Hans-Heinrich Dieter

Schlechte Perspektiven für die Bundeswehr   (27.02.2018)

 

Die Bundeswehr ist ein „Sanierungsfall“. Zum Sanieren braucht man grundsätzlich Verständnis für die betroffenen Menschen, man muss auch Empathie einbringen wollen und man muss für die erforderlichen Mittel kämpfen. Und da ergibt sich die erste schlechte Perspektive dadurch, dass die offensichtlich egozentrische „Ankündigungs-Ministerin“ von der Leyen das Verteidigungsressort in einer Großen Koalition auch zukünftig leiten soll. Von der Leyen hat „Trendwenden“ angekündigt, aber auch im Jahr 2017 nur sehr unzureichende Erfolge erzielt. Sowohl in den Sondierungsverhandlungen wie auch in den Verhandlungen eines Koalitionsvertrages mit der SPD hat die amtierende Ministerin die Belange der Sicherheitspolitik und die dringenden finanziellen Bedürfnisse der Bundeswehr wider besseres Wissen äußerst schlecht vertreten. Denn die Ministerin weiß, dass für das Schließen der Fähigkeitslücken in den kommenden 15 Jahren 130 Milliarden zusätzlich zum laufenden Verteidigungshaushalt investiert werden müssen, also etwa neun Milliarden jährlich. Im Koalitionsvertrag hat man am 51. Finanzplan festgehalten und jährlich 250 Millionen zusätzlich vorgesehen. VdL feiert das als einen Erfolg und weiß, dass sie sich lächerlich macht, denn mit diesem miserablen Verhandlungsergebnis der Ministerin wird die Bundeswehr in der kommenden Legislaturperiode weiter an Einsatzfähigkeit verlieren!

Eine schwarz/rote Große Koalition bietet für die Wiederherstellung der vollen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr im Rahmen der Bündnisverteidigung der NATO auch keine gute Perspektive. Gefordert ist eine vernetzte Sicherheitspolitik, mit der sich Deutschland in die NATO und in die EU einbringt. Die Federführung für vernetzte Sicherheitspolitik haben die Außenminister. Und da hat die Bundeswehr in den letzten Jahren Pech. Außenminister Steinmeier (SPD) hat in seinen beiden Perioden nahezu nichts erreicht, außer Gesprächsfäden zu knüpfen und Gesprächskanäle offenzuhalten. Als Vorsitzender der OSZE 2016 hat er keine nennenswerten Ergebnisse erzielen können. Erfolgreiche Außenpolitik im Rahmen der EU zur Eindämmung der Aggressionen Putins hat Kanzlerin Merkel gemacht. Steinmeier hat dann die Außen- und Sicherheitspolitik der EU sowie der Kanzlerin hintertrieben und sich aus Sicht Putins dabei als Putinjünger mehrfach bewährt, indem er dem Abbau der Sanktionen gegen Russland das Wort geredet und die NATO-Ãœbungen im Baltikum als „Säbelrasseln“ verunglimpft hat. Gabriel (SPD) trat in diese kleinen SPD-Stapfen und versucht seinerseits, die Außen- und Sicherheitspolitik der Großen Koalition zu konterkarieren, zuletzt im Zusammenhang mit Verteidigungsinvestitionen der NATO-Mitglieder. Die durch Unterfinanzierung erzeugte stark eingeschränkte Einsatzfähigkeit der Bundeswehr haben Gabriel und die SPD mit zu verantworten. Wer unter diesen Rahmenbedingungen wie Gabriel – ideologieschwanger - vor einer „Aufrüstungsspirale“ warnt, macht sich ebenfalls zum Propagandasprachrohr und damit zum „nützlichen Idioten“ Putins und gleichzeitig sehr deutlich, dass er die sicherheitspolitische Verantwortung der Politik für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte zur Gewährleistung der Sicherheit Deutschlands nie verstanden hat. Die Sozialdemokraten können weder Außen- noch Sicherheitspolitik! Und in einer neuerlichen GroKo erneut einem SPD-Nebenaußenminister ausgesetzt zu sein, ist im Zusammenwirken mit einer Kanzlerin - die zu beliebig oder zu wenig mutig ist, von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen - wahrlich keine gute Perspektive, egal wer aus der SPD es wird.

Dass die SPD sich das Finanzministerium erstritten – oder gar erpresst – hat, bietet ebenfalls keine gute Perspektive für die Bundeswehr. Sozialdemokraten können mit Finanzen nicht gut umgehen, wie SPD-geführte Länder immer wieder gezeigt haben. Außerdem ist der Finanzminister der „heimliche und eigentliche Verteidigungsminister“, denn er hat das entscheidende Wort bei der Finanzierung der Bundeswehr – das sind ganz schlechte Aussichten für die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit der Streitkräfte – von der Annäherung an das vereinbarte NATO-Ziel, 2 Prozent vom BIP, ganz zu schweigen. Außerdem wird ein SPD-Finanzminister nicht mit der Konsequenz eines Schäuble die Vergemeinschaftung der EU-Schulden verhindern. Die SPD hat sich außerdem – zusammen mit Macron - die erweiterte Finanzierung der EU auf die Fahnen geschrieben, da wird für die Bundeswehr nichts übrigbleiben. Mit einem SPD-Finanzminister und der wenig durchsetzungsfähigen Verteidigungsministerin wird die Mangelverwaltung bei der Bundeswehr zum Standard.

