Hans-Heinrich Dieter

Dienen - für Deutschland   (08.07.2020)

 

Der sehr gute Kommentar von Reinhard Müller in der FAZ, Dienen – wofür? hat mich angespornt, über mein Dienen für Deutschland nachzudenken, denn Müller stellt sehr wichtige Fragen wie: „In welchem Land wollen wir leben?“ und „Welches Gemeinwesen ist es wert, sich dafür einzusetzen?“ Dem Staatsbürger in Uniform eines Staates, in dem Soldaten ungestraft als „potentielle Mörder“  – also als Schwerverbrecher mit niedrigen Beweggründen – diffamiert und verleumdet werden können, fallen da die Antworten nicht leicht!

Ich hatte eine interessante Jugend, war sportlich gut veranlagt, war bei den überkonfessionellen Pfadfindern engagiert, hatte teilweise gute Lehrer und mein Vater hat als Berufssoldat der Bundeswehr zu meiner persönlichen Prägung beigetragen. Ich war politisch und auch an den Streitkräften interessiert. Als die Wehrpflicht anstand, hat mein Vater mir geraten: Verpflichte Dich nach dem Abitur auf drei Jahre, dann wirst Du vollständig zum Offizier ausgebildet, danach studierst Du und wirst etwas „Ordentliches“! Ich wurde Fallschirmjäger, fand Gefallen am militärischen Dienst und hatte schon als junger Offizieranwärter Freude am Führen von leistungsfähigen Soldaten. Da der Dienst als Offizier meinen beruflichen Erwartungen entsprochen und sich als etwas für mich sehr „Ordentliches“ erwiesen hatte, wurde ich Berufssoldat.

In der Fallschirmjägertruppe fand ich sehr gute Kameraden, hochmotivierte und sehr leistungsfähige Soldaten, die sich im Rahmen unserer Freiheitlich Demokratischen Grundordnung, im Einklang mit unserem Wertebewusstsein und auf der Grundlage ihres Diensteides mit aller Kraft für Deutschland einsetzten. Wir wachten zwar nicht jeden Morgen gegen fünf Uhr auf und dachten, heute musst Du das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes verteidigen, aber „wir standen mit beiden Springerstiefeln fest auf dem Boden des Grundgesetzes“ und wollten Tag für Tag guten und erfolgreichen Dienst für unsere Soldaten und für Deutschland leisten.

Dieses Deutschland war im permanenten Aufbau begriffen. Die junge und noch nicht gefestigte Demokratie verfolgte eine eindeutige Westorientierung. Wir wurden Mitglied in der transatlantischen Verteidigungsgemeinschaft NATO und wir wurden Mitglied in der aufwachsenden Wertegemeinschaft der Europäischen Union. Die sich auf der Grundlage der sozialen Marktwirtschaft entwickelnde europäische Wirtschaftsmacht Deutschland wurde zum beachteten und geschätzten europäischen Partner. Und zur Zeit des Kalten Krieges brachten wir uns konsequent mit sehr leistungsfähigen und einsatzbereiten Streitkräften in die NATO ein. Wir haben unsere Einsatzbereitschaft in intensiven und fordernden nationalen und internationalen Ãœbungen ständig unter Beweis gestellt, „wir konnten kämpfen, um nicht kämpfen zu müssen“! Und den friedensbewegten, friedenseuphorischen, friedensillusionistischen, 68er-bewegten und bundeswehrskeptischen Teil der deutschen Bevölkerung waren wir klaglos bereit, „mitzuverteidigen“. Die RAF wurde unschädlich gemacht und andere Linksradikale hatten einen nur marginalen Einfluss. Rechtsradikale Bewegungen, wie die NPD oder die Republikaner, hatten politisch keine wirkliche Chance, denn es gab keinen wirklichen Grund für Rechtsradikalismus. Und diese erfolgreiche Entwicklung wurde dann gekrönt durch die Wiedervereinigung Deutschlands. Kurzum, wir waren als Patrioten stolz auf die so positive und erfolgreiche Entwicklung unseres Heimatlandes und haben diesem Deutschland gerne als Staatsbürger in Uniform gedient - weil es ein Land war, in dem wir frei und selbstbestimmt leben wollten und konnten!

