Hans-Heinrich Dieter

Einsatzende in Afghanistan!   (01.07.2021)

 

Meine Klartexte zum Versagen am Hindukusch und zum Abzug aus Afghanistan sind auch heute noch stimmig und zutreffend.

Nach den ursprünglichen Plänen der Bundesregierung sollten die etwa 1100 Soldaten der Bundeswehr bis Mitte August 2021 geordnet und gesichert abgezogen werden und so ihre Teilnahme an der Ausbildungsmission „Resolute Support“ nach knapp 20 Jahren Afghanistaneinsatz beenden. Dass die Truppe nun schon am 30.06. wieder in der Heimat ist, wirkt etwas überhastet – insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass Deutschland für den Norden Afghanistans und eine Vielzahl von Partnertruppenteilen verantwortlich war. Der Druck der Taliban war wohl schon zu stark!

Und nun wird in den Medien – allen voran durch die ARD – die Frage gestellt: „War es das wert?“ Um die Beantwortung dieser Frage muss sich nun unsere parlamentarische Demokratie intensiv kümmern. Ministerin Kramp-Karrenbauer hat versprochen: „Wir werden offen darüber reden, was gut war, was nicht gut war und was wir gelernt haben.“ Und die Wehrbeauftragte des Bundestages, Högl, regte sogar erneut eine kritische Evaluierung des Einsatzes an und schlug dazu die Einrichtung einer Enquete-Kommission vor. Das ist ein guter Vorschlag, denn in der derzeitigen Beurteilung sind die Politiker natürlich unterschiedlicher Auffassung. Frau Högl, zum Beispiel meint: „Das Ziel war, dass internationaler islamistischer Terrorismus nicht mehr von Afghanistan ausgeht, da kann man möglicherweise einen Haken dranmachen.“ (Das kann man natürlich nicht, denn die Taliban, der IS und Al-Qaida sind sehr aktiv). Und: „Wenn wir das Ziel formulieren, wir wollten Demokratie und Rechtsstaat nach Afghanistan bringen und allen Menschen nach unserer Vorstellung von Freiheit und Frieden eine Perspektive bieten, dann ist dieses Ziel sicher nicht erreicht worden.“ Und für künftige Einsätze: „Für jede einzelne Soldatin und jeden einzelnen Soldaten ist es wichtig zu wissen: Warum bin ich dort? Was ist mein Auftrag? Was möchte ich hier erreichen?” Wenn auf der Grundlage solcher Fragestellungen der Afghanistaneinsatz ehrlich und gründlich aufgearbeitet wird, dann haben Politik und Parlamentarier eine Chance, es in Zukunft besser zu machen!

Wenigstens der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Pfeffer, hat die Truppe empfangen und den Soldatinnen und Soldaten für ihr Engagement in Afghanistan gedankt: Sie hätten sich nicht beirren lassen von unklaren Lagen, häufigen Änderungen der Rahmenbedingungen und auftretenden Schwierigkeiten. Die Soldaten haben ihren eingeschränkten Auftrag mit teilweise unzureichender Ausrüstung engagiert erfüllt, obwohl ihnen während der knapp 20 Jahre Afghanistaneinsatz nicht klar war: Warum genau bin ich hier? Was sollen wir hier erreichen? Was muss erreicht werden, um zu wissen, dass wir erfolgreich waren? Die Internationale Staaten-gemeinschaft und auch die Bundesregierung haben es versäumt, klare Ziele zu formulieren und Strategien zur Zielerreichung zu definieren – und Deutschland genügte es einmal mehr, dabei zu sein und „mitzumachen“. Dass unsere Soldaten trotzdem unbeirrt und treu ihren Auftrag erfüllt haben, muss uneingeschränkt anerkannt werden!

Der Afghanistan-Kenner und Grünenpolitiker Nachtwei wirft der internationalen Gemeinschaft - und damit auch der Bundesregierung und dem Parlament – vor, beim Versuch, das strategische Ziel, für Sicherheit in Afghanistan zu sorgen, kläglich gescheitert zu sein. Das ist sehr allgemein. Man kann es auch etwas differenzierter beschreiben: In Afghanistan hat die westliche Staatengemeinschaft ab 2001 mit dem naiven Ziel interveniert, aus einer vom Islam dominierten, unterentwickelten, mittelalterlichen Stammesgesellschaft eine rechtsstaatliche „Westminster-Demokratie“ mit guter Staatsführung zu machen – und ist gescheitert. Afghanistan will nicht nach westlicher Façon selig werden, Afghanistan will unser Geld. Nach fast 20 Jahren kostenintensiven militärischen Einsatzes sowie humanitärer und wirtschaftlicher Investitionen terrorisieren die erstarkenden Taliban weiterhin das afghanische Volk, ist die Korruption nicht im Griff und wurde die Drogenproduktion weiter ausgebaut. Neben den Taliban-Terroristen ist außerdem der Islamische Staat aktiv und auch Al-Qaida hat in Afghanistan wieder Fuß gefasst. Positive Perspektiven gibt es nicht und von demokratischen Strukturen ist das Land noch weit entfernt. Das erfolglose Ende des westlichen Engagements in Afghanistan wird den Taliban die Machtübernahme ermöglichen. Aber offensichtlich zieht eine Mehrheit der Bevölkerung ein von den Taliban stark beeinflusstes, wenn nicht gar beherrschtes, gesellschaftliches System einer westlich orientierten Demokratie vor!

Und mit dem jetzt begonnenen Abzug der NATO wird der Erfolg von Friedensverhandlungen immer unwahrscheinlicher. Der Abzug wird durch die Taliban als Sieg gefeiert und auf dieser Grundlage erweitern sie ständig ihren Einflussbereich. De facto kontrollieren die Taliban bereits jetzt schon weit mehr als die Hälfte des Landes, die zerstrittene Regierung hat nur über Kabul und die nähere Umgebung die eingeschränkte Kontrolle. Und auch ein Bürgerkrieg der Taliban mit den alten Warlords ist nicht ausgeschlossen. Die Stehzeit der zerstrittenen und korrupten Regierung ist hingegen absehbar nur noch sehr kurz! Und wen will die deutsche Politik dann genau und wie finanziell oder auch mit zivilem Engagement weiter unterstützen? Das ist alles unglaubwürdiges Gerede!

Mir tut es leid um die Gefallenen, Verwundeten und hochengagierten Soldaten der NATO, denn ihr Einsatz in Afghanistan hat kein positives Ergebnis erbracht!

(01.07.2021)

 

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http://www.hansheinrichdieter.de/html/versageninafghanistan.html

 

 

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