Hans-Heinrich Dieter

Alte Fehler   (26.10.2012)

Minister de Maizière sagte bei der Bundeswehrtagung in Strausberg, dass am Ende der Neuausrichtung eine leistungsfähige Bundeswehr stehen soll, die sieben Forderungen erfüllt:

    1.   „Die Bundeswehr soll der Politik ein breites Spektrum an Fähigkeiten und damit Handlungsoptionen bieten.

    2.   Die Bundeswehr soll personell und materiell einsatzorientiert, einsatzfähig und einsatzbereit sein.

    3.   Die Bundeswehr soll in Strukturen und Verfahren, effektiv wie effizient sein.

    4.   Die Bundeswehr soll demografiefest sein und eine ausgewogene Personalstruktur vorweisen.

    5.   Die Bundeswehr soll nachhaltig finanziert sein.

    6.   Die Bundeswehr soll als Freiwilligenarmee fest in der Gesellschaft verankert sein.

    7.   Die Bundeswehr soll ihren Angehörigen, Soldaten und zivilen Mitarbeitern, Heimat und Kameradschaft bieten.“

 An der Qualität des Erreichens solch hochgesteckter Ziele wird der Minister, seine Nachfolger, aber auch der deutsche Bundestag, der für die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Neuausrichtung verantwortlich zeichnet, gemessen werden.

Und der Minister sagte auch: „Als starkes Mitglied der internationalen Gemeinschaft wird Deutschland künftig eher häufiger gefragt werden, wenn es darum geht, Verantwortung zu übernehmen – auch militärisch. …wenn ein Einsatz politisch erforderlich, gewollt und entschieden ist, muss die Bundeswehr einsatzbereit und einsatzfähig sein. Und zwar schnell und ohne lange Vorbereitung.“ Das soll sicher weltweit gelten. Der Minister ergänzt, die Bundeswehr sollte auf „alles Denkbare vorbereitet sein, auf das Wahrscheinlichste besonders gut.“

Die Worte hört man wohl, allein es fehlt an Vielem!

Wenn Deutschland als eine der größten Volkswirtschaften der Welt der skizzierten Verantwortung für Sicherheit und Stabilität weltweit gerecht werden will, muss Deutschland zunächst einmal wissen, was es außen- und sicherheitspolitisch will. Ohne definierte vitale Interessen und sicherheitspolitische Ziele und ohne ein von der Volksvertretung verabschiedetes außen- und sicherheitspolitisches Konzept fehlt es an der grundsätzlichen Vorbereitung. Wenn Deutschland ohne lange Vorbereitung und schnell Streitkräfte einsetzen können soll, dann brauchen wir die entsprechenden Verlegekapazitäten. Bisher fehlt es an eigenem weitreichendem Großraum-Lufttransport. Wenn man weltweit Streitkräfte einsetzen können will, muss man auch militärische Macht projizieren können. Deutschland hat aber keine Flugzeugträgerflotte, keine eigenen Luftbetankungsmöglichkeiten und relativ wenige Fregatten und Korvetten. Einsatzfähige Streitkräfte brauchen leistungsfähige Führungssysteme, ein breites Spektrum an Aufklärungsmitteln, verlegefähige, geschützte und hochwirksame Waffensysteme und eine hinreichend leistungsfähige Logistik und Sanitätsversorgung. Die Bundeswehr ist aber im Norden Afghanistans in starkem Maße auf Aufklärungssysteme, teilweise Führungsmittel, Kampf-Hubschrauber, Kampfdrohnen aber auch sanitätsdienstliche Rettungsmittel der US-Streitkräfte angewiesen. Die Bundeswehr hat außerdem zu wenig geschützte Fahrzeuge und eigene Kampfhubschrauber sowie leistungsfähige Unterstützungshubschrauber werden zu spät und in zu geringen Stückzahlen im Einsatzland verfügbar. Die unsägliche Diskussion über die Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr ist noch ergebnisoffen. Das entspricht in keiner Weise der militärischen Einsatzfähigkeit, die von einer der größten Volkswirtschaften der Welt zu erwarten ist. Eine schnelle Besserung dieser Lage ist nicht absehbar, weil die Bundeswehr unterfinanziert ist und bleibt, darüber hinaus durch Rüstungsverträge für obsolete oder überzählige Waffensysteme gebunden ist und weil auf der Grundlage des Reformbegleitgesetzes höchstwahrscheinlich keine ausgewogene und demografiefeste Personalstruktur eingenommen werden kann. Es sieht zumindest nicht rosig aus, wenn man sich mit der Erfüllbarkeit der proklamierten Forderungen beschäftigt.

