Hans-Heinrich Dieter

Deutschland geschockt!   (31.07.2020)

 

Nun werden die USA im Hinblick auf die von Trump angekündigten US-Truppenreduzierungen konkret – und Deutschland zeigt sich geschockt! Dabei wurden schon vor dem NATO-Gipfel im Juni 2018 noch unausgegorene Planungen des US-Präsidenten bekannt, alle in Deutschland stationierten US-Truppen abzuziehen. So weit ist es bisher nicht gekommen! Schock führt oft zu Starre und Starre nicht zu zukunftsorientierten politischen Lösungen. Deutschland muss daher nicht Trump im Fokus haben, sondern die sich schon zu Zeiten Obamas verändernden politischen Ziele und Ambitionen der USA, und auf dieser Grundlage mit der NATO und der EU gemeinsam die sich dadurch verändernde sicherheitspolitische Lage beurteilen und die erforderlichen außen- sowie sicherheitspolitischen Konsequenzen ziehen.

Da sich die USA erkennbar außen- und sicherheitspolitisch zukünftig auf den pazifischen Raum konzentrieren werden, hat das zur Folge, dass die USA ihr Engagement im Nahen und Mittleren Osten – mit Ausnahme Israels – reduzieren werden. Die Bedeutung Deutschlands als logistische Basis und Drehscheibe wird dadurch für die USA abnehmen und so werden weitere US-Truppenreduzierungen ohnehin ins Haus stehen.

Die USA werden schon aus Eigeninteresse und aufgrund der neuen entfachten Gegnerschaft mit Russland an der NATO festhalten und eine – wenn auch reduzierte - Führungsrolle wahrnehmen wollen. Deswegen werden Truppenreduzierungen in einzelnen Mitgliedstaaten auch mit der NATO gemeinsam zu planen sein und insbesondere US-Truppenverschiebungen in die baltischen Staaten und nach Polen müssen der NATO-Russland-Grundakte entsprechen. Allerdings werden die USA sicher ihre europaorientierten Verteidigungsausgaben reduzieren, um sich stärker im pazifischen Raum zu  engagieren, um den stark aufwachsenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Konkurrenten China besser im Zaum halten zu können.

In diesen Zusammenhängen muss die NATO immer wieder prüfen, in welchem Umfang die USA ihren Verpflichtungen des NATO-Vertrages in Zukunft auch nachzukommen bereit sind. Die NATO wäre daher gut beraten, wenn sie sich darauf einstellte, zukünftig unabhängiger von einem möglicherweise nationalistischen Mitglied USA zu werden und trotzdem sicherheitspolitisch handlungsfähig zu bleiben. Das bedeutet aber, dass die europäischen NATO-Mitglieder mehr Verantwortung übernehmen und ihre Streitkräfte auch einsatzfähig halten. Angesichts der militärischen Fähigkeiten des inzwischen aggressiv agierenden „Gegners“ Russland bedarf das allerdings großer Anstrengungen – auch von Deutschland!

Diese Problematik sollte das inzwischen zum sicherheitspolitischen Zwerg verkümmerte Deutschland begreifen und die sicherheitspolitische Hängematte verlassen, um endlich seiner sicherheitspolitischen Verantwortung gegenüber der deutschen Bevölkerung und in der NATO wieder gerecht zu werden. Dazu muss die Bundeswehr unverzüglich - aber spätestens bis 2031 - wieder einsatzfähig gemacht werden – das wird viel Geld kosten! Und wenn man sich das aktuelle Konjunkturpaket mit einem Volumen von 130 Milliarden Euro ansieht und sich gleichzeitig vor Augen führt, dass der größte Einzelposten, die zeitweilige Reduzierung der Mehrwertsteuer im Umfang von 20 Milliarden Euro fast die Hälfte des Bundeswehr-Etats in Höhe von 45,1 Milliarden ausmacht, dann kann man die Größe der Herausforderungen für Deutschland in den kommenden Jahren abschätzen.

Und Deutschland muss in der NATO - aber auch in der EU - durch Steigerung seiner Verteidigungsinvestitionen bis zur gemeinsam vereinbarten Höhe von jährlich 2 Prozent Vertrauen zurückgewinnen und sich wieder als verlässlicher Partner in die zunehmend gemeinsam zu gestaltende europäische Außen- und Sicherheitspolitik einbringen. Die sicherheitspolitische Eigenverantwortung NATO-Europas wird deutlich wachsen. Und dieser Verantwortung müssen die europäischen NATO-Mitglieder – möglichst in engem Zusammenwirken mit der EU im Sinne der Sicherheit ihrer Bürger gerecht werden!

(31.07.2020)

 

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