Hans-Heinrich Dieter

Münchner Sicherheitskonferenz 2017   (19.02.2017)

 

Verteidigungsministerin von der Leyen und ihr US-Kollege Mattis haben die diesjährige - mit mehr als 30 Staats- und Regierungschefs und etwa 80 Außen- und Verteidigungsminister sehr prominent besetzte - Münchner Sicherheits-Konferenz (MSC) mit Ansprachen eröffnet. Von der Leyen äußerte sich insgesamt eindrucksvoll aber ähnlich wie auf der NATO-Verteidigungsminister-Tagung. Sie räumte ein, dass die finanziellen Lasten der bündnisgemeinsamen Verteidigungsanstrengungen gerecht verteilt werden müssten, warnte die USA aber gleichzeitig vor Alleingängen: "Dies bedeutet, dass wir - da haben wir ein gemeinsames Interesse - wenn wir wieder zu einem verlässlichen Miteinander mit Russland kommen wollen, das gemeinsam angehen und nicht bilateral über die Köpfe von Partnern hinweg", und das gelte auch für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Dabei sprach sich von der Leyen auch deutlich gegen "Wegducken" aus.

US-Defense Secretary Mattis wiederholte sein klares Bekenntnis zum Wert und zum Bestand der transatlantischen Partnerschaft aber auch seine Aufforderung an die europäischen NATO-Partner, ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüner der NATO - Steigerung der Verteidigungsinvestitionen bis 2024 auf jeweils 2 Prozent des Brutto-Inlands-Produktes - zu erfüllen. Das vermittelte eine gewisse Grundsicherheit bei den Teilnehmern an dieser von einem Journalisten als "Münchner Unsicherheitskonferenz" bezeichneten Tagung, verschaffte aber noch nicht die erhoffte Klarheit über die zukünftige US-Außenpolitik, die bisher durch "Leader Trump" zu mehreren Aspekten höchst widersprüchlich dargestellt wurde.

Mehr Klarheit schaffte der zweite Konferenztag. Zum Auftakt skizzierte Kanzlerin Merkel sehr sachlich die globalen Herausforderungen und legte ein klares Bekenntnis zu multilateralen Strukturen, zu Vereinten Nationen, NATO und G20 ab. Kritisch merkte sie an, dass diese deutlich effizienter werden müssten. Und das bezog sie dann auch auf die Europäische Union, die sich "in einer schwierigen Phase" befinde: "Wir waren auf den Druck auf unsere Außengrenzen nicht vorbereitet. Die EU muss lernen, sich mehr zu konzentrieren auf die wirklich wichtigen Herausforderungen," also auch auf die Verteidigung. "Wenn wir in der Union mehr Sicherheit wollen, müssen wir auch militärisch mehr tun." In dem Zusammenhang sei die NATO in deutschem und europäischem, aber auch in amerikanischem Interesse. Alle sicherheitspolitischen Initiativen der EU müssten sich allerdings in die NATO einfügen. Deren Zwei-Prozent-Ziel fühle sich auch Deutschland verpflichtet, betonte Merkel. So klar und eindeutig hat man die Kanzlerin lange nicht gehört.

Und dann kam Vice-President Pence, der die gemeinsame Geschichte mit viel amerikanischem Pathos bemühte. Wichtig war die Botschaft, die er - wie er betont - von Präsident Trump überbringt: "Die USA unterstützen die NATO und werden nicht in ihrer Verpflichtung für die transatlantische Allianz wanken."Amerika werde künftig mehr Geld ins Militär stecken, aber das müsse auch Europa tun, denn "Europas Verteidigung erfordert auch ihre Selbstverpflichtung". Pence verwies dabei auch auf die zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, die alle NATO-Länder für ihre Verteidigung ausgeben wollen, und er kritisierte, dass das außer den Vereinigten Staaten nur noch vier andere Länder der Allianz erreichen. Und die USA wollen offenbar weiterhin westliche Supermacht bleiben:"Unsere Führung in der freien Welt wird nicht wanken." betont Pence zum Abschluss seiner Rede.

