Hans-Heinrich Dieter

Aussöhnung mit den Taliban? (30.05.2011)

 

Gut, dass bei dem Anschlag in Taloqan nicht noch mehr Soldaten und Sicherheitskräfte gefallen sind oder verwundet wurden.

Wir erinnern uns: SPD-Fraktionschef Steinmeier glaubte nach der Erschießung des Al Kaida-Chefs, dass “nachdem die Terrororganisation ihren führenden Kopf verloren hat, … die geplante Beendigung des Einsatzes realistischer" wird. Der ehemalige Außenminister meinte darüber hinaus, dass der Tod Bin Ladens die Integration jener Afghanen erleichtert, die sich vom Terrorismus lösen und in die Gesellschaft zurückkehren wollen. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sah das ähnlich und hat die Hoffnung, „dass jetzt auch eine politische Lösung des Afghanistankonflikts leichter wird.“ Und Außenminister Westerwelle unterstützte am 18.05.2011 die Forderung des afghanischen Präsidenten Karsai, zahlreiche Taliban von der UN-Terrorliste zu streichen.

Mit Illusionen hat Deutschland den Afghanistan-Einsatz begonnen, mit Illusionen wie baldiger erfolgreicher Aussöhnung mit den Taliban wird er fortgesetzt.

Die vielfachen, afghanistanweiten Operationen der Taliban, darunter auch der Anschlag in Taloqan, zeigen sehr deutlich, dass die radikalen Islamisten wegen des Todes der Symbolfigur der Al Qaida wohl kaum die weiße Flagge hissen wollen. Sie werden sich nach Möglichkeit und mit aller Gewalt in die angekündigte und nun laufende Frühjahrsoffensive einbringen.

Mit dem Anschlag von Taloqan wird natürlich wieder Kritik laut an der deutschen Afghanistan-Strategie, der Erfolg des Einsatzes wird in Zweifel gezogen und das Konzept des "Partnering" in Frage gestellt. Solche Kritik hilft der Truppe vor Ort wenig weiter. Die Soldaten vor Ort brauchen im Gegenteil starke politische Unterstützung. Die Frage muss deswegen nicht lauten, ob die Strategie, die Operationsplanung und die Taktik taugen, sondern es muss die Frage beantwortet werden, ob Strategie, Operationsplanung und Taktik konsequent umgesetzt und angewandt werden, sowie alle Maßnahmen ergriffen werden, um in der kurzen noch verbliebenen Zeit zum Erfolg zu kommen. Erfolg hat Deutschland dann, wenn die verantwortbaren Rahmenbedingungen für eine zeitlich gestaffelte "Übergabe in Verantwortung" geschaffen werden.

Wunschvorstellungen führen da nicht zum Ziel. Und wer den Afghanistan-Einsatz jetzt in Frage stellt, leistet der Sache der Extremisten Vorschub. Das strategische Konzept muss ungeschmälert umgesetzt werden und zur Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte, einschließlich des "Partnering", gibt es keine Alternative. Der Druck auf die Taliban muss im Verantwortungsbereich Deutschlands unter Ausnutzung aller Mittel und Möglichkeiten erhöht werden, um Erfolge der Frühjahrsoffensive möglichst im Keim zu ersticken. Dazu gehört sicher auch die Überprüfung der eigenen Absicherungsmaßnahmen und eine gesteigerte Wachsamkeit gegen Infiltration der afghanischen Partner durch die Islamisten.

Die deutsche Politik sollte sich nüchtern vor Augen halten, dass in Afghanistan das Ziel „Übergabe in Verantwortung“ noch relativ weit entfernt ist. Die Taliban verfolgen offenbar unbeirrt ihre eigenen nationalen und regionalen, islamistischen und machtpolitischen Ziele zum Nachteil der afghanischen Bevölkerung. Im Gegensatz zur internationalen Gemeinschaft haben sie Zeit. Diese Zeit darf man ihnen nicht gönnen. Und wenn das erklärte politische Ziel, bis 2014 alle Kampftruppen zurückzuziehen, realistisch bleiben soll, dann müssen die Taliban aktiv und offensiv bekämpft werden, möglicherweise mit mehr Kampftruppen, um lageabhängig Schwerpunkte bilden zu können.

Verhandlungs- und Aussöhnungsversuche erscheinen nur mit deutlich geschwächten Taliban erfolgversprechend.

(30.05.2011)

 

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