Hans-Heinrich Dieter

De Maizière und der Dresdner Erlass (21.06.2013)

 

Der Minister hat es selbst zu verantworten, dass ihn Medien als "Minister Ahnungslos" bezeichnen. Und der Minister hat durch sein Krisenmanagement und seine äußerst ungeschickte Kommunikation der Affäre Euro-Hawk die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses geradezu herausgefordert. Es handelt sich dabei nicht - wie die F.A.Z. zu meinen glaubte - um "Kinkerlitzchen" und auch nicht nur um puren Wahlkampf. Es handelt sich um die Wahrnehmung von Verantwortung im Verteidigungsministerium.

Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Dresdner Erlasses gibt es interessante Feststellungen. Für Vertreter des Primats der Politik und der Medien, die es nicht kennen und können, sind die Bundeswehr und das Verteidigungsministerium eine Art bürokratischer Alptraum. Das wollte Verteidigungsminister de Maizière natürlich öffentlichkeitswirksam ändern und stellte im "Dresdner Erlass" Pläne für schlankere und effizientere Strukturen vor.

Der Minister sagte in dem Zusammenhang eine ganze Reihe wichtiger Sätze: "Es ist nichts gut organisiert, wenn am Ende niemand mehr verantwortlich ist". Nach seiner Meinung arbeiten offensichtlich Dutzende Stäbe und Abteilungen eher neben- oder gegeneinander, als gemeinsam konstruktiv ein Ziel zu verfolgen. Und de Maizière unterstellt der Bundeswehr und dem Verteidigungsministerium zu viel "Absicherung von oben" und "Absicherung von unten".

Und der Minister, aufgrund seiner intensiven Kenntnis der Bürokratie will natürlich auch der  "Neigung zu kleinlichem Absicherungsverhalten" beim Führungspersonal einen Riegel vorschieben. Gesagt getan, der Minister gibt den Dresdner Erlass heraus und beginnt die Neuausrichtung der Bundeswehr natürlich am Kopf, wo es aus seiner Sicht besonders stinkt. Der Erlass soll unter anderem klare Zuständigkeiten auch im Bereich "Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung" bringen. Nachdem es bisher offenbar sehr kleinteilig verlaufen sein soll, muss nun der jeweilige Abteilungsleiter die Gesamtverantwortung für die zusammengefassten Bereiche tragen.

Und weil der Minister ahnt, dass es nicht so leicht sein wird, alle hehren und teilweise sehr an der Theorie orientierten Forderungen in die Praxis umzusetzen, stellt er noch schnell das Postulat auf: "Wir brauchen eine Kultur der Verantwortung, die sich durch selbständiges Arbeiten und gute Führung auszeichnet."

Und weil er das Grundsätzliche mag, postuliert de Maizière darüber hinaus vier Grundsätze, die durch die neue Gliederung erreicht werden sollen: „Wir machen das gemeinsame und übergreifende Denken möglich, indem wir es auch strukturell verankern. Wir führen fachliche und organisatorische Kompetenz in den neuen Strukturen konsequent zusammen. Wir schaffen klare Zuständigkeiten und bauen Schnittstellen ab. Das Ministerium konzentriert sich künftig auf ministerielle Aufgaben.“

Und so ist die Verantwortung für Rüstung und Beschaffung auch im Erlass klar geregelt:

"V. Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung - 1. Der Abteilungsleiter Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung trägt die Gesamtverantwortung für den Ausrüstungs- und Nutzungsprozess und die IT-Strategien der Bundeswehr. Er ist zuständig für die Erstellung und Weiterentwicklung der entsprechenden Verfahrensregeln. Darüber hinaus ist er zuständig für die Grundsätze der Beschaffung und des Vergabewesens in derBundeswehr. ..."

Angesichts der Euro-Hawk-Affäre ist der interessierte Bürger da doch in mehrfacher Hinsicht verblüfft. Da ist der Minister, der den "Augias-Stall" persönlich ausmistet, der die Fehler einer 50+-jährigen Geschichte der Bundeswehr korrigiert, der den Fisch sofort am Kopf austrocknet, alles schlank und effizienter macht und die jeweilige Verantwortung klar in jeweilige Hände legt. Es ist da müßig festzustellen, dass der Ressortchef natürlich die Gesamtverantwortung trägt und alles daran setzt zum Wohl des deutschen Volkes, dieser Verantwortung auch gerecht zu werden. Denn: "Es ist nichts gut organisiert, wenn am Ende niemand mehr verantwortlich ist".

Bei der Behandlung der Euro-Hawk-Affäre wurde nun die Neuausrichtung des Ministeriums und der Bundeswehr einem Stress-Test unterzogen. Bisher mit sehr negativen Auswirkungen zu Lasten der Bundeswehr.

Das neuausgerichtete Ministerium wird seiner Verantwortung im Zusammenhang mit dem Euro-Hawk nach der bisherigen Auffassung des Parlamentes nicht gerecht. Die zuständige Abteilung unter Führung eines zivilen Abteilungsleiters begleitet das Milliardenprojekt offensichtlich mit zu wenig Sachverstand und mit unzureichender Sensibilität im Hinblick auf die Beteiligung des Parlamentes. Der zuständige beamtete Staatssekretär hat offensichtlich anderes zu tun, als sich zu kümmern und den gesamtverantwortlichen Minister informiert und problembewusst zu halten. Der Minister will nichts gewusst haben, wollte aber auch nichts wissen, denn er hat ja wohl nicht intensiv nachgefragt, als Probleme bekannt wurden. Der Minister sichert sich ziemlich kleinteilig nach unten ab, indem er Schuld zuschiebt, ohne Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen.

Fazit, der Minister hat ganz offensichtlich mit seiner Neuausrichtung nichts so richtig gut organisiert, denn am Ende ist er nicht mehr verantwortlich und verheddert sich in Spitzfindigkeiten und sehr kleinteiligen Wortklaubereien.

Der Minister schiebt die Verantwortung in das Ministerium und in die Bundeswehr, die er ja gerade neu ausgerichtet hat. Er wird nicht nur seiner Verantwortung für den Euro-Hawk nicht vollständig gerecht, sondern hat ganz offensichtlich auch seine eigene Verantwortung für die Neuausrichtung des Ministeriums verdrängt.

Der Minister fordert: "Wir brauchen eine Kultur der Verantwortung, die sich durch selbständiges Arbeiten und gute Führung auszeichnet." Im Hinblick auf Kultur der Verantwortung und gute Führung hat er gepatzt. Schade, denn dieser Minister ist sonst allem Anschein nach ein kluger, sachkundiger, gewissenhafter und ordentlicher Mensch.

(21.06.2013)

 

 

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