Hans-Heinrich Dieter

Reform der UN   (17.10.2015)

 

Der UN-Sicherheitsrat hat seit dieser Woche fünf neue nicht-ständige Mitglieder. Die Vollversammlung wählte neben der Ukraine Ägypten, Japan, Senegal und Uruguay für die Dauer von zwei Jahren in das wichtige Gremium. Die insgesamt zehn nicht-ständigen Mitglieder können sich nur eingeschränkt auswirken, denn ein Veto-Recht haben lediglich die fünf ständigen Mitglieder USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien.

Am 24.Oktober können die Vereinten Nationen das 70jährige Jubiläum der Ratifizierung ihrer Charta feiern. Bei diesem Jubiläum gibt es sehr wenig zu jubeln, denn die UN befinden sich in einem schlechten Zustand. Das liegt einerseits an ihrer nicht mehr zeitgemäßen Nachkriegsstruktur, an der teilweise eingeschränkten Solidarität der Mitgliedsstaaten und an der ausgeprägten Blockadehaltung einzelner ständiger Mitglieder im Sicherheitsrat bei wichtigen Entscheidungen.

Gemäß ihrer Charta wollen die UN unter anderem:

- Weltfrieden und internationale Sicherheit wahren

- alle Streitigkeiten friedlich schlichten

- freundschaftliche Zusammenarbeit zur Friedenssicherung fördern…

Diese Ziele erreichen die UN nicht oder nur unzureichend, weil sich die politische Lage grundlegend geändert hat. Und die fünf Siegermächte des Zweiten Weltkrieges haben sich nach 1945 mit der Welt verändert. Die USA sind Supermacht geblieben, haben aber durch den verlorenen Vietnamkrieg und den ungerechtfertigten zweiten Irakkrieg moralischen Anspruch stark eingebüßt und an Glaubwürdigkeit verloren. Die Sowjetunion ist inzwischen zusammengebrochen und Russland ist keine Supermacht mehr. Russland will aber wieder eine Supermacht werden - auf Kosten souveräner Staaten und Nachbarn. Mit der Annexion der Krim hat Russland das Völkerrecht gebrochen und mit dem verdeckten Krieg gegen die Ukraine hat Russland das Vertrauen der westlichen Welt in seine Berechenbarkeit als Partner verloren. Als eine Reaktion blockiert Russland permanent Resolutionen des UN-Sicherheitsrates im Zusammenhang mit der Syrienkrise durch sein Veto. Russland befindet sich derzeit in einer Vorstufe eines neuen Kalten Krieges mit seinem „Veto-Partner“ USA. Das kommunistische China hat eine bemerkenswerte wirtschaftliche Entwicklung geleistet und strebt aggressiv die Vorherrschaft im pazifischen Raum an, das hat eine gleichsam natürliche Gegnerschaft mit den USA zur Folge und begründet eine stark eingeschränkte Bereitschaft zur Zusammenarbeit im UN-Sicherheitsrat. Großbritannien repräsentiert nicht mehr das British Empire, hat an Bedeutung in der Weltpolitik und auch in Europa stark eingebüßt und deswegen ist auch eine privilegierte Stellung mit ständigem Sitz im Weltsicherheitsrat und Vetorecht nicht mehr gerechtfertigt. Frankreich versteht sich unverändert selbst als Grande Nation, ist aber politisch und wirtschaftlich weit davon entfernt, dem selbstgesetzten Anspruch nur annähernd gerecht zu werden. Deswegen ist auch eine privilegierte Stellung Frankreichs in den Vereinten Nationen nicht mehr gerechtfertigt.

Diese Lage führt mitten in der heutigen Krisenwelt zu häufiger Selbstblockade des UN-Sicherheitsrates durch die fünf Vetomächte. Daraus erwächst eine Ohnmacht der UN zu einer Zeit, wo sie dringend in der Krisenregion Naher und Mittlerer Osten gebraucht würden. Diese Ohnmacht lässt am möglichen Erfolg und zunehmend auch am Sinn der Weltorganisation zweifeln.

Die zunehmenden Zweifel an der Sinnhaftigkeit erzeugen offenbar auch Desinteresse. Anders ist nicht zu erklären, dass die Wahl der Ukraine als nicht-ständiges Mitglied im Sicherheitsrat in der politischen Diskussion keine Rolle spielt und von den Medien nur vereinzelt als kleine Meldung aufgegriffen wird.

Nun blockieren sich nicht nur die teilweise verfeindeten Veto-Staaten im Sicherheitsrat. Jetzt sollen auch noch Russland, das gegen die Ukraine einen hybriden Krieg führt, und die von Putin nachhaltig destabilisierte Ukraine durch freundschaftliche Zusammenarbeit die Friedenssicherung fördern. Auch wenn in der Politik und in der Diplomatie vieles möglich ist - das ist absurd.

Die derzeitige Lage mit einer Vielzahl von Krisen, mit starken Bedrohungen durch islamistischen Terror und mit der stärksten Flüchtlingsbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg schreit geradezu nach friedensfördernder Aktivität der UN und deswegen muss die Selbstblockade und Paralyse der Weltgemeinschaft endlich überwunden werden. Das geht nur mit den grundlegenden Reformen, die schon vor langer Zeit angestoßen wurden.

Mit solchen Reformen könnten die UN zeigen, dass sie es nicht länger hinnehmen wollen, wenn Vetomächte wie Russland eine an Frieden, demokratischen Werten und an humanitären Zielen orientierte Politik der internationalen Staatengemeinschaft blockieren und eine nicht mehr gerechtfertigte herausgehobene Rolle spielen. Und nur mit solchen Reformen können die Vereinten Nationen ihre Glaubwürdigkeit und Handlungsfähigkeit zurückgewinnen.

(17.10.2015)

 

 

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