes dem Kriterienkatalog weitestgehend entspricht. Danach kann bei Erfüllen aller Kriterien über einen Beitritt der nichteuropäischen Türkei entschieden werden. Einen „privilegierten", weil sonderkonditionierten, Beitritt der Türkei zur Europäischen Union darf es aber nicht geben. Darüber hinaus sollten wir die „Angst“ vor der dynamischen und aufstrebenden türkischen Wirtschaft abbauen. Ohne florierende Handelsbeziehungen in die EU-Länder würde die türkische Wirtschaftsentwicklung sehr schnell stagnieren.

(25.02.2013)

 

 

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