Hans-Heinrich Dieter

Partner oder Gegner?   (11.03.2017)

 

Deutschland muss sich entscheiden, ob es die Türkei ab sofort weiterhin als Partner oder als Gegner betrachten und behandeln will.

Wenn es nach Bundesaußenminister Gabriel geht, wollen Deutschland und die Türkei daran arbeiten, ihre Beziehungen zu verbessern, obwohl auch er Nazi-Vergleiche für eine „unglaubliche Provokation“ hält. Sein türkischer Amtskollege Cavusoglu sieht jedoch die Freundschaft beider Staaten weiterhin in Gefahr. Cavusoglu beurteilt die Lage realistischer aber er tut ja auch alles um diese „Freundschaft“ zu beschädigen und er weiß, dass die rücksichtslosen und schamlosen Provokationen von Erdogan und seiner gesamten Minister-Bagage innenpolitisch motiviertes Programm sind. Cavusoglu selbst hat die Nazi-Vergleiche mehrfach wiederholt.

Kanzlerin Merkel hat in ihrer Regierungserklärung die Nazi-Vergleiche Erdogans und türkischer Politiker als unzumutbar bezeichnet. Präsidentensprecher Kalin sprach daraufhin von einer Erdogan-Feindseligkeit und einer Anti-Türkei-Stimmung in Deutschland. Damit macht Merkel deutlich, dass die, die solche Vergleiche bringen, also Erdogan und seine Minister, „unzumutbar“ sind und deswegen dem deutschen Bürger in Deutschland auch nicht zugemutet werden dürfen. Die überwiegende Mehrheit deutscher Bürger ist dieser Meinung. Gemäß dem letzten ARD-Deutschland-Trend finden 91 Prozent der Deutschen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland nicht gut! Nicht nur die Kanzlerin sollte das ernst nehmen, denn hier geht es um weit mehr als um die ständig unterstellten „Bauchgefühle“ der Stammtischbesucher.

Zunächst einmal bleibt festzustellen, dass türkische Politiker, die hier auftreten gegen ihre eigenen Gesetze verstoßen. Wahlkampf ist im Ausland und in Auslandsvertretungen laut §94 A des türkischen Wahlrechts verboten. Erdogan hat bereits 2008 und 2014 in Köln Wahlkampf gemacht und gegen türkische Gesetze verstoßen.

Die Grund- und Freiheitsrechte gelten in Deutschland für deutsche Staatsbürger. Ausländische Regierungsmitglieder, die nach Deutschland kommen und hier öffentlich über ihre Politik sprechen wollen, können sich nicht auf Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit berufen.

Der Verfassungsschutz warnt vor einer Eskalation innertürkischer Konflikte auf deutschem Boden. Gemäß Verfassungsschutzpräsident Maaßen hätten Unterstützer und Gegner Erdogans „ein hohes, schlagkräftiges Gefährdungspotenzial“, und die Zahl gewaltbereiter Islamisten ist gestiegen.

Im Zusammenhang mit der jüngsten Entwicklung in der Türkei befürchtet der Bundesverfassungsschutz auch in Deutschland gewalttätige Zusammenstöße zwischen PKK-Anhängern und nationalistischen Deutschtürken. Darüber hinaus kritisiert der Verfassungsschutz, dass der innertürkische Konflikt seit Jahren auch in Deutschland ausgetragen wird und deutliche Auswirkungen auf die Sicherheitslage hat.

Unter diesen Rahmenbedingungen ist es schwer erträglich, dass die heftigen, widerlichen, maßlosen, unverschämten und dreisten Attacken des türkischen Präsidenten gegen Deutschland zunehmen und dass er glaubt sagenzu können: Wenn er wolle, dann komme er nach Deutschland - und würde er daran gehindert, dann werde er einen „Aufstand“ machen. Bei dem „schlagkräftigen Gefährdungspotenzial“, das unter den weit über 50 Prozent leicht zu fanatisierenden AKP-Wählern der 1,4 Millionen Deutschtürken zu mobilisieren ist, muss man das als eine echte Bedrohung Deutschlands ernst nehmen.

