Hans-Heinrich Dieter

Chuzpe   (10.11.2015)

 

Nach langer Zeit hat Israels MinisterprĂ€sident Benjamin Netanjahu US-PrĂ€sident Barack Obama in Washington getroffen. In einer Lage, in der FriedensbemĂŒhungen ohne Aussicht auf Erfolg sind, ist der Besuch des Chefs einer rechtsradikalen/nationalistischen/rechtsextremen/ultraorthodoxen israelischen Regierung alles andere als angenehm. Außerdem ist Netanjahu ein mehr als schwieriger GesprĂ€chspartner, der ganz offensichtlich die völkerrechtswidrige Besiedlung des Westjordanlandes fortsetzt, den Terror der radikalen Siedler nicht beendet, die PalĂ€stinenser weiterhin unterdrĂŒckt und einen jĂŒdischen Apartheids-Staat anstrebt, der arabische Israelis benachteiligt und ausgrenzt und so fĂŒr alle objektiven Beobachter eine Zweistaatenlösung faktisch untergrĂ€bt. Diese Politik hĂ€lt Obama im Diplomaten-Sprech lediglich fĂŒr „kontraproduktiv“.

US-Außenminister Kerry ist schon bei den letzten FriedensbemĂŒhungen an der Zerstrittenheit und Gewaltbereitschaft der PalĂ€stinenser, aber hauptsĂ€chlich an der demonstrierten FriedensunfĂ€higkeit Israels gescheitert. Die USA sind derzeit aus innenpolitischen GrĂŒnden nicht bereit, auf die Verhandlungspartner den erforderlichen massiven Druck auszuĂŒben und gegebenenfalls Sanktionen zu verhĂ€ngen, um beide Seiten zur Vernunft zu bringen - im Gegenteil.

Und Netanjahu sagte nun doch tatsĂ€chlich in Washington: „Ich bleibe bei meiner Vision des Friedens: Zwei Staaten fĂŒr zwei Völker. Ein demilitarisierter palĂ€stinensischer Staat, der den jĂŒdischen Staat anerkennt. Niemand sollte unsere Entschlossenheit bezweifeln, uns zu verteidigen. Aber auch nicht unsere Entschlossenheit, Frieden zu schließen mit denjenigen unserer Nachbarn, die mit uns einen Frieden erreichen wollen.“ Angesichts der politischen RealitĂ€t im Nahen Osten ist das mehr als dreist.

Aber es geht wie so hĂ€ufig in der Politik um viel Geld und da ist der israelische Hardliner zu Schwindeleien und unehrlichen Lippenbekenntnissen schon mal bereit. Denn der derzeitige Sicherheitsvertrag zwischen den USA und Israel ĂŒber jĂ€hrlich drei Milliarden MilitĂ€rhilfe lĂ€uft 2017 aus und soll aus Sicht Israels durch einen neuen 10-Jahres-Vertrag ĂŒber fĂŒnf Milliarden pro Jahr ersetzt werden. Mit dieser MilitĂ€rhilfe können dann unter anderem das "Iron Dome"-System zur Raketenabwehr aber auch die Lieferung von Tarnkappen-Kampfjets des Typs F-35 finanziert werden. Dabei bleibt unberĂŒcksichtigt, dass Israel dem Iran mehrmals direkt mit LuftschlĂ€gen gegen dessen Raketenanlagen gedroht hat. Ob also die MilitĂ€rhilfe zur StabilitĂ€t in der krisengeschĂŒttelten Region beitrĂ€gt, bleibt abzuwarten. Und wenn der neue 10-Jahres-Sicherheitsvertrag unter Dach und Fach ist, kann Israel seine provokative Politik ungehindert fortsetzen. Der nĂ€chste Gaza-Krieg ist dann möglicherweise nicht weit.

Putin wartet nicht ab. Er hat mit dem Iran die Lieferung von Flugabwehrsystemen des Typs S-300 im Wert von mehr als 800 Millionen Dollar vereinbart, um damit mögliche Luftangriffe Israels auf iranische Raketenanlagen zu verhindern. Eine RĂŒstungsspirale ist da nicht auszuschließen. Der neue „Kalte Krieg“ hat viele Facetten, betrifft mehr Regionen und ist deswegen komplexer als frĂŒher.

Solange die Amerikaner und auch die EuropĂ€ische Union die israelische Regierung im Hinblick auf eine Zweistaatenlösung nicht in die Pflicht nehmen und keinerlei Druck auf die israelische Regierung ausĂŒben, hat Netanjahu keine Veranlassung, seinen Kurs in der RealitĂ€t zu Ă€ndern - zum Nachteil Israels und der PalĂ€stinenser.

(10.11.2015)

 

 

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