Hans-Heinrich Dieter

Bürgerkrieg in Syrien   (24.09.2013)

 

Die Bundestagswahl in Deutschland ist beendet. Die Mehrheit der deutschen Bürger hat sich für die Fortsetzung einer insgesamt erfolgreichen Politik einer Kanzlerin entschieden, der die Menschen vertrauen – das gilt auch für die Politik im Hinblick auf Syrien.

In Syrien geht der Bürgerkrieg trotz aller internationalen politischen Aktivitäten um Chemiewaffeneinsätze mit unverminderter Härte weiter. Und es steht nicht zur Wahl, ob die syrischen Bürger die Fortsetzung des Bürgerkrieges wollen oder nicht. Wie in einem Bürgerkrieg üblich, gibt es zwei Lager von Bürgern. Die einen unterstützen das Regime aus politischer Ãœberzeugung, oder um ihren Besitz oder ihre gesellschaftliche Stellung zu erhalten, andere wie Schiiten, Christen und Alawiten wollen von Assad und seinen Sicherheitskräften vor Sunniten, Islamisten und Terroristen geschützt werden, weil sie um ihr Leben und das ihrer Kinder fürchten. Das andere Lager will Assad stürzen und die politischen Machtverhältnisse und religiösen Verantwortlichkeiten verändern. Und beide Seiten verüben offensichtlich Gräueltaten gegenüber Bürgern des jeweils anderen bürgerlichen Lagers. Und syrische Bürger beider Lager flüchten, wenn sie sich durch Bürger oder Sympathisanten des jeweils anderen Lagers in ihrer Existenz bedroht fühlen. Darstellungen in Medien oder von Politikern wie „Assad schlachtet seine eigene Bevölkerung...” zeugen daher von großer Oberflächlichkeit, von Unverständnis für die Umstände und Rahmenbedingungen von Bürgerkriegen oder von subjektiver Parteinahme.

Natürlich sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von Vertretern des Regimes begangen werden, zu verurteilen. Und sollte das Regime Assad zweifelsfrei Chemiewaffen gegen Regimegegner eingesetzt und dabei Zivilbevölkerung geschädigt oder getötet haben, dann sollte das von der internationalen Gemeinschaft verurteilt, vor internationale Gerichte gebracht und mit Sanktionen gegen das Regime beantwortet werden.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Terrorakte gegen Teile der Bevölkerung und Massaker durch die bewaffneten Vertreter der unterschiedlichsten Oppositionsgruppen sind aber ebenso zu brandmarken und zu verurteilen. Und sollte sich herausstellen, dass Russland zweifelsfreie Beweise dafür vorlegen kann, dass Teile der Opposition Chemiewaffen eingesetzt haben, um mit einem grausamen Täuschungsmanöver einen US-Militärschlag zu provozieren, dann muss die internationale Gemeinschaft solche Verbrechen gleichermaßen verurteilen und ahnden. In beiden Fällen verbietet sich aber ein hinsichtlich seiner Wirkung auf die Bevölkerung und auf den Konflikt schwer kalkulierbares militärisches Eingreifen von außen.

Denn Bürgerkriege sind „innere Angelegenheiten“ und die UN-Charta schützt mit einem völkerrechtlichen Gewaltverbot ausdrücklich und absolut die territoriale Souveränität vor dem gewaltsamen Vorgehen anderer Staaten solange der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht zu einem militärischen Eingreifen ermächtigt. Ein Militärschlag der USA oder einer „Koalition der Willigen“ gegen Syrien wäre eine eindeutige Völkerrechtsverletzung. Und eine Völkerrechtsverletzung, durch wen auch immer, wäre von der internationalen Gemeinschaft nicht einfach hinzunehmen.

Um diese eindeutige Rechtslage zu umgehen, wird dann die sogenannte „humanitäre Intervention“ als Begründung für militärisches Eingreifen in einen Konflikt ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates bemüht. Eine solche humanitäre Intervention ist – im Zusammenhang mit dem Konzept der Schutzverantwortung (responsibility to protect) - allerdings nur gerechtfertigt bei eindeutig beweisbarem Genozid, systematischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und elementare Missachtungen des humanitären Völkerrechts und in einer klar nachgewiesenen Bedrohungslage. Bei der humanitären Intervention geht es daher nicht um Vergeltung oder Bestrafung, sondern nur um Schutz der Bevölkerung. „Chirurgische“ Militärschläge der USA müssten also tatsächlich und wirklich dem Schutz der gesamten syrischen Bevölkerung dienen. Diesbezüglich hat sich die US-Regierung nicht nur mit ihrem rhetorischen Säbelrasseln schon in eine sehr missliche Lage gebracht und ist höchst unglaubwürdig geworden.

Und wie soll die Gewährleistung des unbedingten Zieles „Schutz der Bevölkerung“ bei einem Militärschlag im Rahmen einer „humanitären Intervention“ gegen Syrien in einem Bürgerkrieg garantiert werden? Grundsätzlich werden bei jedem Militärschlag in einem Bürgerkrieg Bürger des „bekämpften Lagers“ beeinträchtigt, geschädigt oder getötet. Durch Militärschläge von außen in einem Bürgerkrieg wird das „oppositionelle Lager“ begünstigt und ermutigt, gegen das andere Bürgerlager militärisch vorzugehen, dabei kommt es regelmäßig zu Ãœbergriffen auch gegen die Zivilbevölkerung. Diese Argumentation kann man beliebig verfeinern und vertiefen. Im Endergebnis wird deutlich, dass militärisches Eingreifen von außen den unabdingbaren Schutz der Bevölkerung nicht gewährleisten kann. Deswegen sollte es auch unterbleiben und so eine Durchbrechung des Gewaltverbotes, das im Völkerrecht nicht umsonst einen hohen Stellenwert hat, verhindert werden.

Präsident Obama hat in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung heute abermals das Assad-Regime für die Giftgastoten in Syrien verantwortlich gemacht und vom UN-Sicherheitsrat eine starke Antwort gefordert. Diese starke Antwort sollte allerdings eine politische Lösung des Bürgerkrieges in Syrien begünstigen und allen Teilen der syrischen Bevölkerung nützen.

Bürgerkriege entstehen aufgrund schwer überbrückbarer Meinungsverschiedenheiten in politischer, ethnischer und religiöser Hinsicht. Ein solcher Konflikt muss ausgetragen möglicherweise sogar ausgekämpft werden, wenn es zu einer dauerhaften Befriedung und nachhaltigen friedlichen Entwicklung einer Bevölkerung oder eines Staates kommen soll. In Syrien bekämpfen sich Schiiten und Sunniten seit dem Mittelalter. Und die Erfahrung - nicht nur im Irak - zeigt, dass „innerer Frieden“ nicht von außen aufoktroyiert werden kann, schon überhaupt nicht durch völkerrechtswidrige „Strafaktionen“ unter Anwendung militärischer Gewalt. Innerer Friede muss durch die Bevölkerung selbst erkämpft, erarbeitet, erwirkt und hauptsächlich gewollt werden. Das ist nur durch eine politische Lösung des Konfliktes zu erreichen.

Die Politik der Bundesregierung, die politische Lösungen unterstützt und humanitäre Hilfe fördert, ist deswegen richtig und unterscheidet sich erfreulich vom Säbelrasseln der USA, Frankreichs und Großbritanniens, die als Vetomächte für die Blockade des Weltsicherheitsrates mitverantwortlich sind. Die deutsche Kultur militärischer Zurückhaltung sollte gepflegt werden.

(24.09.2013)

 

 

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