Hans-Heinrich Dieter

Bundeswehr auf Distanz zur Regierung? (03.12.2011)

 

Unter der Ãœberschrift "Bundeswehr distanziert sich von Regierung" berichtet WELT-online über die Evakuierungsübung „Schneller Adler 2011“ der Division Spezielle Operationen (DSO) in Sachsen-Anhalt. Mit solchen reißerischen Ãœberschriften verfestigt WELT den Eindruck, doch nur eine BILD für den gehobenen Geschmack zu sein. Worum geht es, wenn man von der Ãœberschrift absieht?

Die Bundeswehr übt das so realistisch wie möglich, was sie im Einsatz können muss. Zum Einsatzspektrum der DSO gehören Evakuierungen aus einer drohenden Lebensgefahr, die eventuell den Einsatz von Waffen erfordern. Im Notfall muss die Division innerhalb von 24 Stunden für eine Evakuierung einsatzbereit sein. Dabei ist es üblich, sich an Szenarien von realen Einsätzen anzulehnen, schon um aus möglichen Fehlern zu lernen.

Dieses bewährte Prinzip wendet die DSO auch bei der Evakuierungsübung „Schneller Adler 2011“ an. Denn Ende Februar 2011 musste die DSO eine sehr reale Evakuierung durchführen: Im Rahmen der „Operation Pegasus“ wurden 262 Personen, darunter 125 Deutsche, aus den Wirren des Bürgerkriegs in Libyen ausgeflogen. Der Einsatz der DSO war erfolgreich und verlief weitgehend nach Drehbuch. Die politische Nachbereitung war allerdings wenig professionell.  

Der Bundesminister des Auswärtigen selbst hatte damals die Fraktionsvorsitzenden des Deutschen Bundestages vor dem Einsatz ausdrücklich gemäß § 5 Abs. 2 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes informiert. Das bedeutet, dass die Operation zeitkritisch ist und die Zustimmung des Deutschen Bundestages nachträglich eingeholt werden soll. Der Einsatz eines Evakuierungsverbandes von knapp 1.000 Soldatinnen und Soldaten erforderte denn auch schnelle Entscheidungen in ungeklärter, möglicherweise kritischer Lage, um Gefahr für Leib und Leben deutscher und ausländischer Staatsbürgerinnen und -bürger abzuwenden. Die Fallschirmjäger und Feldjäger, die die Transall-Maschinen nach NAFURA in Libyen begleiteten, waren darauf eingestellt, dass der Einsatz die Anwendung von Waffengewalt erfordern könnte und entsprechend bewaffnet und ausgerüstet. Demnach handelte es sich um einen Einsatz bewaffneter Streitkräfte ganz im sehr konkreten Sinne des § 2 Abs. 1 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes. Der Bundesregierung muss das bei Auftragserteilung klar gewesen sein, deswegen hat der Außenminister ja gemäߧ 5 Abs. 2 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes informiert.

Im Nachhinein vertrat die Bundesregierung dann die Auffassung, bei der Evakuierungsmission habe es sich um einen humanitären Einsatz gehandelt, der kein Mandat des Bundestages erfordere. Und wenn der Bundesaußenminister nun sagt, der Einsatz sei mit der klaren Erwartung verbunden gewesen, dass die Soldaten nicht gezwungen würden, ihre Waffen einzusetzen, dann hätte die Bundesregierung eindeutig anordnen müssen, dass es sich um eine unbewaffnete Hilfsmission handelte und das THW beauftragen sollen. Durch solches Verhalten macht sich die Bundesregierung nicht nur unglaubwürdig sondern handelt auch auf den ersten Blick nicht nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz. Da wundert es nicht, dass die Grünen ihre Oppositionsrolle nutzen und Klage beim Bundesverfassungsgericht wegen unzureichender Parlamentsbeteiligung eingereicht haben.

Die DSO hat offenbar auf der Grundlage des Parlamentsbeteiligungsgesetzes den Einsatz bewaffneter Streitkräfte ganz im sehr konkreten Sinne des § 2 Abs. 1 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes geübt. Damit "distanziert" sich die Bundeswehr nicht von der Bundesregierung, sondern erfüllt lediglich einen Ausbildungsauftrag. Daran ändert auch die Tatsache, dass der Fall "Operation Pegasus" derzeit auf dem Schreibtisch von Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle liegt, nichts.

Wenn WELT-online nun mutmaßt "Es könnte also gut sein, dass sich auch Deutschlands Oberster Richter noch mit dem fiktiven Bürgerkrieg in Sachsen-Anhalt befassen wird.", dann liegt das Medium sicher falsch. Mit der realen "Operation Pegasus" vom Februar 2011 wird sich das höchste Gericht hoffentlich bald befassen und im Sinne des Antrages der Grünen entscheiden.

Für die an der erfolgreichen Operation beteiligten Soldaten ist es höchst unbefriedigend, in einen Einsatz geschickt zu werden, der dann später zum „Nichteinsatz“ erklärt wird. Die Soldaten erwarten verantwortungsbewusste politische Führung, eindeutige Aufträge unter klaren rechtlichen Rahmenbedingungen im Einklang mit unserem demokratischen System und Politiker, die zu ihrer Verantwortung stehen.

Die Soldaten der Bundeswehr üben, damit es im Einsatz klappt. Die deutschen Volksvertreter üben tagtäglich und es klappt leider nicht immer.

(03.12.2011)

 

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