Hans-Heinrich Dieter

Europafeind Erdogan   (27.05.2014)

 

Die Europawahl hat den unsäglichen Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan in Köln am 24.05 2014 schnell in Vergessenheit geraten lassen. Erdogan zeigt sich bei seinen Auftritten gerne vor dem Bild des Gründers der modernen Türkei, Kemal Atatürk. Atatürk war ein großer Staatsmann, der wusste, dass Islam und Demokratie unvereinbar sind, und der deswegen eine Türkei mit strikter Trennung zwischen Staat und Religion realisiert und an die demokratische westliche Welt mit Erfolg angenähert hat. Diesem Staatsmann kann Erdogan das Wasser nicht annähernd reichen.

Denn Erdogan ist kein Staatsmann, sondern ein selbstverliebter Autokrat, Undemokrat und Gewaltherrscher, der europäische Werte mit Füßen tritt und trotzdem anmaßend den beschleunigten Beitritt der Türkei zur Europäischen Union fordert. Erdogan sollte für europäische Demokraten nicht mehr der Rede wert sein.

Weitaus wichtiger als Erdogan sind die türkischen Bürger, die trotz menschenverachtender Niederschlagung friedlicher Bürgerproteste, Beeinträchtigung der Justiz und der Meinungs- und Pressefreiheit sowie trotz AKP-Politiker und die Familie Erdogan belastender Korruptionsskandale nahezu mehrheitlich hinter Erdogan und der AKP stehen. Diese Bürger sind davon beeindruckt, dass Erdogan „massiven wirtschaftlichen Wohlstand“ geschaffen hat und sehen in ihm den starken Führer, eine Leitfigur. Bürger in Demokratien, die sich einen „starken Führer“ vom Schlage Erdogans wünschen und eine solche „Leitfigur“ brauchen, sind im demokratischen Sinne keine mündigen, hinreichend politisch gebildeten Bürger. Davon gibt es in der Türkei, auf dem Lande und in Regionen wie Anatolien offensichtlich mehr als politisch wünschenswert. Solche Bürger brauchen wir nicht in Europa.

Weitaus wichtiger als Erdogan sind auch die türkischstämmigen Bürger in Deutschland, die für „ihren“ Ministerpräsidenten Erdogan schwärmen sowie die Meinungen türkischstämmiger Polit-Bürger wie des CDU-Politikers Bülent Arslan, Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums in der CDU NRW, und der SPD-Politikerin Akgün.

Arslan meint, auch die Türkischstämmigen in Deutschland „suchen natürlich nach Leitfiguren. Und die haben diese Leitfiguren bisher nicht gefunden.“ Nach Frau Akgün haben deutsche Politiker zu wenig getan, um die Herzen der türkischen Bürger zu gewinnen. Da ist es ja letztendlich geradezu positiv, dass Erdogan aus Anlass des zehnjährigen Gründungsjubiläums der AKP-nahen Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), den deutschen und türkischstämmigen Leitfigurenversagern einmal zeigt, wie man als echter, viriler türkischer Führer die Herzen unserer türkischen Bürger teilweise nachhaltig gewinnt.

Wenn Erdogan von etwa 50 Prozent der Türkischstämmigen auch in Deutschland geliebt und von etwa 50 Prozent quasi gehasst wird, dann muss man sich fragen, wie es um den allgemeinen und den politischen Bildungsstand dieser Bürger steht. Die türkischstämmigen Bürger leben in Deutschland in einer Demokratie, Frauen und Männer sind vor dem Gesetz gleichberechtigt, bei uns haben Minderheiten verbriefte Rechte, es gilt die Meinungs- und Pressefreiheit. Wie politisch unmündig und wie ungebildet muss ein in Deutschland lebender Bürger sein, um in Erdogan eine Leitfigur zu sehen und sich nach einem solchen „starken Führer“ zu sehnen? Und wenn türkischstämmige Polit-Bürger meinen, wir hätten in Deutschland versäumt, unseren türkischstämmigen Bürgern solche „Leitfiguren“ und „Führer“ zu bieten, dann weisen auch sie erhebliche demokratische Defizite auf. Der dringende Bedarf an einer intensiven Diskussion der Politik Erdogans innerhalb der türkischen Gemeinde Deutschlands ist offenkundig.

Irgendwie passt es in diesen Zusammenhang, dass die regierungsnahe türkische Zeitung „Yeni Safak“ berichtet, dass die türkische Regierung erbost darüber sei, dass in Köln Gegendemonstrationen zugelassen sind. Es sei „besorgniserregend“, dass die deutschen Sicherheitsbehörden während Erdogans Aufenthalt in der Domstadt acht verschiedene und zum Teil gegen den Premier gerichtete Kundgebungen genehmigt hätten. Und der türkische Außenminister, Davutoglu, hält Erdogans Auftritt in Deutschland für „äußerst normal“ und „wenn manche provozieren wollen, dann ist das anormal und illegal“. Deswegen erwarte die Türkei von Deutschland, dass Gegendemonstrationen verhindert werden. Der türkische Außenminister ist halt wie sein Ministerpräsident ganz weit davon entfernt, Verständnis für demokratische Spielregeln entwickeln zu können.

Die Proteste der Zehntausenden gegen Erdogan verliefen gewaltlos. Schade nur, dass der erforderliche Großeinsatz der Polizei „ein kostspieliges Wochenende für den deutschen Steuerzahler“ beschert hat. Man müsste die Kosten der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) auferlegen, aber diese AKP-nahe Union ist bei uns in Deutschland ein gemeinnütziger Verein - undenkbar in der Türkei, wo christliche Minderheiten verfolgt werden.

(27.05.2014)

 

 

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