Mit der Wiedervereinigung - als mit den Worten Brandts „zusammenkam, was zusammengehört“ - hat sich die sicherheitspolitische und gesellschaftliche Lage Deutschlands signifikant verändert. Deutschland sah sich plötzlich realitätsblind „ausschließlich von Freunden umgeben“ und hatte immense Kosten zu bewältigen, um den „bankrotten Unrechtsstaat DDR“ in die freiheitlich demokratische Grundordnung sowie die soziale Marktwirtschaft einzugliedern. Die ostdeutsche Bevölkerung war außerdem anders sozialisiert. Die ostdeutschen Bürger des nationalsozialistischen Deutschlands wurden ohne Aufarbeitung dieser Geschichte und ohne Entnazifizierung Bürger in einer sozialistischen Diktatur, die Teil des Warschauer Paktes und damit erklärter sicherheitspolitischer Gegner Westdeutschlands war. Diese ostdeutschen Bürger waren Eigenständigkeit, Eigenverantwortung und freiheitliches demokratisches Leben nicht gewohnt und wurden demokratisch ungeübt und in unserem Sinne politisch ungebildet unsere Mitbürger. Es „kam zusammen, was noch nicht zusammenpasste“ – von Zusammenwachsen konnte noch keine Rede sein! Nicht ohne Grund sind heute in den ostdeutschen Bundesländern die Linke mit den ehemaligen Staatsgefängniswärtern, IMs und Stasi-Mitarbeitern, aber auch die AfD mit ihrem rechtsextremen Flügel stark vertreten oder in politischer Verantwortung. In dieser Zeit waren die ersten Spaltungstendenzen in der Gesellschaft zu erkennen.

Weil sich die deutschen Politiker nach Ende des Kalten Krieges „ausschließlich von Freunden umgeben“ sahen, glaubten sie, die deutschen Streitkräfte nicht mehr in der von der NATO für Landes- und Bündnisverteidigung gem. Art 5 des NATO-Vertrages vorgesehenen Stärke und Einsatzbereitschaft halten zu müssen und ergötzten sich am Einfahren der sogenannten „Friedensdividende“. Die Bundeswehr wurde durch mehrere, wenig erfolgreiche Umstrukturierungen und Reorganisationen gejagt, stark verkleinert, auf Auslandseinsätze ausgerichtet, ohne Konzept der Wehrpflichtigen beraubt und zum „Sanierungsfall“ kaputtgespart. Die Bundesrepublik Deutschland erfüllte die vereinbarten NATO-Verpflichtungen im Hinblick auf Verteidigungsinvestitionen über lange Zeit und bis heute nicht und entwickelte sich zum wenig vertrauenswürdigen sicherheitspolitischen Trittbrettfahrer mit außenpolitisch stark eingeschränkter Bedeutung. Und die Soldaten empfanden nicht nur die Geringschätzung durch die Mehrheit der Bevölkerung als wenig attraktiv und demotivierend, sondern auch die Tatsache, dass sie durch Personal- und Materialmangel an bestmöglichem Dienst für Deutschland gehindert wurden. Dabei geht es heute nicht mehr nur um „kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“, heute geht es für die Soldaten der Bundeswehr um „kämpfen müssen“ und da sollte man von seinem Land, dem man dient, gute Rahmenbedingungen für den Erfolg und von der Gesellschaft, deren Recht und Freiheit man bereit ist zu verteidigen, Rückhalt und Wertschätzung erwarten können. Welche intelligenten, physisch und psychisch leistungsfähigen Staatsbürger*innen wollen als Teil eines „Sanierungsfalles“ einem Land dienen, das so - geradezu „tönniesmäßig“ - mit seinen Soldaten umgeht? Und wenn dann die „schlechteste Verteidigungsministerin seit der deutschen Einheit“ von der Leyen (Oppermann) die Soldaten auch noch mit einer ungerechten Pauschalschelte und einem unberechtigten Generalverdacht verunglimpft, sind Vertrauensverlust, Unmut, Frust und Politikerverdrossenheit sowie Mangel an qualitativ gut geeignetem Nachwuchs für die Parlamentsarmee die verständliche Folge. Diese Streitkräfte betrachte ich immer noch als „meine Bundeswehr“, muss aber zugeben, dass es mir immer schwerer fällt, diese Haltung zu vertreten, auch weil ich nicht mehr wirklich stolz auf mein Vaterland sein kann!

Und der deutschen Gesellschaft ab der Jahrtausendwende ging es nicht viel besser. Deutschland war schon lange ein Einwanderungsland, ohne dafür die rechtlichen Grundlagen geschaffen zu haben. Das ist auch ein Grund, warum die Integration von Migranten in unsere Gesellschaft nur sehr unzureichend - wenn überhaupt – gelungen ist. Deutschland hat sich zu einer sehr heterogenen Multikultigesellschaft entwickelt, mit No-Go-Areas, integrationsunwilligen Parallelgesellschaften und hochkriminellen Clans unterschiedlicher Couleur. Die Sicherheitsorgane haben offensichtlich zu lange weggeschaut und sind deswegen heute nur eingeschränkt in der Lage, solche gefährlichen Entwicklungen in den Griff zu bekommen. Und die vermeintlich „alternativlose“ Flüchtlingskrise 2015, in der die Politik unter Leitung von Merkel konzeptionslos, planlos, kopflos und hilflos agierte, hat die allgemein schwierige Lage Deutschlands verschärft und die gesellschaftlichen Probleme ständig wachsen lassen.

