Hans-Heinrich Dieter

Vorbild Israel?   (30.03.2016)

 

Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise und der Integration von Einwanderern und Asylanten wird immer wieder behauptet - unter anderem durch Ministerpräsident Netanjahu und den israelischen Botschafter in Deutschland Hadas-Handelsman - von Israel, dem „Musterland der Einwanderung“, könne Deutschland lernen. Es wäre schön, wenn das stimmte!

Zunächst einmal unterscheiden sich die Rahmenbedingungen und gesetzlichen Grundlagen für die Einwanderung, Migration und Aufnahme von Flüchtlingen sehr stark. In Israel haben Angehörige des jüdischen Volkes ein Recht auf Einwanderung und Staatsbürgerschaft. Nicht-Juden können nicht einwandern und politisches Asyl gewährt Israel nur in Ausnahmefällen. Das heißt, dass die Israelis die Einwanderung unter strenger Kontrolle haben und die durchaus sehr anerkennenswerten Integrationsleistungen nahezu nur für Menschen erbringen, die ihres Glaubens sind und sich intensiv integrieren wollen. Das ist mit der teilweise unkontrollierten, nicht koordinierten und auch schlecht organisierten Flüchtlingswelle nach Deutschland im Herbst 2015 nicht zu vergleichen.

Wenn man von einem anderen Staat lernen will, zum Beispiel Integration von Einwanderern, dann muss man auch die politischen Rahmenbedingungen akzeptieren wollen, in die hinein Menschen integriert werden sollen. Israels Politik ist aber derzeit nicht akzeptabel, denn sie ist zum großen Teil Ursache der Gewaltspirale unter der sowohl Israelis als auch Palästinenser leiden - ohne Perspektive auf eine positive Entwicklung. Die Lage ist auch deswegen so aussichtslos, weil die israelische Bevölkerung durch ihre Wahl eine rechtsradikale/nationalistische /ultraorthodoxe Regierung an die Macht gebracht hat, die ganz offensichtlich die völkerrechtswidrige Besiedlung des Westjordanlandes fortsetzt, den Terror der radikalen Siedler nicht beendet, die seit zwei Jahren andauernde Blockade des Gaza-Streifens nicht lockert, die Palästinenser weiterhin unterdrückt und einen jüdischen Apartheits-Staat anstrebt, der arabische Israelis benachteiligt und ausgrenzt.

Diese Lage hat eine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt. Seit einem halben Jahr rebelliert eine eingesperrte, hoffnungslose, perspektivlose und arbeitslose palästinensische Jugend, die die israelischen Besatzer hasst, von der PLO und Abbas enttäuscht ist und von der Hamas angefeuert wird. Bei dieser „Messer-Intifada“ sind über dreißig Israelis ums Leben gekommen, ebenso etwa 180 Palästinenser, zum großen Teil, aber nicht ausschließlich, waren sie Angreifer. Israelische Bürgerrechtler werfen schon länger Militär und Polizei vor, auch in Fällen gezielte Todesschüsse abzufeuern, wenn keine Notwehrsituation vorliegt.

Derzeit werden über ein Dutzend Vorfälle, in denen Sicherheitskräfte unverhältnismäßig Gewalt angewandt haben sollen, untersucht. Die israelische Öffentlichkeit interessierte sich dafür bislang wenig, mit einer Ausnahme: Im November war ein 14-jähriges palästinensisches Mädchen, das mit einer Schere Passanten in Jerusalem angreifen wollte, laut Augenzeugen von Kugelsalven getötet worden, als es bereits am Boden lag. Der neueste Fall: Ein israelischer Soldat erschießt - von zehn israelischen Soldaten umringt, gezielt und aus zwei Metern Distanz - einen am Boden liegenden palästinensischen Angreifer nach einer Messerattacke. Von einem Video kennt man den begleitenden O-Ton: „Dieser Terrorist lebt noch, dieser Hund.“ Das Militär teilte mit, es sei eine interne Untersuchung eingeleitet worden. Der rechtsgerichtete ehemalige Außenminister Lieberman kommentiert das mutmaßliche Verbrechen: Ein Soldat, der einen Fehler mache und am Leben bleibe, sei "besser als ein Soldat, der von einem Terroristen getötet wird, weil er gezögert hat".

Was soll man von einem Land lernen, in dem friedensfeindliche Siedlungs- und Besatzungspolitik sowie unverhältnismäßige Gewaltanwendung und mutmaßliche Verbrechen von einem großen Teil der Bevölkerung offensichtlich hingenommen, toleriert oder gutgeheißen werden?

Deutschland kann von diesem Israel nichts lernen. Wir selbst müssen im Zusammenhang mit der Bewältigung der Flüchtlingskrise und der dafür erforderlichen Integration aus unseren früheren Fehlern bei der misslungenen Integration der ehemaligen Gastarbeiter lernen und sowohl eine bessere Integrationsunterstützung leisten als auch starke Integrationsanstrengungen der Flüchtlinge und Einwanderer fordern. Wir müssen alles tun, um die Bildung von Ghettos und Parallelgesellschaften zu verhindern. Und Integration kann nur gelingen, wenn wir auf der Grundlage konsequenter Anwendung sowie strikter Durchsetzung von Recht und Gesetzen die öffentliche Ordnung aufrechterhalten und ein vernünftiges Zusammenleben in Sicherheit gewährleisten.

Wenn verantwortliche Politiker dazu ziemlich selbstverständliche Vorschläge machen, dann sollte man sie in Ruhe prüfen, diskutieren, nachbessern und nicht mit verbalen Pseudo-Moralkeulen öffentlich zertrümmern.

(30.03.2016)

 

Wenn Sie an der Entwicklung Israels interessiert sind, lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/duesteresisrael.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/juedischerstaatisrael.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/rechtsstaatisrael.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/friedensfeindlichesiedlungspol.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/zukunftimgaza-streifen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/enttaeuschendesisrael.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/israelsselbstverteidigung.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/ursacheundwirkung.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/juedischerapartheids-staat.html

Wenn Sie an Land und Leuten Israels interessiert sind, dann lesen Sie auch den Reisebericht von 2008, der noch überraschend aktuell ist:

http://www.md-office-compact.de/Israel.htm

 

 

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