Die Bundesregierung sollte also offiziell erklären, dass sie die staatliche Souveränität und die Sicherheit Deutschlands durch Wahlkampfreden Erdogans und seiner Minister gefährdet sieht und die Einreise von Erdogan und seiner Minister für Wahlkampfzwecke unterbinden. Das wäre eine ziemlich schwerwiegende außenpolitische Maßnahme, denn immerhin ist die Türkei NATO-Partner - der sich aber seit längerer Zeit - nicht nur gegenüber Deutschland - nicht wie ein „Partner“ verhält. Ein wirklicher Partner würde sich an die diplomatischen Regeln des Völkerrechts halten. Und das internationale Recht erlaubt die Beschränkung der politischen Tätigkeit von Vertretern fremder Staaten.

Aber die Kanzlerin und die meisten deutschen Politiker scheinen den aufrechten Gang in Würde verlernt zu haben. Alle reden immer von den Werten, lassen sie aber von Erdogan und seiner Bagage mit Füßen treten. Alle reden immer von der „klugen“ Politik, die Gespächskanäle offen zu halten, nur um sich durch diese Kanäle mit unflätigen Beleidigungen überschütten zu lassen. Erdogan benimmt sich als Gegner und sollte als solcher behandelt werden, solange er dieses unsägliche Verhalten beibehält.

Unsere niederländischen Freunde sind da mutiger, aufrechter und souveräner. Am 04.03. hat der niederländische Ministerpräsident Rütte erklärt, dass türkischer Wahlkampf in Holland unerwünscht ist. Dreist und frech hat Cavussoglu daraufhin erklärt, dass er trotzdem in Rotterdam sprechen werde. Nun hat die niederländische Regierung heute dem Flugzeug des türkischen Außenministers Cavusoglu die Landeerlaubnis entzogen. Sie begründete den Schritt mit „Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit“. Und ein weiterer Grund sei, dass die türkischen Behörden öffentlich Sanktionen angedroht hätten, sollte Cavusoglu nicht in den Niederlanden auftreten dürfen. Erdogan reagiert umgehend und beschimpft die Niederländer pauschal als „Nazis und Faschisten“. Er droht außerdem damit, niederländische Regierungsvertreter künftig nicht mehr ins Land zu lassen.

Russland und die Türkei waren nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch türkisches Militär kurzfristig verfeindet. Russland hat sofort scharfe und vielseitige Sanktionen gegen Wirtschaft und Tourismus der Türkei verhängt. Da hat der Möchte-gern-Sultan begonnen nachzudenken und hat sich nach einiger Zeit für den Abschuss entschuldigt. Russland hat nur geringfügige Erleichterungen der Sanktionen eingeleitet, aber gleichzeitig für Russland lukrative Geschäfte in der Energie-Wirtschaft vorgeschlagen. Seit dem Bittstellerbesuch Erdogans vor zwei Tagen in Moskau sind Putin und Erdogan wieder beste Freunde. Dieses Beispiel zeigt, dass Erdogan bereit ist, Klartext zu verstehen, wenn er mit Nachteilen für die Türkei und damit für seinen Machtanspruch verbunden ist.

Die erheblichen Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei sollten deswegen nicht durch falsche Harmonie überkleistert, sondern durch faire aber konsequente und selbstbewusste politische Auseinandersetzung überwunden werden. Die ständige kriecherisch wirkende Unterwürfigkeit deutscher Politiker ist schwer erträglich und wird von egozentrischen Chauvinisten wie Erdogan - und dem seelenverwandten Putin - als Schwäche ausgelegt und entsprechend ausgenutzt. Das ist deswegen auch keine „kluge“ Politik.

Deutschland muss zum aufrechten Gang zurückfinden!

(11.03.2017)

 

 

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