Die gelebte Praxis der parlamentarischen Kontrolle der Executive lässt auch nichts Gutes für die Bundeswehr erwarten. Die Bundeswehr wird als Parlamentsarmee bezeichnet und unterliegt dem Primat der Politik. Die Parlamentarier sind sich aber ganz offensichtlich nicht bewusst, dass der Primat der Politik über das Militär mit Verantwortung verbunden ist. Nicht nur die Verteidigungsministerin hat die Pflicht, die ihr anvertrauten Soldaten bestmöglich für die Auftragserfüllung auszustatten und auszubilden. Auch das Parlament trägt Verantwortung für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte, über deren Einsatzaufträge es ja entscheidet. Und hier liegt doppeltes Versagen vor. Die Verteidigungsminister haben nach der Wiedervereinigung die Bundeswehr unverantwortlich zum „Sanierungsfall“ kaputtgespart und das Parlament ist seiner Kontrollpflicht nicht nachgekommen und hat den Niedergang der Einsatzfähigkeit der Parlamentsarmee durch permanentes Kürzen, Streichen, Strecken und Sparen zugelassen, ohne dass diesbezüglich eine intensive sicherheitspolitische Diskussion geführt worden ist. Der Bundestag hat sich also mitschuldig gemacht und ist seiner Verantwortung und seiner Fürsorgepflicht gegenüber den Staatsbürgern in Uniform nicht gerecht geworden. Dieses Kontrollversagen des deutschen Parlaments ist kein Einzelfall. Die konzeptions- und planlose, mit der Europäischen Union nicht abgestimmte Energiewende der „durchregierenden“ Kanzlerin wurde von den Abgeordneten der Regierungsparteien regelrecht abgenickt, zum volkswirtschaftlichen Nachteil der deutschen Bevölkerung. Die kopf-, konzeptions-, plan- und verantwortungslose mit der EU nicht abgestimmte und gegen EU-Regeln und Gesetze verstoßende Flüchtlingspolitik der erneut „durchregierenden“ Kanzlerin wurde im Parlament nicht kontrovers diskutiert, sondern von den Parlamentariern als moralisch alternativlos und in Kenntnis eines ungeheuren staatlichen Kontrollverlustes zum nachhaltigen Schaden der Bürger durch Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und der Lebensqualität durchgewinkt. Das sind nur zwei weitere Beispiele von inzwischen systemimmanentem Versagen unserer parlamentarischen Demokratie. Und da eine neue GroKo unter Leitung der visions- und konzeptionslos – weiter so - „durchregierenden“ Kanzlerin ins Haus steht, wird sich an solchem, parlamentarischem Versagen nichts ändern. Nach einigen empörten Stellungnahmen in Talkshows werden Parlamentarier und politische „Würdenträger“ die alltäglich gewordene Unterfinanzierung der Bundeswehr fortsetzen.

In solchen Zusammenhängen stellt der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes fest: „Die Kernfrage, die Politik parteiübergreifend beantworten muss, ist: Soll Deutschland wieder einsatzbereite Streitkräfte haben oder nicht? Wenn nein, schlage ich die Auflösung der Bundeswehr vor.“ Um diese Kernfrage richtig beantworten zu können, müsste Deutschland endlich definieren, was es zukünftig außen- und sicherheitspolitisch als souveräner Staat, als EU-Partner und als NATO-Mitglied erreichen und leisten will. Und auf dieser Grundlage müsste nicht nur im Parlament, sondern auch in der Öffentlichkeit deutsche Sicherheitspolitik diskutiert werden. Dazu wird es wohl kurzfristig nicht kommen, denn vielen Politikern fehlt das sicherheitspolitische Interesse und damit auch die Kompetenz. Die große Mehrheit der Bevölkerung scheint politisch nur unzureichend gebildet zu sein und ist sicherheitspolitisch nicht wirklich interessiert. Das Höchste was die Mehrheit der deutschen Bürger entgegenbringt ist ein „freundliches Desinteresse“. Die Bundeswehr wird vielfach als „notwendiges Ãœbel“ gesehen und als teures Stiefkind der Gesellschaft betrachtet. Solange sich das nicht ändert hat die Bundeswehr keine gute Perspektive für die dringend erforderliche Sanierung.

Man stelle sich vor, es gebe einen französischen Wehrbeauftragten und der hätte den grundsätzlich patriotisch eingestellten Citoyens der Grande Nation einen Bericht über die desaströse Einsatzbereitschaftslage der Grande Armee vorgelegt – vergleichbar mit der Lage der Bundeswehr. Ich bin überzeugt davon, dass die Citoyens das nicht so gelassen hingenommen hätten wie die deutsche eher desinteressierte Bevölkerung. Wir erinnern uns, dass der oberste militärische Berater Frankreichs, der französische Generalstabschefs Pierre de Villiers, nach einem Streit mit Präsident Emmanuel Macron über deutliche Kürzungen im Verteidigungsetat zurückgetreten ist. Das hat in der französischen Bevölkerung deutlichen und öffentlichen Unmut hervorgerufen!

Der deutschen Bevölkerung fehlt Vaterlandsliebe, patriotisches Heimatgefühl und Nationalstolz. Deswegen macht es der deutschen Bevölkerung mehrheitlich nichts aus, dass man die Bundeswehr in einen bedauerlich-lächerlichen Einsatz-fähigkeitszustand herunterfinanziert hat. Der Mehrheit der deutschen Bürger ist es offenbar gleichgültig, dass Deutschland durch das Nichteinhalten von gemeinsamen NATO-Vereinbarungen im Zusammenhang mit zukünftigen Verteidigungsinvestitionen an Ansehen und Vertrauen verliert, sonst würden sich die Bürger eine solche verantwortungsarme Politik nicht gefallen lassen. In Deutschland haben wir statt des stolzen Citoyen eher den Michel mit der Nachtmütze. Dieser deutsche Michel identifiziert sich eben nur gerne mit „…schland“, wenn die Fußball-Nationalmannschaft erfolgreich ist. Armes Deutschland!

(27.02.2018)

 

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