Hans-Heinrich Dieter

Deutsch-Israelische Freundschaft   (26.02.2014)

 

Die deutsch-israelischen Regierungskonsultationen Anfang der Woche sollten die deutsch-israelische Freundschaft vertiefen und die politische Zusammenarbeit erweitern. Das scheint gelungen zu sein, denn immerhin haben sich Deutschland und Israel unter anderem darauf geeinigt, dass die Bundesrepublik die konsularische Vertretung von Israelis in allen Ländern übernimmt, in denen der israelische Staat keine Botschaften unterhält. Das ist angesichts unserer Geschichte weitgehend und ungewöhnlich. Das Bemühen um politischen Konsens stand denn auch im Vordergrund – allerdings ohne die bestehenden Differenzen zu verschweigen.

Bundeskanzlerin Merkel setzte sich für eine Zweistaatenlösung ein, mit einem Palästinenserstaat, der in Frieden neben Israel lebt. Darüber hinaus stellte sich Frau Merkel bewusst hinter die Friedensbemühungen des US-Außenministers Kerry und bestand auf greifbaren Ergebnissen bei den Nahost-Friedensverhandlungen – in vollem Bewusstsein der Haltung und der Siedlungspolitik Netanjahus und der Mehrheit seiner teilweise rechtsradikalen Kabinettsmitglieder. Und auch Außenminister Steinmeier betonte, dass die Ausweitung der Siedlungen in den besetzten Gebieten von deutscher Seite nicht nur nicht hilfreich, sondern als störend gegenüber den Friedensbemühungen empfunden wird. Das ist erfreulich klar und konkret aber auch mutig, denn noch kurz zuvor hat der israelische Ministerpräsident Netanjahu die Kritik aus Europa an den Siedlungsplänen seiner Regierung sehr schroff als heuchlerisch zurückgewiesen und meinte in dem Zusammenhang allen Ernstes feststellen zu müssen, die Behauptung, die Siedlungen erschwerten die Friedensgespräche, sei aus der Luft gegriffen. „Ein paar Häuser mehr“ würden die Lage keinen Deut ändern. Dieser Dissens wird bei aller Freundschaft nicht beigelegt werden können.

Trotz der Differenzen im Nahostfriedensprozess ist es für uns aber sehr wichtig und es entspricht unserer besonderen Verantwortung, dass die deutsch-israelische Zusammenarbeit vertieft wird, allerdings nicht um jeden Preis und nicht gegen die politischen Bemühungen der Europäischen Union.

Denn der Besuch stand durchaus im Schatten des Streites zwischen Tel Aviv und der EU über den Umgang mit israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland. Die EU erkennt sie nicht als israelisches Staatsgebiet an und will künftig sicherstellen, dass Waren von dort regulär verzollt werden und keine für israelische Produkte gewährte Vergünstigungen erhalten. Bei aller Rücksichtnahme und allem Verständnis für israelische Sensibilitäten, wird die EU weiterhin sehr deutlich machen, dass sie mit der Siedlungspolitik und der erkennbar unzureichenden Bereitschaft Israels, konstruktiv für Friedensverhandlungen auf der Grundlage einer Zweistaaten-Lösung einzutreten, nicht einverstanden ist. Die Europäische Union wird außerdem unzweifelhaft zeigen, dass sie sich von Politikern wie Netanjahu und Lieberman nicht hinhalten und an der Nase herumführen lässt. Und Europa wird den Druck auf Israel aufrechterhalten, um die Friedens-Bemühungen der USA, allen voran Außenminister Kerry, zu unterstützen. Und das heißt auch, dass die bestehende Kennzeichnungspflicht für israelische Produkte, die auf besetztem Gebiet entstehen, und die gestrichenen Steuervergünstigungen sowie Überprüfungen israelischer Unternehmen und Institute, die auch jenseits der grünen Linie arbeiten, durchgesetzt werden. Die EU-Richtlinien dafür werden erarbeitet.

In Israel spricht man von EU-Boykott und einige Israelis machen natürlich das einflussreiche Deutschland dafür verantwortlich. Die Bezeichnung „Siedler“ sei wieder die Kennzeichnung mit einem „gelben Zeichen“. Solche rechtsradikalen israelischen Einstellungen und verleumderischen Darstellungen müssen wir aushalten, denn es darf nicht sein, dass Deutschland die israelische illegale Siedlungspolitik auch nur indirekt unterstützt.

Die Israelis fürchten die Maßnahmen der EU, weil sie konkret und schmerzhaft die wirtschaftliche Lage Israels betreffen. Aber nur so wird auch der israelischen Bevölkerung vor Augen geführt, dass der gegenwärtige Status quo dem Land nicht dient - sondern schadet. Netanjahu versichert zwar wahrheitsgemäß: "Die Bevölkerung Israels will Frieden, der den Konflikt beendet." Aber Netanjahu selbst - trotz seiner gelegentlichen Lippenbekenntnisse - und das rechte Lager wollen die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern überhaupt nicht, weil sie nicht bereit sind, auf die verstreuten Siedlungen in den besetzten Gebieten und auch nicht auf den Bau neuer Siedlungen zu verzichten. Im Sinne der israelischen Bevölkerung muss Netanjahu daher förmlich zu einer friedensförderlichen Politik gezwungen werden. Die EU ist da auf dem richtigen Wege und Deutschland sollte die EU hier unterstützen.

Im Zuge der Konsultationen sagte Netanjahu später auch, der "Schlüssel zum Frieden" sei weniger die israelische Siedlungspolitik als vielmehr der Wille der Palästinenser, einen nationalen Staat der Juden zu akzeptieren. Beide Probleme müssten angegangen werden. Netanjahu hat aber bisher nicht erklärt, wie er das Problem anzugehen gedenkt, er schiebt die Verantwortung an die Palästinenser ab. Der israelische Ministerpräsident nähert sich nur vordergründig Teilen des von Kerry vorgeschlagenen „Rahmenabkommens“. Diesem Rahmenabkommen entsprechend soll Israel sich im Falle einer Zwei-Staaten-Lösung weitestgehend auf seine Grenzen vor dem Sechs-Tage-Krieg 1967 zurückziehen und zahlreiche jüdische Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten aufgeben. Die Palästinenser hingegen sollen Israel als Staat anerkennen und weite Zugeständnisse beim Rückkehrrecht für Flüchtlinge machen.

Netanjahu und andere israelische Politiker fordern nun aber in letzter Zeit immer häufiger und lautstärker die Anerkennung Israels als „jüdischer Staat“ durch die Palästinenser und bauen dadurch zusätzliche Hürden auf. Die Palästinenser haben Israel in den Oslo-Verträgen von 1993 als Staat anerkannt. Das war damals verbunden mit dem israelischen Versprechen, innerhalb von fünf Jahren einen palästinensischen Staat zu gründen. Die Anerkennung Israels als „jüdischer Staat“ lehnen die Palästinenser bisher ab, denn das ist dann ein Staat, in dem auch keine israelischen Palästinenser mehr leben oder höchstens als „Israelis zweiter Klasse“ leben können und in dem auch keine palästinensischen Flüchtlinge willkommen sind. Der Vergleich mit der Apartheid Südafrikas ist da nicht zu weit hergeholt.

Deutschland sollte den Freund Netanjahu einmal bitten zu erläutern, wie „jüdisch“ im Zusammenhang mit dem Nationalstaat Israel zu verstehen ist. Geht es hauptsächlich um die jüdische Religion oder um die jüdische Ethnie? In einem Israel, das sich homogen jüdisch-religiös versteht, haben Muslime keinen Platz. Ein Israel, das sich als Staat der Ethnie der Juden verfasst grenzt die 20% israelischen Araber aus, die heute in Israel leben und verhindert die Rückkehr oder Entschädigung der Palästinenser – bzw. deren Nachkommen - , die bei der Staatsgründung Israels vertrieben wurden

Wenn Israel die Idee des rein „jüdischen Staates Israel“ mit den angesprochenen Nachteilen für die Palästinenser stringent verfolgt, wird es wohl keinen Erfolg bei den Friedensverhandlungen geben. Israel wird sich weiter politisch isolieren und zunehmend an Rückhalt in der Weltbevölkerung verlieren. Das befreundete Deutschland sollte Israel zu aufrichtiger Friedenspolitik ermuntern und einer weiteren Isolierung, die der israelischen Bevölkerung schadet, entgegenarbeiten. Das geht aber nur zusammen mit Israel und der Europäischen Union.

(26.02.2014)

 

 

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