Hans-Heinrich Dieter

Reform der Parlamentsarmee (12.03.2011)

 

Die Aussage bei seiner Rücktrittserklärung, er hinterlasse ein "weitgehend bestelltes Haus", hat Herr zu Guttenberg bei seiner Ansprache anlässlich der Verabschiedung aus der Bundeswehr mit dem Großen Zapfenstreich nicht wiederholt. Er weiß inzwischen, dass viele es besser wissen.

Die Stimmen im parlamentarischen Raum, die mit den Reformansätzen nicht zufrieden sind, mehren sich und kommen nicht nur aus der Opposition. Die SPD fordert gar eine Überarbeitung der Reform.

Die Kritik aus dem Kanzleramt fällt besonders harsch aus, denn nach dem Urteil der dortigen sicherheitspolitischen Fachleute fehlt die "als zwingend erachtete sicherheitspolitische Herleitung" der Reform und definierte strategische Zielsetzungen, denen die Bundeswehr der Zukunft gerecht werden soll. Außerdem ist es nach Auffassung des Kanzleramtes unzureichend, wenn das Erreichen von Einsparzielen vorwiegend an Personalreduzierungen festgemacht wird, ohne die "Notwendigkeit der Finanzierung von Fähigkeiten und Einsätzen“ hinreichend zu berücksichtigen.

Der Spiegel spricht, sicher stark überspitzt, vom „Problemfall Bundeswehrreform“ und von zu Guttenbergs grausigem Erbe.

Ohne Ãœberspitzung, der Status der „größten Reform der Bundeswehr“ gibt zumindest Anlass zur Sorge – für alle Beteiligten und Verantwortlichen. Da ist es verständlich und richtig, dass der neue Verteidigungsminister de Maizière zunächst einmal eine gründliche Lagefeststellung machen will und in seinem ersten Tagesbefehl sagt: „Ich weiß um die Dringlichkeit, dennoch: Ich nehme mir die Zeit, die ich brauche.“ Das wird nicht so einfach werden, denn es stehen wichtige sowie dringende Entscheidungen an und andererseits sind die noch zu leistenden Arbeiten so umfangreich und von so großer Tragweite, dass zu großer Zeitdruck und zu ehrgeizige Zeitpläne dem zu verantwortenden Ergebnis sicher abträglich wären.

Nun wird derzeit Kritik hauptsächlich an Ex-Minister zu Guttenberg und an Ex-Staatssekretär Otremba festgemacht. Die Bundeswehr wird aber aus vielerlei guten Gründen als „Parlamentsarmee“ begriffen. Das ist nicht nur ein Begriff für „Sonntagsreden“ sondern natürlich auch mit Verantwortung verbunden.

Kürzlich rügte Bundestagspräsident Lammert die Bundesregierung wegen der Vorwegnahme der Aussetzung der Wehrpflicht ohne gesetzliche Grundlage. Das Vorgehen der Bundesregierung sei verfassungswidrig, heißt es. Ein solcher Vorwurf wird sicher im Bundestag intensiv zu diskutieren sein. Andererseits ist es aber im Zusammenhang mit der Reform der „Parlamentsarmee“ Bundeswehr auch berechtigt, die Wahrnehmung parlamentarischer Verantwortung kritisch zu hinterfragen.

Über die Bundeswehrreform wurde im Bundestag bereits mehrfach debattiert - wie immer vorwiegend parteipolitisch und nur sehr eingeschränkt sicherheitspolitisch orientiert. Und es wird finanzpolitisch diskutiert, weil die ersten Planungsergebnisse ja auch hauptsächlich dem Finanzdruck und den Einsparauflagen folgen und sich vorwiegend mit Umfangszahlen für Streitkräfte und Verwaltung befassen.

Warum lässt der Bundestagspräsident eine solch eingeschränkte und unzureichende Diskussion zu, die der Verantwortung des Parlamentes nicht gerecht wird? Warum fordert der Deutsche Bundestag nicht die Vorlage von zukunftsorientierten Verteidigungspolitischen Richtlinien, einer in die Jahre 2020 und 2030 reichenden Konzeption der Bundeswehr und eines aktuellen Weißbuches, damit für die "größte Reform der Bundeswehr" die sicherheitspolitischen Grundlagen gelegt sind. Bevor im Bundestag verantwortungsbewusst diskutiert werden kann, muss jeder Volksvertreter wissen, was der zukünftige Auftrag der Bundeswehr sein soll und wie wir uns mit welchen Fähigkeiten in die NATO und die internationale Staatengemeinschaft, ggf. später als Vollmitglied des UN-Sicherheitsrates, einbringen wollen. Und nur wenn das Parlament den zukünftigen Auftrag und die korrespondierenden Fähigkeiten der Bundeswehr entschieden hat, wird auch verantwortungsbewusst und an der Sache orientiert über die zukünftige Ausstattung der Bundeswehr mit Haushaltsmitteln entschieden werden können. Warum lässt der Bundestag es zu, dass über die Aussetzung der Allgemeinen Wehrpflicht debattiert wird, ohne vom Verteidigungsministerium zu wissen, wie man sich die Deckung des Personalbedarfs vorstellt und wie es zu finanzieren ist. Auf solchem politischen Niveau wird der Deutsche Bundestag seiner Verantwortung für seine Parlamentsarmee nicht gerecht werden können.

Verteidigungsminister de Maizière will demnächst einen Zeitplan für die Bundeswehrreform vorlegen: "Ich habe die Absicht, die verschiedenen Entscheidungen und Entschlüsse im Zusammenhang zu treffen und im Zusammenhang vorzustellen." Das bedeutet noch viel Arbeit, viel Harmonisierung bisher noch nicht koordinierter Teilplanungen und viel Durchsetzungsvermögen im Ministerium und im Parlament. Und erst danach kommen die wirklichen politischen Probleme mit den Standortdiskussionen, die dann selbstverständlich nicht sicherheitspolitisch orientiert zu führen sind

Minister de Maizière hat für seine Amtszeit vier Ziele formuliert. Ziel 3: Bei der Reform sei es ihm wichtig, dass sich die Bundeswehr als eine Einheit begreife. Ziel 4: Er will erreichen, „dass unser Land weiterhin stolz auf unsere Bundeswehr ist“.

Dazu muss die deutsche Bevölkerung wissen, was die zukünftige Bundeswehr leisten können soll und unsere Gesellschaft muss diesen Auftrag akzeptieren. Die Bundeswehr muss dann als "Parlamentsarmee" in die Lage versetzt werden, diesen Auftrag verlässlich zu erfüllen. Da hat auch der Deutsche Bundestag noch viel Arbeit vor sich.

(12.03.2011)

 

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