Hans-Heinrich Dieter

Schluss mit Trittbrettfahren!   (11.06.2018)

 

Seit der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 verkündet Deutschland mehrstimmig immer wieder, dass es mehr Verantwortung in der internationalen Sicherheitspolitik übernehmen will.

Zwischen Reden auf der Münchner Sicherheitskonferenz und der realen Politik in Berlin gibt es allerdings himmelweite Unterschiede. Aber wer große Erwartungen weckt, muss sich von europäischen und internationalen Partnern an der Umsetzung der Ankündigungen messen lassen. Und da wird Deutschland zusammen mit seiner vollmundigen Verteidigungsministerin gewogen und im Hinblick auf die geweckten Erwartungen als viel zu leicht befunden. Denn die politischen Voraussetzungen und die militärischen Fähigkeiten für ein stärkeres internationales Engagement sind bis heute noch nicht einmal im Ansatz geschaffen. Und die deutschen Streitkräfte, die man zur Wahrnehmung einer gesteigerten deutschen sicherheitspolitischen Verantwortung auch braucht, sind über die letzten 12 Jahre zu einem „Sanierungsfall“ kaputtgespart worden und derzeit nur eingeschränkt einsatzfähig. Da wird Deutschland nicht zu Unrecht sicherheitspolitisches Maulheldentum attestiert!

Die Sicherheit Israels ist nach großspuriger Aussage von Kanzlerin Merkel Teil deutscher Staatsräson! Mit welchen Mitteln Deutschland Israel im Falle der Gefährdung der israelischen Sicherheit zur Seite stehen will, hat Merkel nicht gesagt, denn sie weiß es nicht. Sie hat auch diesbezüglich keine Vorstellungen, kein Konzept und keinen Plan. Und trotz ihrer übergroßen Worte hat die Kanzlerin es zugelassen, dass das Instrument realer deutscher Sicherheitspolitik, die Bundeswehr, in den Zustand stark eingeschränkter Einsatzfähigkeit verkleinert und unterfinanziert wurde.

Deutschland ist Mitglied der NATO, unterliegt dem Artikel 5 des NATO-Vertrages. Dementsprechend wird ein Angriff auf einen Mitgliedsstaat als Angriff auf alle Mitglieder gewertet. Daraus erwächst eine militärische Beistandspflicht, der verantwortungsbewusste Mitgliedstaaten auch gerecht werden müssen. Deutschland kann die diesbezüglichen Pflichten derzeit nicht erfüllen, denn die Bundeswehr hat zu wenige einsatzfähige Heeres-Divisionen, um die NATO-Zusagen zu erfüllen. Im Augenblick kämpft die Brigade, die als nächste die Aufgabe der NATO-Speerspitze (Very High Readiness Joint Task Force, VJTF) im Baltikum übernehmen soll, als Bittstellerin bei anderen Verbänden um Waffen, Ausrüstung und Gerät – und die für eine Krisensituation erforderliche Munition könnte ohnehin nicht hinreichend verfügbar gemacht werden. Auch die Lage der Hauptwaffensysteme der Luftwaffe ist dramatisch schlecht, Euro-Fighter und Tornados sind übers Jahr zu weniger als 30% flugfähig, die Tornados entsprechen von ihrer technischen Ausstattung nicht mehr den NATO-Normen und wenn es um realen Kampfeinsatz geht, sind von den 128 Euro-Fightern nur vier einsatzfähig, weil für die anderen die erforderlichen Luftkampfraketen fehlen. Die Luftwaffe kann die deutschen NATO-Zusagen an einsatzbereiten Kampfflugzeugen nur zu einem sehr geringen Anteil erfüllen. Und die Marine hat ebenfalls zu wenige einsatzbereite Kampfschiffe. Von den nur sechs verfügbaren U-Booten sind derzeit alle sechs nicht einsatzfähig – um nur die gravierendste Einsatzbereitschaftslücke zu nennen. Die Bundeswehr leidet insgesamt unter einer finanzierungsbedingten gravierenden Modernisierungs-Verschleppung und zusätzlich unter einem Instandsetzungsstau. Wer zu wenig für die eigene Sicherheit ausgibt und sicherheitspolitische Vertragsverpflichtungen nicht erfüllen kann, darf mit Fug und Recht als sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer bezeichnet werden.