In dieser Lage sagte die Bundeskanzlerin in Strausberg, die Bundesregierung sei bereit, sich an einer europäischen Militärmission im westafrikanischen Mali zu beteiligen. Es sei nicht zu akzeptieren, dass das Land zum Rückzugsgebiet für den internationalen Terrorismus werde, die malischen Streitkräfte bräuchten Hilfe von außen. Dabei soll es nicht um einen Kampfeinsatz gehen, sondern um eine von der Europäischen Union geführte Ausbildungsmission sowie materielle und logistische Hilfen. Die direkte militärische Unterstützung soll von der Afrikanischen Union geleistet werden.

Grundlage für die Aussage der Kanzlerin ist die UN-Sicherheitsratsresolution vom13.10.2012 zu Mali, die Unterstützung für eine afrikanische Friedenstruppe verspricht. Das Gremium forderte in der Resolution die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) auf, innerhalb von 45 Tagen ihre Pläne für einen Truppeneinmarsch im Norden Malis zu präzisieren. Die UN-Staaten könnten dann mit Ausrüstung und Logistik helfen. Vor allem sollten aber ausländische Experten in Mali die Regierungstruppen ausbilden. Ähnliche Pläne werden seither auch von der Europäischen Union geprüft.

Die Kanzlerin sagt schon einmal Hilfe zu. Wir wissen zwar noch nicht was wir wollen oder in welcher Größenordnung und Qualität, doch da es sich ja „nur“ um eine Ausbildungs- und Unterstützungsmission handeln soll, ist das ja nicht so schlimm. Deutschland will halt diesmal mitmachen.

Außenminister Westerwelle hebt dann auch sofort hervor, es gehe um einen „politischen Prozess“ und „nicht um Kampftruppen“. Er schließt Waffenlieferungen aus und es klingt so, als ob es sich um eine unbewaffnete Mission der Bundeswehr handeln soll, die nicht einmal durch den Bundestag mandatiert werden müsse.

Verteidigungsminister de Maizière stellt daher auch gleich richtig, dass die Soldaten möglicherweise Waffen einsetzen müssen, und sei es zur Selbstverteidigung, und hält daher ein Mandat des Parlamentes für erforderlich. Und der Bundestag macht es richtig, er wartet erst einmal ab.

Da es seit kurzem ein Konzept der Bundesregierung „Für eine kohärente Politik gegenüber fragilen Staaten“ gibt, sollte an sich auch dem Außenminister klar sein, dass jegliches Engagement in „failing states“ mit erheblichen Risiken für die eingesetzten Soldaten, zivilen Beamten und Staatsbürger im Auftrag von NGOs verbunden ist. Und wenn, wie de Maizière sagt, die malische Armee in einem erbarmungswürdigen Zustand ist, dann kann man einen solchen möglichen Einsatz von deutschen Streitkräften nicht naiv oder aus politischem Kalkül schön reden, sondern man muss nach eingehender Beurteilung der Lage und wenn man genau weiß, in welcher Größenordnung, in welcher Qualität, mit welchem Ziel, mit welchem Auftrag und wie lange man sich engagieren will, die politischen und militärischen Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen und gesicherten Einsatz der deutschen Staatsbürger sorgen. Wahrscheinlich werden dazu auch Kampftruppen und Spezialkräfte gebraucht werden.

Dieser etwas laienhaft wirkende politische Auftakt einer möglichen Mali-Mission der Bundeswehr schafft wenig Vertrauen, dass wir aus den Fehlern, hauptsächlich beim Afghanistan-Einsatz, genug gelernt haben. Und so lange wir noch große militärische Fähigkeitslücken haben, sollten wir uns nicht überschätzen

„Auch die besten Soldaten und zivilen Mitarbeiter werden ihren Auftrag auf Dauer nur so gut erfüllen können, wie es Material, gesetzte Strukturen und Verfahren sowie gegebene Finanzen und Planung zulassen.“ Da hat der Minister sehr Recht. Politische Vorfestlegungen wie „keine Kampftruppen“ sind da wenig hilfreich. Das Parlament wird sich hoffentlich unvoreingenommen und verantwortungsbewusst mit dem zukünftigen Einsatz der Parlamentsarmee auseinandersetzen.

(26.10.2012)

 

 

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