Hans-Heinrich Dieter

Neuartige Rüstungsplanung   (19.10.2016)

 

Dass der deutsche Finanzminister der eigentliche „Verteidigungsminister“ ist, wissen wir, denn er gewährleistet jährlich mit seinen finanziellen Zugeständnissen an den Verteidigungshaushalt die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte - oder auch nicht, wenn die Kassenlage das aus seiner Sicht nicht hergibt.

Dass Abgeordnete des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages nun aktiv ohne erkennbare Rücksprache mit dem Verteidigungsausschuss und ohne Einbeziehung des Verteidigungsministeriums Rüstungsvorentscheidungen treffen, ist neu. Das liest sich in den Medien dann lapidar so: Die Deutsche Marine solle den Haushaltspolitikern Kahrs, SPD, und Rehberg, CDU, entsprechend fünf neue Korvetten im Wert von 1,5 Milliarden Euro bekommen, denn es ginge um neue sicherheitspolitische Herausforderungen im Ostseeraum, im Mittelmeer und in globaler Hinsicht. Zwei dieser Schiffe sollen bereits 2019 in Dienst gestellt werden.

Ein Sprecher von Verteidigungsministerin von der Leyen erklärt dazu, „das Ministerium kenne und unterstütze die Initiative. Es gebe aus Sicht des Ressorts einen Bedarf für die Schiffe.“ An sich könnte man sich ja unvoreingenommen für die Marine und über diese unerwartete Großzügigkeit der Haushälter freuen, wenn in dieser „verkehrten Welt“ nicht Verantwortlichkeiten geradezu auf den Kopf gestellt würden!

Die Bundeswehr hat eine Konzeption, in der die sicherheitspolitischen Herausforderungen beschrieben sind, denen die Streitkräfte mit ihrem militärischen Fähigkeitsprofil längerfristig entsprechen sollen. Im Bundeswehrplan wird die mittelfristige Rüstungs- und Ausrüstungsplanung für die Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche festgeschrieben. Auf dieser Grundlage wird der jährliche Haushaltsentwurf des Verteidigungsressorts für die Haushaltsberatungen und Entscheidungen des Bundestages erarbeitet. In den letzten Jahren war der Bundestag bei seinen Entscheidungen allerdings eher an der „Friedensdividende“ interessiert als an der Einsatzbereitschaft der Parlamentsarmee Bundeswehr.

Der niederschmetternde letzte Bericht des Wehrbeauftragten Bartels überrascht deswegen keinen Insider und keinen Bürger, der sich für die Sicherheit Deutschlands interessiert. Und auch die Parlamentarier sind da nicht zu überraschen, weil sie die jahrelange Unterfinanzierung der Bundeswehr zu verantworten haben. Denn der Bundestag hat die Finanzierung deutscher Streitkräfte eher nach der klammen Kassenlage des Finanzministers als nach sicherheitspolitischem Bedarf zugelassen und sich dadurch sehenden Auges an der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr mit versündigt.

Wenn eine Institution wie die Bundeswehr, trotz hoher Einsatzbelastungen, einer jahrelangen „planmäßigen Mangelwirtschaft“ unterworfen war und zum „Sanierungsfall“ geworden ist, dann bedarf das besonderer Anstrengungen. Die Steigerung des Verteidigungshaushaltes 2017 um 1,7 Mrd. auf 36,6 Mrd. Euro und die schrittweise Erhöhung bis 2020 auf 39,1 Mrd. Euro bleiben weit unter den Forderungen der Ministerin zur Deckung des von ihr festgestellten „riesigen Modernisierungsbedarfs“. Und Deutschland bleibt weiterhin deutlich unterhalb des vereinbarten Ziels der NATO-Mitglieder, jeweils zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung aufzuwenden. Wir dümpeln unverändert auch in den nächsten Jahren bei etwa 1.2 unrühmlichen Prozent herum.

Wenn bei dem „riesigen Modernisierungsbedarfs“ aufgrund guter Kassenlage 1,5 Milliarden Euro zusätzlich frei werden, dann sollten nicht Haushälter mit pauschalen Bedarfsbegründungen Rüstungsvorentscheidungen zugunsten einer Teilstreitkraft treffen, sondern die verantwortliche Ministerin sollte die Gelder für die ausgewogene Sanierung und Modernisierung der Gesamtstreitkräfte nutzen können. So bekommt die Marine fünf Korvetten des Typs K 130 „aufgedrückt“ wo sie doch eigentlich vier deutlich leistungsfähigere Mehrzweckkampfschiffe MKS 180 beschaffen wollte - was sich offensichtlich verzögert.

Gehen wir davon aus, dass die Haushälter es gut gemeint haben. Im Hinblick auf die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte ist das aber nicht gut gemacht - von beiden Seiten!

(19.10.2016)

 

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