Die Münchner Sicherheitskonferenz ist in der krisengeschüttelten und höchst unsicheren weltpolitischen Lage ein wichtiges Gesprächsforum. Der nicht anwesende, schwer einschätzbare, sprunghafte, widersprüchliche und irgendwie proletenhaft auftretende US-President Trump stand natürlich unausweichlich im Mittelpunkt des Interesses. Sein Vize-Präsident hat für Klarheit und mehr Sicherheit in der NATO und in Europa gesorgt und das war für die gemeinsame Bewältigung der anstehenden Probleme genauso wichtig wie die erkennbar gemeinsame Erkenntnis der europäischen NATO-Partner, dass die eigenen Verteidigungsanstrengungen in der NATO und zusammen mit der EU verstärkt werden müssen.

Dass Lawrow in seinem kurzen Statement der "Organisation des Kalten Krieges" NATO und der EU die alleinige Schuld für das verschlechterte Verhältnis zu Russland gab, hat die Gewissheit der NATO-Partner eher verstärkt, dass man mit stärkerer militärischer Präsenz und mit Fähigkeiten zur raschen Verstärkung der NATO-Ost-Flanke sowie mit der Reanimation der Befähigung zur Land- und Bündnisverteidigung der jeweiligen Streitkräfte auf dem richtigen Weg ist, um Putins geo-politischer Aggression und seiner Politik der Verunsicherung im Osten des Bündnisses wirksam zu begegnen. Als sich dann Lawrow auch noch für eine "post-westliche Weltordnung" stark machte , deren Kennzeichen sei, "dass jedes Land durch seine eigene Souveränität definiert wird", war den NATO-Partnern und EU-Mitgliedern endgültig klar, dass Putin ein aggressiver Gegner der westlichen Wertegemeinschaft ist. Denn seine "post-westliche Weltordnung" wird erst zu realisieren sein, wenn er mit seiner hybriden Kriegsführung und mit seinen Destabilisierungs-Operationen die westliche Wertegemeinschaft erfolgreich destabilisiert und gespalten hat. Daran können auch die USA unter Trump kein Interesse haben und die NATO wird das verhindern - hoffentlich mit starker Unterstützung durch die EU.

Der SPD-Außenpolitiker Annen sprach von der MSC als einer "Generalversammlung der Vereinten Nationen im Kleinformat" und da hat er kein schlechtes Bild gewählt. Denn auch UN-Generalsekretär Guterres hat in einer engagierten Rede die zukünftigen großen Herausforderungen für die Weltgemeinschaft skizziert, die nur mit gemeinsamen Anstrengungen, gemeinsamer vorausschauender Planung und mit strukturellen Verbesserungen bewältigt werden könnten. Das Ziel ist eine in der Krisenbewältigung und Krisenprävention effektivere UNO. Auch dafür wird die Supermacht USA dringend gebraucht! Da war es gut zu hören, dass US-Senator McCain den Europäern zurief: "Schreibt Amerika nicht ab! Wir werden unsere Verantwortung für eine sichere Welt nicht ablegen." Ein großes Wort über das auch Trump nachdenken sollte, wenn er irgendwann etwas Zeit finden sollte, zu denken.

Zum Abschluss der Konferenz standen die Themen Iran und Syrien auf der Tagesordnung. Zu diesen Themen sollte man aber die Friedensverhandlungen in Genf unter der Leitung des UN-Sondergesandten de Mistura abwarten.

Die Frage, ob die westliche Wertegemeinschaft bei der "Neuvermessung der Welt, die wir gerade erleben" erfolgreich überleben wird, konnte natürlich nicht beantwortet werden. Die Münchner Sicherheitskonferenz hat aber stark dazu beigetragen, diese Kernfrage des frühen 21. Jahrhunderts mit McCain als möglicherweise "tödlichen Ernst" zu begreifen. Das hat auch mit dem Unsicherheitsfaktor Trump zu tun, der trotz der Beteuerungen von Vice-President Pence unberechenbar bleibt - insbesondere auch in der Nahostpolitik!

(19.02.2017)

 

 

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