Die Ministerpräsidenten der Länder waren sehr unzufrieden mit der unzureichenden Kommunikation der Flüchtlingsproblematik durch die Kanzlerin und die zuständigen Bundesminister. Die Bürgermeister und Kommunalpolitiker waren unzufrieden mit der Kommunikation durch die Länder und wurden durch Entscheidungen immer wieder überrascht und dann auch schnell überfordert. Die strukturellen Kapazitäten erwiesen sich als unzureichend für den Massenandrang von Flüchtlingen und deren berechtigtem Anspruch auf menschenwürdige Versorgung. Die Behörden und Gerichte waren schnell überlastet und überfordert. Die mit Recht geforderte schnellere Abschiebung von Asylsuchenden aus den Balkanstaaten war nur schwer umzusetzen, weil unser Asylrecht so angelegt ist, dass es auch bei offensichtlichem und festgestelltem Missbrauch zu Verzögerungen durch langfristige Einspruchsverfahren kommt. Außerdem wurde auch den größten Optimisten klar, dass es sehr schwer werden würde, Flüchtlinge – wie gewünscht – schnell zu integrieren und in den Arbeitsmarkt zu bringen, weil bei den meisten Flüchtlingen die Voraussetzungen dafür fehlten. Die deutschen Politiker hatten die staatliche Kontrolle verloren und die haben sie bis heute nicht vollständig zurückgewonnen. Recht und Gesetz wurden nur unzureichend zur Geltung gebracht und der Rechtsstaat hat insgesamt durch die Flüchtlingskrise Einbußen erlitten. Diese teilweise schlechte, unzureichende und wenig plausible Politik, die unsere Demokratie und unsere Sozialsysteme noch über Jahre stark belasten wird, hat viele Bürger aus der Mitte der Gesellschaft verunsichert, verärgert und auch wütend gemacht. Die Folge ist ein massiver Vertrauensverlust in unseren Staat und unsere Politiker.

Die Flüchtlingskrise ist das eklatanteste Beispiel deutschen Staatsversagens. Zum Vertrauensverlust haben aber auch die konzeptionslose Energiewende mit hohen Folgekosten für die Bevölkerung, die Unfähigkeit zur Gewährleistung einer effizienten Nutzung alternativer Energien, die verschlafene Entwicklung der Digitalisierung Deutschlands erheblich beigetragen. Das Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung wurde außerdem durch die unzureichende juristische Aufarbeitung der gewaltsamen linksextremen G20-Demonstrationen in Hamburg und die damit verbundenen Straftaten unter dem Motto „Welcome to Hell“ sowie der in diesen Zusammenhängen entstandene Eindruck, dass die links/grüne Politik die „Gewalt“ der Polizei sehr viel kritischer bewertet als die linken Gewaltexzesse, die ja auch „Hell“ erlebbar machen sollten, verschärft und natürlich auch durch die Tatsache, dass die Sicherheitskräfte seit Hamburg immer häufiger mit pauschalen Anschuldigungen und generellem Verdacht verunglimpft werden. Letztendlich haben auch die deutlich gewordene kriminelle Energie deutscher Wirtschaftsverantwortlicher im Zusammenhang mit der Abgasaffäre der deutschen Autoindustrie nicht nur das globale Vertrauen in „Made in Germany“ belastet, sondern auch das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in die Integrität der Verantwortungsträger.

Nicht wenige Bürger haben offensichtlich den Eindruck gewonnen, dass Deutschland sich abschafft. Das wollen sie verhindern und haben sich teilweise radikalisiert - aus ihrer Sicht möglicherweise für Deutschland und nicht gegen die Freiheitliche demokratische Grundordnung, mit der sie so lange so erfolgreich und gut gelebt haben. Wie in anderen europäischen Ländern haben sich auch bei uns rechtsradikale Organisationen etabliert. Früher galt, dass rechts der CDU/CSU keine politische Bewegung entstehen darf. Wenn allerdings die CDU und CSU stark nach links rücken, sozialdemokratisiert werden und konservative Mitglieder der eigenen Parteien verunglimpfen sowie aus Sicht nicht weniger Bürger unzureichende Politik für Deutschland machen, dann wächst so etwas wie die AfD heran.

Solchen demokratiegefährdenden Entwicklungen sollte man nicht durch Verteufelung von Mandatsträgern und Wähler-Verunglimpfung begegnen, sondern durch sachgerechte politische Diskussion und durch erkennbar gute Politik im Sinne und zum Wohl der deutschen Staatsbürger. Das beste Mittel gegen Rechtsradikalismus und Extremismus jeglicher Art sind gute Politiker mit Empathie für Deutschland und seine Bürger. Deutschland ist es immer noch wert, sich mit ganzer Kraft dafür einzusetzen!

(08.07.2020)

 

 

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