Hans-Heinrich Dieter

Rechtsaußen?   (10.09.2017)

 

Der vom scheidenden Bundestagspräsidenten Lammert beklagte Mangel an Debattenkultur im Deutschen Bundestag hat auch mit der Verrohung des Denkens und Sprechens von Politikern und Medien zu tun. Vermeintliche Politiker-„Eliten“ und die selbsternannten Medien-„Eliten“ sind im Glauben an eine selbstdefinierte political correctness gefangen und das führt zu einer Mainstream-Meinung, die geradezu reflexartig artikuliert und verbreitet wird. Der Autor und investigative Journalist Walter van Rossum beschreibt dieses Phänomen am 09.06.2015 bei einer Diskussionsveranstaltung des DLF zur Journalismuskritik so: „Der Profijournalismus ist in einem schauerlich-dümmlichen Narrativ von den Guten und den Bösen.“ Dabei gibt es bei den „Guten“ noch Kategorien, die „Bösen“ aber werden weitestgehend über einen Kamm geschoren und wer nicht zu uns „Guten“ gehört, verdient die Radikalen- oder auch die Nazi-Keule.

Denn die „Guten“ verorten sich links-(liberal) oder zählen sich zur „aufgeklärten Mitte“, weil „links“ ja auch intelligent und progressiv ist. Die „Bösen“ sind rechts zu finden und dabei wird von Politikern und vielen Medien kaum noch differenziert zwischen konservativ, rechtskonservativ, rechtsradikal, faschistisch oder gar nationalsozialistisch. Ich als politisch konservativer aber gleichzeitig liberal sowie proeuropäisch eingestellter Bürger gehöre eindeutig zu den Bösen oder auch zu den „ewig Gestrigen“ oder den stark rückwärtsgewandten „Traditionalisten“ – man will so Bürger wie mich unter Rechtfertigungsdruck bringen oder mundtot machen. Schon „konservativ“ wird ja heute vielfach als Schimpfwort genutzt oder verstanden. Dabei geht es doch nicht um die Verweigerung von Fortschritt, sondern um die Bewahrung und erforderliche Weiterentwicklung unserer Werte als Teil unserer Kultur.

Verstärkt werden diese undemokratische und arrogante Verteufelung sowie die „Entsorgung“ von Andersdenkenden in die rechten Ecken durch die Nutzung der Populismus-Diffamierung. Vertretern anderer politischer Auffassung wird unterstellt, sie würden mit opportunistischen, ja demagogischen Mitteln und populärer Politik um die Gunst des „einfachen Volkes“ kämpfen. Dabei glauben die selbsternannten Politiker- und Medien-Eliten es bei dem „einfachen Volk“ mit dem ungebildeten, sozial schwachen, um seine Existenz fürchtenden, neidgetriebenen, hasserfüllten, islamfeindlichen und letztendlich „dumpfbackigen“ Teil der deutschen Bevölkerung - der ja jetzt schon im Mittelstand zu finden sei - zu tun zu haben. Wenn Politiker heute sinnvolle Vorschläge zur Problemlösung machen und solche Vorschläge gemäß Meinungsumfragen wohl von einer deutlichen Mehrheit der Bevölkerung gut  geheißen werden, dann sehen sich diese Politiker reflexartig dem Populismus-Vorwurf der andersorientierten Parteien ausgesetzt. So wird der Kampfbegriff „Populismus“ zu einer in unserer verkommenen Debattenkultur schon inflationär gehandhabten Verunglimpfung des eigentlichen Souveräns unserer demokratischen Grundordnung.

Die politische Lage in Europa und in Deutschland verlangt nach einer ideologiefreien und sachorientierten Politik. Statt die Bevölkerung mit politischen Plattitüden, flotten Sprüchen und Kampfbegriffen gegen sich aufzubringen, sollten Politiker und Medien zum sachorientierten, demokratischen Diskurs zurückfinden, bei dem auch die Meinung Andersdenkender deutlich erkennbar respektiert wird. Es gibt schon zu viele twitternde „Trumps“!

(10.09.2017)

 

 

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