Hans-Heinrich Dieter

Europäische Verteidigungsunion   (02.07.2017)

 

Sicherheits- und Verteidigungspolitik haben derzeit Konjunktur in der Europäischen Union, weil die EU-Mitglieder inzwischen wissen, dass sie sich auf die Supermacht USA nur eingeschränkt verlassen können und ihr sicherheitspolitisches Schicksal stärker in die eigenen Hände nehmen müssen.

Anfang Juni hielt die EU in Prag eine Verteidigungs- und Sicherheitskonferenz mit den höchsten Vertretern der europäischen Sicherheitspolitik ab. Schwerpunktthema war die Frage, wie sich eine europäische Verteidigungsunion entwickeln lassen könne. Dabei herrscht Konsens darüber, dass  eine Gemeinsame Verteidigungsunion der EU schnell aufgebaut werden sollte.

Auch der jüngste EU-Gipfel in Brüssel befasste sich mit gemeinsamer Verteidigungspolitik, um dem Willen der europäischen Bürger zu entsprechen. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini stellt fest: „Sie (die Bürger) wollen mehr europäische Einigkeit bei Verteidigung und Sicherheit.“ Und erstaunlicherweise kommt die EU in kleinen Schritten sogar voran.

Das gemeinsame zivilmilitärische EU-Hauptquartier existiert in Form einer Führungszelle mit 35 Mitarbeitern. Bescheiden aber ein Anfang. Ein weiteres Zukunftsprojekt nennt sich „strukturierte Zusammenarbeit“. Ein Teil der EU-Mitgliedstaaten soll sich im Verteidigungsbereich zu einer „Koalition der Willigen“ zusammenschließen, um Projekte wie eine gemeinsame Satellitenüberwachung, gemeinsame Offiziersausbildung und ein verlegbares Lazarett voran bringen zu können. Das dritte Pilotvorhaben ist ein Rüstungsfonds, aus dem gemeinsame Forschungsprojekte bezahlt und auch Rüstungsgüter gemeinsam entwickelt und beschafft werden sollen. Kanzlerin Merkel sieht in der geplanten Zusammenarbeit einzelner Staaten Vorteile: „Das ist ein echter Mehrwert, auf den wir uns geeinigt haben, weil er uns in die Lage versetzt, Missionen durchzuführen – zum Beispiel in Afrika – bei denen wir nicht nur das Militärische im Blickpunkt haben, sondern genauso auch die politischen Lösungsmöglichkeiten einbeziehen können, die Entwicklungs-Zusammenarbeit mit einbeziehen können.“ Man könnte und sollte da eigentlich optimistisch sein, denn es gibt ja in der heillos zerstrittenen EU Weniges, was wirklich gemeinsam und im Geist der Solidarität voran gebracht wird.

Allerdings weiß man noch nicht so recht, wie diese Verteidigungsunion konstituiert sein soll und welche sicherheitspolitischen Aufgaben gemeinsam bewältigt werden sollen. Man denkt bisher im kleinen Rahmen von Konfliktlösungen in benachbarten Ländern sowie in Afrika  und nicht so anspruchsvoll, dass Angriffe auf ein EU-Mitglied, das auch NATO-Mitglied ist, von einer europäischen Verteidigungsunion gemeinsam abzuwehren sei, denn das ist nach Auffassung der EU natürlich nach wie vor eine Angelegenheit für die NATO. Solch eine begrenzte Zielsetzung nährt da eher den Verdacht auf Symbolpolitik, mit der zumindest in einem Politikbereich begrenzte Zusammenarbeit geleistet werden soll. Das ist zu wenig und außerdem ist der Begriff Europäische „Verteidigungsunion“ bei der bisher diskutierten Zielsetzung nicht gerechtfertigt.

Darüber hinaus  ist zu berücksichtigen, dass die EU auf absehbare Zeit in ihrem derzeitigen Zustand dauerhafter sowie ausgeprägter Handlungsunfähigkeit und offen verweigerter Solidarität einzelner Mitgliedstaaten als politische Gemeinschaft nicht in der Lage ist, ihr sicherheitspolitisches Schicksal mit Erfolgsaussichten in die eigenen Hände zu nehmen. Die EU bleibt in sicherheitspolitischen Fragen auf die möglichst enge Zusammenarbeit mit den USA angewiesen. Eine solche Zusammenarbeit ist am ehesten und besten mit der NATO zusammen zu erreichen.

Deswegen kommt der vertieften Zusammenarbeit mit der NATO die herausragende Bedeutung zu. Die NATO macht jetzt schon die richtige und ausgewogene Politik nicht nur gegenüber unserem neuen "Gegner" Russland. Und die NATO ist als Verteidigungsorganisation heute schon strukturell handlungsfähig. Und Taten sind in der Sicherheitspolitik weitaus wichtiger als hehre Worte und Absichtserklärungen.

Deswegen ist es gut, dass beim jetzigen NATO-Gipfel festgestellt werden konnte, dass 25 der 29 Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsausgaben vereinbarungsgemäß erhöhen. Im Baltikum und in Polen sind inzwischen vier multinationale Kampfverbände der NATO voll einsatzfähig und die USA engagieren sich zusätzlich aufgrund von bilateralen Abmachungen - ein sichtbares Zeichen von praktischer NATO-Solidarität der USA auch im Hinblick auf Artikel 5 des NATO-Vertrages.

Solange die „Europäische Verteidigungsunion“ lediglich eine langfristige, gute Idee ist, gibt es ein sicheres Europa angesichts der sicherheitspolitischen Lage auf absehbare Zeit nur mit der NATO und gegebenenfalls durch Rückgriff auf die nuklearen Fähigkeiten der USA.

(02.07.2017)

 

 

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