Hans-Heinrich Dieter

Ohne die Deutschen!?   (15.04.2018)

 

Die internationale Lage hat sich nach der Androhung von US-Militärschlägen gegen Syrien als Reaktion auf den mutmaßlichen Chemiewaffen-Einsatz in der Region Duma verschlechtert. Frankreichs Präsident Macron und Großbritanniens Premierministerin May haben US-Präsident Trump Unterstützung zugesagt. Kanzlerin Merkel sagte, es gebe viele Hinweise, dass das syrische Regime solche Waffen eingesetzt habe, aber noch keinen Beweis und auch noch keine Entscheidung zu etwaigen Reaktionen auf den Chemiewaffen-Einsatz. „Für Deutschland bedeutet das, dass wir alle Aktivitäten im UN-Sicherheitsrat und die Arbeit der OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) unterstützen,“ sagte Merkel und betonte, dass sich Deutschland „an eventuellen militärischen Aktionen nicht beteiligen“ werde.

Für den FDP-Außenpolitiker Graf Lambsdorff ist die Idee eines Militärschlages nachvollziehbar und deswegen die Haltung der Kanzlerin „bedauerlich“. Lambsdorff: „Sollten unsere Partner Unterstützung brauchen und eventuell anfordern, dann sollte das zumindest nicht von vorneherein ausgeschlossen sein.“ Richtig ist, dass Merkel vorschnell eine deutsche militärische Beteiligung ausgeschlossen hat, ohne dass eine politische und eine militärische Zielsetzung mit dazugehöriger Strategie bekannt waren, auf deren Grundlage man eine sachgerechte Entscheidung hätte fällen können. Und wenn Merkel schon früh und ohne dass die Problematik in unserer parlamentarischen Demokratie durch die Volksvertreter diskutiert wurde, eine militärische Unterstützung von NATO-Partnern definitiv ausschließt, dann sollte sie zumindest eine politische Vorstellung von den Handlungsmöglichkeiten Deutschlands haben und präsentieren können. Zumindest sollte die Bereitschaft politisch signalisiert werden, eventuelle Unterstützungsforderungen der Partner zu prüfen. Aber Merkel ist – wie in letzter Zeit immer – leider planlos und konzeptionslos. Die Fehler der Kanzlerin häufen sich in peinlicher Weise!

So politisch unklug die vorschnellen und nicht zu Ende gedachten Aktionen von Merkel auch sind, in militärischer Hinsicht ist es im deutschen Interesse richtig, sich nicht an militärischen Vergeltungsschlägen mit Kampftruppen zu beteiligen, denn jedes diesbezügliche deutsche militärische Handeln entbehrt derzeit jeder vernünftigen Grundlage. Militärisches Handeln braucht eine klare Zielsetzung und eine Erfolgsaussicht. Weder die USA, noch Frankreich oder Großbritannien, die wir ggf. unterstützen sollten, haben klar definierte Ziele und kalkulierte Erfolgsaussichten und weder die NATO, noch die EU - und schon überhaupt nicht Deutschland – haben strategische Vorstellungen entwickelt. Der damalige Militäreinsatz gegen Libyen mit der sehr dürftigen „strategischen“ (?) Zielsetzung, „Gaddafi muss weg!“, hatte die nachhaltige Zerstörung Libyens zur Folge. Die damalige klare Absage Deutschlands hinsichtlich eines militärischen Engagements war richtig. Die einzige bekannte bisherige „strategische“ (?) Zielsetzung der westlichen Welt in Bezug auf Syrien: „Assad muss weg!“, ist durch die Intervention Russlands und des Iran bereits gescheitert. Der Westen hat in Syrien nachhaltig versagt und dieses Versagen ist militärisch nicht mehr gut zu machen. Außerdem sind die deutschen Streitkräfte derzeit und bis auf Weiteres nicht hinreichend einsatzfähig, um eine militärische Beteiligung an Kampfhandlungen in Syrien – über unseren Anteil an der Bekämpfung des IS hinaus - verantworten zu können. Und auch diese zur Aufklärung gegen den IS eingesetzten Tornados sind höchst eingeschränkt einsatzfähig.  Dazu heißt es in einem vom SPIEGEL zitierten BMVg-Papier: Im jetzigen Zustand „könnte das Waffensystem Tornado an keinem NATO-Einsatz mehr teilnehmen.“ Peinlich!

