Hans-Heinrich Dieter

Enttäuschend und unwürdig   (10.06.2013)

 

Ob Minister de Maizière glaubwürdig ist oder gar gelogen hat, mögen die „Gewalten“, das Parlament, möglicherweise sogar die Justiz, gar die Kanzlerin für die Exekutive oder auch die „vierte Gewalt“, die Medien herausfinden und dann zu angemessenem Handeln zwingen.

Das schwer verständliche Verhalten des Verteidigungsministers erscheint aber zunehmend als unwürdig. Das spüren die Bürger und sind enttäuscht oder verärgert. Da hilft es auch nicht, wenn Herr Koppelin von der FDP meint, de Maizière sei ein „hochanständiger Mann“ und die Angriffe von SPD und Grünen hätten nur etwas mit Wahlkampf zu tun oder wenn der Fraktionsvorsitzende der CDU glaubt, de Maizière sei der richtige Mann, um die „Zustände“ im Ministerium in Ordnung zu bringen. Das Ansehen des Verteidigungsministers ist nachhaltig beschädigt und sein Ruf als korrekter Saubermann hat empfindlich gelitten.

Da es in den Medien und in der öffentlichen Diskussion ja derzeit nicht mehr um die Sache geht sondern um Wortklaubereien und Schuldzuweisungen, wer was wann von wem mit welcher Ernsthaftigkeit sowie Tragweite und unter welchen Umständen mitgeteilt bekam, ist es auch hilfreich, den „hochanständigen Mann“ an seinen eigenen Aussagen und Forderungen sowie an der politischen Handhabung der Affäre zu messen.

Der Minister hat hohes Sendungsbewusstsein. Er zieht gegen die vermeintliche Weinerlichkeit der Soldaten zu Felde und richtet daher strenge Appelle an das Führungspersonal der Bundeswehr, doch endlich gut zu führen. Er glaubte bei der Bundeswehrtagung, sein "Führungsverständnis" in epischer Breite und geradezu schulmeisterlich vor den obersten militärischen Führern unter Rückgriff auf selbstverständliche, auch in Gesetzen gefasste Grundlagen militärischer Führung ausbreiten zu müssen. "Wir brauchen wieder eine Organisationskultur, die diejenigen belohnt, die Mut beweisen und Verantwortung übernehmen." sagte der Minister. Und er wiederholte gerne die fünf Forderungen aus seiner Rede zum Dresdner Erlass: Führen durch Vorbild, Führen durch Führung, Führen durch Handeln, Führen durch Vertrauen sowie Führen durch Lob.  

Derzeit fehlt dem Minister offenbar der Mut, Verantwortung zu übernehmen. Er führt sein Ressort auch nicht durch Vorbild, denn das Bild, das er von seinem tagtäglichen Führungsverhalten als Minister selbst zeichnet, ist eher ein Zerrbild von Führung. Der Minister führt auch nicht durch Führung sondern wird nach eigenem Bekunden eher von seinen Staatssekretären geführt. De Maizière führt auch nicht durch Handeln, also aktive Informationsnachfrage und engagiertes Nachhaken bei Bekanntwerden von Problemen, sondern der Minister lässt sich behandeln und möglicherweise auch an der Nase herumführen. Der Minister versucht wohl durch Vertrauen zu führen, vertraut aber dem in Rüstungsangelegenheiten offensichtlich überforderten Staatssekretär Beemelmans wohl zu intensiv. Minister de Maizière führt auch nicht durch Lob, sondern – wie mehrfach unter Beweis gestellt – durch überzogene und auch unberechtigte Kritik an den Soldaten der Bundeswehr sowie aktuell durch Verunglimpfung der Mitarbeiter im Verteidigungsministerium beziehungsweise in den mit der Rüstungsbeschaffung befassten Behörden.

Ein Minister, der den militärischen Führern pädagogische und moralische Stütze sein will und der den Primat der Politik immer wieder wie eine Monstranz vor sich herträgt, muss sich an seinen Forderungen messen lassen, denn auch die Soldaten der Parlamentsarmee Bundeswehr haben ein Recht darauf, von der Politik gut und sachgerecht „geführt“ zu werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die verantwortlichen Politiker dem hohen Anspruch an ethischer und fachlicher Kompetenz, der mit dem Primat der Politik verbunden ist, wirklich gerecht werden.  

Das Bild, das Minister de Maizière im Zuge der Affäre von sich selbst in vielfältigen Farben beredt gezeichnet hat, zeigt einen höchst bedauernswerten Ressortchef, der nach eigener Darstellung schon seit drei Jahren einem Ministerium vorsteht, das miserabel funktioniert, das falsch und unzureichend informiert und das den Minister dadurch politisch schlecht aussehen lässt. Ein Minister, der augenzwinkernd über falsche Traditionen im Umgang mit dem Ressortleiter spricht, die vermeintlich "über Jahrzehnte gewachsene Kultur der kollektiven Unverantwortlichkeit im Rüstungsbereich" offenbar kennt, und der den sehr späten Ausstieg aus dem Milliarden-Euro-Hawk-Projekt auf Staatssekretärebene beschließen lässt und offenbar ohne eingehende Prüfung ganz kurze Zeit später nur noch durchwinkt/billigt, darf nicht für sich in Anspruch nehmen, seiner Verantwortung umfassend gerecht zu werden. 

Der Generalinspekteur hat dem Minister gezeigt, wie man ohne hehre Worte, "vorn steht - gerade steht - einsteht" und auch für möglicherweise kleine Versäumnisse bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.

(10.06.2013)

 

 

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