Hans-Heinrich Dieter

Schwule in der Bundeswehr   (05.12.2016)

 

Dem neuen Weißbuch zufolge soll die „Innere Führung“ der Bundeswehr weiterentwickelt werden. Zur Begründung sagt Ministerin von der Leyen in einem Interview: „...die Welt ändert sich, die Truppe wird vielfältiger, beispielsweise mit Menschen mit Migrationshintergrund, Religionen, sexueller Orientierung, Handicaps, Stärken und Schwächen. Und die Bundeswehr auf diese Vielfalt inklusive der sicherheitspolitischen Veränderungen auszurichten, das ist die Weiterentwicklung der Inneren Führung.“ Mit solchem Verständnis der Inneren Führung habe ich mich bereits auseinandergesetzt.

Verteidigungsministerin von der Leyen sagte im August 2016, das Aussetzen der Wehrpflicht habe der Bundeswehr gut getan. Die Truppe habe sich seither modernisiert, um junge Menschen zu gewinnen und Fachkräfte zu halten. Im Ergebnis sei die Bundeswehr gut aufgestellt mit jungen Menschen, die freiwillig kämen, um ihren Beruf professionell auszuüben. Zugleich betonte von der Leyen, die Bundeswehr brauche mehr Frauen und Bewerber mit Migrationshintergrund, um weniger „verstaubt und gestrig“ zu wirken. Die Fragwürdigkeit  solcher Feststellungen habe ich bereits diskutiert.

Es geht der Ministerin offensichtlich um eine buntere, vielfältigere und multikulturelle Bundeswehr der Zukunft. Wenn damit der qualifizierte und für den Soldatenberuf geeignete Nachwuchs gewonnen wird, der gegebenenfalls das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer verteidigen will und kann, dann ist dagegen nichts einzuwenden. Große Zweifel sind aber leider  angebracht.

Nun berichtet der SPIEGEL, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in einem vertraulichen Papier ihre Amtsvorgänger wegen der Diskriminierung von Homosexuellen durch die Bundeswehr scharf kritisiert hat. Schwule Soldaten seien jahrzehntelang „erheblich“ benachteiligt worden. Die Streitkräfte hätten ihnen „Berufswege verstellt“ und Karrieren „verhindert“. Diskriminierung sei „im Personalmanagement der Bundeswehr“ Realität gewesen. Dabei entsprach der Umgang der Bundeswehr mit Homosexuellen und dessen Entwicklung weitgehend dem allgemeinen gesellschaftlichen Umgang.

Denn bis 1969 wurden homosexuelle Männer in Deutschland generell strafverfolgt. In der Bundeswehr galten sie laut einer „Zentralen Dienstvorschrift“ aus der Zeit Helmut Schmidts auch danach noch als „Sicherheitsrisiken“. Der erste Wehrdienstsenat beim Bundesverwaltungsgericht stellte im Oktober 1979 fest: „Homosexuelle Neigungen schließen die Eignung eines Soldaten zum Vorgesetzten aus“. 1980 beschied das Verteidigungsministerium, dass schwule Soldaten die Kampfkraft der Truppe gefährdeten. Bis 1984 wurden sie als Wehrpflichtige ausgemustert oder entlassen. Noch bis zum Jahr 2000 durften sie nicht Berufssoldaten werden und weder als Vorgesetzte noch als Ausbilder tätig sein. Das BVerfG entschied erst 2000, dass die Bundeswehr der Benachteiligung gleichgeschlechtlich lebender Soldaten ein Ende setzen muss. Deswegen ist seit dem Jahr 2000 in der Zentralen Dienstvorschrift 14/3 geregelt, wie Bundeswehrsoldaten mit dem Thema Sexualität umzugehen haben. Toleranz und Diskriminierungsfreiheit gegenüber Homosexuellen sind seitdem in der Truppe Pflicht.

Die Vorschrift untersagt also in der Bundeswehr jede Benachteiligung homosexueller Soldaten. Doch wie in anderen männlich dominierten Lebens- und Arbeitsbereichen gibt es auch in den Streitkräften durchaus Probleme mit Homophobie. Viele Beschwerden von Betroffenen gibt es allerdings nicht. Der damalige Wehrbeauftragte Königshaus sprach 2014 von einer einstelligen Zahl von Bundeswehrangehörigen, die sich pro Jahr über Benachteiligung wegen ihrer sexuellen Orientierung bei ihm beklagten. Aufgrund dieser geringen Anzahl kann man wohl nicht von einem grundsätzlichen Diskriminierungs-Problem sprechen.

Dabei ist die Bundeswehr in dieser Hinsicht nicht mit einem normalen Arbeitgeber vergleichbar. Homosexuelle Vorgesetzte in der Bundeswehr sind durch Untergebene aber vor allem auch durch gegnerische Nachrichtendienste sehr viel leichter einer Erpressung ausgesetzt. In den Streitkräften leben und arbeiten Soldaten und Soldatinnen auf engem Raum. Für Soldatinnen und Soldaten gibt es aus gutem Grund getrennte Unterkunftsbereiche und sanitäre Einrichtungen. Wenn man nun vermehrt männliche Homosexuelle einstellt, dann müsste es für sie auch getrennte Unterkunftsbereiche und sanitäre Einrichtungen geben, denn es ist durchaus verständlich, dass ein heterosexueller Soldat sich beim Waschen, Duschen oder Urinieren nicht gerne von einem homosexuellen Soldaten beobachten lassen will. Und Soldaten in Mehrmannstuben haben sicher auch ein Recht darauf, die Stube nicht mit einem homosexuellen Kameraden teilen zu müssen. Im Alltag ergeben sich eben Probleme, die nicht gesinnungsethisch sondern organisatorisch gelöst werden müssen. Auf Kriegsschiffen und U-Booten wird es dann besonders schwierig.

Deswegen sollte man nicht nur die Rechte von Randgruppen und Minderheiten im Vordergrund sehen, sondern hauptsächlich die Mitte und die Mehrheit der Bevölkerung und der Soldaten im Auge behalten. Außerdem ist der mündige Bürger mit besonderen sexuellen Neigungen ja frei in seiner Berufswahl und muss sich nicht unbedingt für einen Beruf entscheiden, wo es aufgrund der besonderen Rahmenbedingungen und Anforderungen schwierig sein kann, nach seinen Neigungen zu leben.

Die scharfe Kritik der Ministerin an Amtsvorgängern wegen der „Diskriminierung von Homosexuellen“ halte ich für nicht angebracht. Die Vorschrift untersagt in der Bundeswehr jede Benachteiligung homosexueller Soldaten. Und die gelebte Praxis in der Truppe scheint vergleichbar mit der Handhabung des Problems im gesellschaftlichen Umfeld. Die Bundeswehr sollte die Gruppe der Homosexuellen und Transsexuellen aber auch im Rahmen der Personalstrategie nicht besonders bewerben, denn es wird nicht unbedingt zur Einsatzfähigkeit der Streitkräfte beitragen, wenn sich die Streitkräfte zum homosexuellenfreundlichsten deutschen Arbeitgeber entwickeln.

(05.12.2016)

 

 

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