Nun haben die USA, zusammen mit Frankreich und Großbritannien, einen militärisch stark begrenzten Luftangriff gegen drei syrische Ziele im Zusammenhang mit der Forschung für und Produktion von Chemiewaffen durchgeführt, mit dem Ziel, Syrien von der weiteren Nutzung von solchen geächteten Waffen im Bürgerkrieg abzuhalten. Es wurde die Konfrontation mit Russland vermieden, aber es ist höchst zweifelhaft, ob dieser relativ kleine militärische Einsatz auf Assad abschreckend wirkt. Es ist eher wahrscheinlich, dass die Wirkung ähnlich schnell verpufft wie bei dem US-Angriff auf eine syrische Luftwaffenbasis im Jahr 2017. Nun zeigt sich Merkel plötzlich verbal solidarisch und meint, diese Strafe für Duma sei „erforderlich und angemessen“. Und ein solches „Maulheldendeutschland“ ohne definierte außen- und sicherheitspolitische Vorstellungen, Ziele und Strategien betont seit 2014, dass es mehr Verantwortung in der Welt übernehmen will und wird. Dabei entwickeln wir uns gerade zurück auf den Status eines sicherheitspolitischen Gartenzwerges! Peinlich!

Nun muss man feststellen, dass es aufgrund der hauptsächlich durch Russland geschaffenen Fakten und des umfangreichen Versagens des Westens in Syrien kein Patentrezept für die Beendigung des Bürgerkrieges und des Leidens der syrischen Bevölkerung gibt. In der derzeitigen Lage sollte Deutschland sich zusammen mit der EU in die Folgeaktivitäten der USA, Frankreichs und Großbritanniens aktiv einbringen und gemeinsam mit den Partnern nach Lösungen suchen, die zukünftige Chemiewaffeneinsätze in Syrien verhindern und vor allem die Handlungsunfähigkeit des UN-Sicherheitsrates überwinden helfen. Dazu müssen – bei aller Konfrontation – Wege gefunden werden, politische Gespräche mit den Hauptakteuren im Konglomerat syrischer Stellvertreterkriege, Russland, Iran, Saudi-Arabien und Türkei wieder zu aktivieren. Wir reden immer davon, dass Fluchtursachen bekämpft werden müssen. Europa leidet unter den Flüchtlingsströmen am meisten, deswegen muss sich Europa auch aktiv einbringen. Wenn solche Bemühungen allerdings scheitern sollten, dann kann erneut über erfolgversprechende Militäraktionen nachgedacht werden, die nicht das Hauptziel Vergeltung haben, sondern die allmähliche Verbesserung der Lage der geschundenen syrischen Bevölkerung.  

Ob und wie Deutschland sich in mögliche zukünftige militärische Aktionen in Syrien einbringt, sollte auf der Grundlage von Beschlüssen der NATO-Partner und auf der Grundlage einer UN-Resolution von der deutschen Volksvertretung diskutiert und entschieden werden. Wir sind keine Kanzler-Demokratie, sondern eine parlamentarische Demokratie, und es wird höchste Zeit, dass der Bundestag seiner Kontrollpflicht gegenüber der Regierung Merkel nachkommt. Vorrangig sind jetzt Bemühungen der Partnerstaaten, unter Beteiligung Deutschlands, um eine politische Lösung, unter Einbeziehung der EU und zumindest Russlands! Und die Vereinten Nationen müssen endlich über eine Reform des UN-Sicherheitsrates wieder handlungsfähig werden. Denn derzeit ist auch die UNO peinlich!

(15.04.2018)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte