Hans-Heinrich Dieter

Deutsche ideologische Verbohrtheit   (07.01.2022)

 

Unser nach Fukushima überhasteter, in der EU nicht abgestimmter Atomausstieg bis Ende 2022 und die konzeptions- und planlos eingeleitete Energiewende haben erheblichen Schaden für die Volkswirtschaft und die Klimabilanz Deutschlands angerichtet. Wir verfehlen regelmäßig unsere Klimaziele und belasten Haushalte und Unternehmen mit den höchsten Pro-Kopf-Stromkosten in Europa und inzwischen den höchsten Energiekosten in der Welt. Die zehn Jahre seit Fukushima haben wir nicht effektiv genutzt, um die erneuerbaren Energien auszubauen – wir haben dieses Zukunftsprojekt regelrecht verschlafen. Die Windenergie ist nicht so effektiv wie gewollt, weil der Aufbau der Windanlagen an Land durch Bevölkerung und Bürokratie stark verzögert wurde und die Stromtrassen und Leitungen für Off-Shore-Anlagen nicht im erforderlichen Maß gebaut wurden. Die Entwicklung der Solarenergie wurde auch nicht effektiv vorangetrieben, weil es unter anderem an Speicherkapazitäten fehlt. Und die - damals wie heute - unsinnige Energiewende kommt den Steuerzahler mit der beschlossenen Ausgleichszahlung für die Energiekonzerne mit 2,4 Milliarden Euro auch noch sehr teuer zu stehen, wenn die Atomenergienutzung tatsächlich Ende 2022 eingestellt wird. Da mehren sich derzeit in Deutschland Forderungen, im Zusammenhang mit dem Klimaschutz verstärkt auf Kernenergie und auch Gas zu setzen. Angesichts hoher Strompreise und ambitionierter Klimaziele hat sich die Einstellung der Deutschen zur Atomkraft also gewandelt. Bei einer repräsentativen YouGov-Umfrage im Auftrag von WamS sprach sich Mitte 2021 jeder zweite Bürger dafür aus, die bis Ende 2022 geplante Abschaltung der verbliebenen sechs Kernkraftwerke wegen der stark steigenden Energiepreise zurückzunehmen. Ein großer Teil der Bürger überwindet offensichtlich „German Angst“ und hat mehr gesunden Menschenverstand als die mehrheitlich rot/ROT/ grünen Politiker, die ideologisch verbohrt in „German Hysteria“ verharren!

Und nun erwägt die EU-Kommission im Rahmen ihrer Taxonomie für nachhaltige Wirtschaft und Energieerzeugung, die Atomenergie und Erdgas- anlagen unter bestimmten Voraussetzungen als eine „grüne“ Art der Energieerzeugung einzustufen. Der Aufschrei der Mehrheit der deutschen Politiker ist entsprechend hysterisch und die Diskussion verläuft im verbohrten „Weiter so-Modus“.

Es ist zu erwarten, dass die EU mit ihrem Vorschlag durchkommt, weil die überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten - allen voran Frankreich - alte AKW als Übergangstechnologie zur Garantie der Deckung des stark steigenden Energiebedarfes oder neu konzipierte AKW als klimafreundliche Zukunftstechnologie nutzen wollen - auch um einen möglichst frühen Ausstieg aus der Nutzung umweltschädlicher fossiler Energieerzeugung realisieren zu können. Deutschland verfehlt regelmäßig die Klimaziele und muss dann dafür zahlen. Und kein anderes Land will so „kamikazehaft“ ziemlich gleichzeitig aus der Kernenergie und aus der Kohleenergie aussteigen wie wir. Wir tragen dadurch weiter zur Spaltung der EU bei, bringen den heute schon stark stotternden „französisch-deutschen EU-Motor“ endgültig zum Totalausfall und werden nach 2030 gezwungen sein, zur Deckung unseres Energiebedarfs als Industrienation auf für uns dann teuren Atomstrom aus Frankreich, aus den Niederlanden und anderen EU-Staaten und auf schmutzigen Kohlestrom aus osteuropäischen EU-Staaten zurückgreifen zu müssen.