Nicht umsonst haben alle NATO-Partner 2014 aufgrund der aggressiven Politik Russlands vereinbart, dass die Mitglieder ihre Verteidigungsinvestitionen bis 2024 auf jeweils einen Anteil von 2 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung steigern wollen. Deutschland dümpelt derzeit bei blamablen 1,2 Prozent herum und die vereinbarte Steigerung auf 2 Prozent in 2024 bildet sich nicht im Ansatz in den vorläufigen Finanzplänen ab. Deutschland steht nicht zu seinem Wort und darunter leidet das Vertrauen der NATO-Mitglieder in die Bundesrepublik. Und nicht erst der tumbe Trump beschimpft Deutschland wüst und massiv wegen seiner unzureichenden Verteidigungsanstrengungen, schon Präsident Obama hat die Steigerung deutscher sicherheitspolitischer Investitionen mehrfach angemahnt – ohne Erfolg. Trittbrettfahren war für Deutschland die sparsamere Lösung, dass das sehr kurzfristig gedacht war, zeigt sich jetzt umso deutlicher.

Deutschland ist nun wieder für zwei Jahre als nichtständiges Mitglied in den Weltsicherheitsrat gewählt worden. Und erneut werden deutsche Politiker nicht müde, von der deutschen Bereitschaft zur Ãœbernahme gesteigerter Verantwortung in der internationalen Sicherheitspolitik zu reden, zu reden, zu reden… Wenn Deutschland will, dass es auch in Zukunft ernst genommen wird, dann müssen jetzt auch öffentlich sichtbar und wirksam Taten folgen!

Die Kanzlerin redet inzwischen davon, dass man anstrebt bis 2024/25 einen Anteil von 1,5 Prozent Verteidigungsinvestitionen am Brutto-Inlands-Produkt zu erreichen. Das ist durchaus ein deutlicher Zuwachs, entspricht allerdings nicht den Vereinbarungen, die auch Deutschland 2014 getroffen hat. Und eine solche Erhöhung der Verteidigungsinvestitionen entspricht auch nicht dem Bedarf zur Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr, auch im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung.

Und was macht Ankündigungsministerin von der Leyen? Sie schreibt einen Bettelbrief an die Abgeordneten des deutschen Bundestages, um mehr Geld für die Bundeswehr im nächsten Verteidigungshaushalt verfügbar zu haben. Von der Leyen sollte es besser wissen, denn sie hat sich in den letzten Koalitionsverhandlungen unzureichend und schlecht eingebracht. Die SPD beruft sich auf dieses festgeschriebene für die Bundeswehr schlechte Ergebnis. Nahles hat im Sommerinterview der ARD im „Auf die Fresse“-Modus und  Jargon schon festgestellt: Ausrüstung für die Bundeswehr ja, Aufrüstung nein! Und auch der SPD-Finanzminister zeigt kein Entgegenkommen. Also wird von der Leyen noch nicht einmal ihr im Bettelbrief formuliertes Mittelfristziel, im Jahre 2023 eine Brigade „voll ausgestattet und mit eigenen einsatzbereiten Kräften“ aufzustellen, erreichen. Dabei ist dieses „Mittelfristziel“ gemessen am Einsatzfähigkeitsbedarf der Streitkräfte armselig und geradezu lächerlich!

Mit dieser Kanzlerin, mit dieser Verteidigungsministerin und mit der SPD als Koalitionspartner wird die deutsche sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei leider fortgesetzt. Deutschland wird in der NATO, in der EU und international weiter an Vertrauen verlieren und wird sich auch weiterhin sehr kritischen und aggressiven Trump-Tweets ausgesetzt sehen. 

(11.06.2018)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte