Hans-Heinrich Dieter

Ein Jahr nach Fukushima   (11.03.2012)

 

Zum Jahrestag der Dreifach-Katastrophe im japanischen Fukushima verteidigt Kanzlerin Merkel auf ihrer Website die hektische Kehrtwende in der Energiepolitik der schwarz-gelben Koalition. Es durfte auch nicht erwartet werden, dass die Naturwissenschaftlerin sich selbstkritisch und rational mit der Thematik auseinandersetzt. Es war zu erwarten, dass die Parteipolitikerin Merkel weiterhin versucht, ihre 180°-Wende plausibel zu begründen. Das fällt aber schwer, denn es sind in der eher kopflos erscheinenden politischen Hektik zu viele Fehler gemacht worden. Die Kanzlerin hat nur Glück, dass die deutschen Stimmungs- und Angst-Bürger die Folgen dieser Politik noch nicht realisiert haben.

Die sehr hohen Sicherheitsstandards deutscher Kernkraftwerke, der ökonomische Bedarf für den Industriestandort Deutschland und die ökologischen Vorteile der Kernenergie im Hinblick auf Klimaschutz waren Grundlage für das Gesetz zur Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke im Herbst 2010. Und dann wird Japan im März 2011 von einem Erdbeben, einem Tsunami und einem Atomunfall heimgesucht. Die ersten Reaktionen im gewohnt wenig krisenfesten Deutschland sind nicht durch Mitleid mit den Menschen in Japan geprägt, sondern durch Demonstrationen mit den lautstarken Forderungen "Atomkraft Nein Danke" und "Abschalten Jetzt"! Die gezielte Panikmache durch Sozialdemokraten und Grüne trägt Früchte, "German Angst" macht sich breit. Dabei ist Deutschland nicht betroffen. Eine Analyse des Störfalls im Kernkraftwerk konnte noch nicht angestellt werden. Eine intensive Diskussion über politische Maßnahmen ist im Bundestag zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht geführt worden, geschweige denn eine Grundsatzdebatte zu möglichen Auswirkungen auf die zukünftige Energiepolitik. Es gab keine konkreten Vorstellungen zu Zielen zukünftiger deutscher Energiepolitik und deswegen natürlich auch keine konkreten Konzepte. Allerdings stand damals die Landtagswahl in Baden Württemberg an. Und das ist der ausschlaggebende Faktor, denn unsere Politiker haben eine geradezu irrationale Angst vor irrational wählenden Bürgern und neigen deswegen zu irrationalem und hektischem Handeln, auch gegen bisher politisch vertretene Überzeugungen. Das macht sie höchst unglaubwürdig. Aber für ein paar Stimmen bei einer der wichtigen Wahlen muss man aus Sicht der Politiker wohl Zugeständnisse machen.

Dabei wünschen wir uns Staatsmänner und -frauen, die sich mit perspektivischer, langfristig angelegter Politik, von Tagespolitik, Wahlkampftiraden und wenig repräsentativen Umfrageergebnissen unbeeinflusst, gelassen und unabhängig dem Wohl des deutschen Volkes verpflichtet fühlen. Gelassenheit ist aber keine bemerkenswerte deutsche Tugend, insbesondere nicht beim Thema Nutzung der Kernkraft. In Krisen erweisen sich deutsche Politiker denn auch als hektisch Getriebene, von Stimmungen, Umfragewerten und Beliebtheitsskalen beeinflusste Populisten ohne erkennbare Prinzipien, Grundsätze , Perspektiven und politische Visionen. Ein stark alterndes Volk mit solchen Politikern in Verantwortung hat eine unsichere Zukunft.

Und von der größten Wirtschaftsmacht der europäischen Union können unsere Nachbarn und Handelspartner eigentlich erwarten, dass wir in grundsätzlichen Fragen, die die Zukunft Europas beeinflussen, eine abgestimmte Politik machen, denn die Energiepolitik der Zukunft ist ein europäisches Problem. Anstatt zusammen mit den Partnern und Nachbarn die zukünftige Nutzung der unterschiedlichen Energieträger abzustimmen, handelte die deutsche Politik im Zusammenhang mit der Energiewende eher egozentrisch sowie vorwiegend partei- und innenpolitisch orientiert.

Da bleibt wenig Raum für langfristiges europäisches Denken. Und das in einer Zeit, wo die Europäische Union in einer schwierigen Lage ist. Im Zusammenhang mit der Energiewende handelte die deutsche Politik eher egozentrisch. Deutschland vermittelte bei der abrupten undteilweise peinlichen Kehrtwende den Eindruck, als ob uns das geringstmögliche Restrisiko für unseren kleinen niedlichen Gartenzwerg am wichtigsten ist. Solche Politik festigt nicht gerade das gegenseitige Vertrauen und den europäischen Gedanken.

Wie sieht die Lage in Deutschland ein Jahr nach Fukushima aus?

Der Atomausstieg ist besiegelt, soll bis 2022 geleistet sein und ist wohl unumkehrbar. Es gibt aber keinen verbindlichen Plan, wie denn das Umschalten auf die Nutzung regenerierbarer Energien bis 2022 verlässlich geleistet werden kann. Es gibt keine klaren Vorstellungen, wie, wo und wie schnell die erforderliche Speicherkapazität geschaffen werden kann, um eine dauerhafte, verlässliche Energieversorgung zu gewährleisten. Es gibt kaum Fortschritt im Bau der 1800 Kilometer Höchstspannungsleitungen, aber massiven Druck von Bürgerinitiativen, die eine Umweltverschandelung durch diese Trassen in ihrer Umgebung nicht zulassen wollen. Die deutschen Haushalte sind durch Energiekosten inzwischen stärker belastet. Die deutsche Bevölkerung ist durch den einseitigen Atomausstieg und die Energiewende nicht sicherer geworden, denn nuklear verseuchte Wolken machen nach einem Unfall bei unseren Nachbarn an den deutschen Grenzen nicht Halt und Cattenom in Frankreich sowie Temelin in Tschechien haben deutlich geringere Sicherheitsstandards als deutsche Kernkraftwerke. Industrieunternehmen mit hohem Energieverbrauch müssen subventioniert werden, um konkurrenzfähig zu bleiben und nicht ins Ausland abzuwandern. Die Endlagerfrage ist noch nicht einmal im Ansatz gelöst.

Wir wollen mit der Energiewende Vorbild für die ganze Welt sein, wie Umweltminister Röttgen ziemlich großspurig sagt, da muss unsere Politik aber sehr viel besser werden.

(11.03.2012)

 

 

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