Trotzdem soll bis Ende 2022 nicht nur das letzte AKW vom Netz gehen, „idealerweise“ bis 2030, wie es im Ampel-Koalitionsvertrag heißt, auch das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet werden. In zehn Jahren sollen also 80 Prozent des deutschen Energiebedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden, also vor allem durch Wind, Wasser und Sonne. Im ersten Halbjahr 2021 waren es deutlich weniger als 50 Prozent. Und wer sich das desaströse Ausbauergebnis der „Erneuerbaren“ der vergangenen zehn Jahre vor Augen führt, kann vernunftbegabt nicht glauben, dass in unserem digital, infrastrukturell und bildungsmäßig inzwischen ziemlich „abgehängten“, stark bürokratisierten Staatswesen dieses ambitionierte Vorhaben gelingen kann!

Da drängt sich doch die Frage auf, ob unsere Energiepolitik insgesamt vernünftig ist oder ob wir nicht vielmehr unseren Status als Industrienation aufs Spiel setzen, weil wir ohne bezahlbare und sichere Energieversorgung unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren – zum Nachteil der deutschen Bürger! Und diese Gefahr ist real und nicht aus der Luft gegriffen.  Das „Wall Street Journal“ nannte die deutsche Energiepolitik auch deshalb bereits vor Jahren „die dümmste der Welt“!

Auch wenn mehr und mehr Politiker der CDU/CSU-Opposition inzwischen bezweifeln, dass die „Energiewende“ nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima richtig war, hilft das nicht wirklich weiter, denn die Ampelpolitiker bleiben im Sinne des „Wall Street Journal“ lieber dumm! Und auch Friedrich Merz will nicht zurück zur Kernenergienutzung. Er hält es aber für einen Fehler, 2022 ganz aus der Kernenergie und dann ohne wirkliche Versorgungssicherheit schon 2030 aus der Kohle auszusteigen. Und damit ist er auf einem vernünftigen Weg – leider ohne sich auswirken zu können!

Aus meiner Sicht sollte die Abschaltung der letzten drei AKW in Deutschland 2022 noch nicht erfolgen. Wir sollten diese vergleichsweise modernen, klimaschonenden und sicheren Energieerzeuger weiter nutzen, bis die erneuerbaren Energien tatsächlich den steigenden Strombedarf in Deutschland verlässlich decken können. Und nur bis dahin ist es auch aus meiner Sicht zu rechtfertigen, dass wir die Kernenergie nutzen, insbesondere weil es auch Deutschland bisher nicht geschafft hat, die sichere Endlagerung des hochaktiven Atommülls zu gewährleisten. Weil das aber leider so ist, greift auch die Argumentation nicht, dass man aufgrund der nach 2022 anfallenden, vergleichsweise geringen Menge Atommülls die AKW nicht weiter betreiben darf. Finnland ist dabei, das weltweit erste Endlager für hochradioaktiven Atommüll auf der Insel Olkiluoto fertigzustellen. Wir sollten uns daran ein Beispiel nehmen und unsere Endlagersuche forcieren. Wenn in Deutschland die letzten drei AKW als backup nach 2022 nicht mehr verfügbar sind, werden wir die ambitionierten Ziele für den Ausstieg aus der Braun- und Steinkohlenutzung absehbar nicht halten können. Wir werden unseren Status als Industrienation durch eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit stark beeinträchtigen. Das darf niemand wollen!

Das Thema sollte im Bundestag ohne ideologische, rot-grüne Verbohrtheit diskutiert und zum Wohle der Bürger entschieden werden - und die FDP sollte engagiert, mutig und prinzipientreu versuchen, die Ampel-Kollegen auf den Pfad der Vernunft zu bringen, denn wir brauchen die drei AKW auch nach 2022 als Übergangstechnologie!

(07.01.2022)

 

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