Hans-Heinrich Dieter

Feldjäger als Hilfspolizei?   (24.07.2016)

 

Während des Amoklaufs in München ist nach Angaben von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen ein Einsatz der Bundeswehr im Inland erwogen worden. Für eine Feldjäger-Einheit der Bundeswehr in München wurde Alarm-Bereitschaft ausgelöst. Bei Bedarf hätte die Polizei die Feldjäger anfordern und über die Art des Einsatzes entscheiden können. Die Ministerin betonte, dass bei solchen Großfahndungen die Polizeikräfte „an ihre Grenzen kommen oder spezielle Fähigkeiten gefragt sind, über die nur die Bundeswehr verfügt.“

Bei Problemlagen wird der Einsatz von Soldaten im Inland immer wieder reflexartig diskutiert. Dabei sind die Fakten eindeutig. Die Verantwortlichkeit der Polizei für die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist gesetzlich klar geregelt. Die Beschränkung der Bundeswehr auf die Gewährleistung der äußeren Sicherheit ist wohl begründet und sinnvoll. Das Grundgesetz zieht daher in der Tat enge Grenzen für den Einsatz der Streitkräfte im Inneren. Die Sicherheitslage hat sich nun deutlich verändert und die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen. Daher ist es durchaus richtig, eine intensive sicherheitspolitische Diskussion über mögliche Beiträge der Bundeswehr bei der Abwehr von Terrorgefahren zu führen und dafür gegebenenfalls die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen. Diese Diskussion wurde zuletzt im Zusammenhang mit dem neuen Weißbuch - ohne Ergebnis - geführt. Aktionismus verbietet sich auch deswegen!

Die Feldjäger der Bundeswehr sind eine einsatzfähige und in zahlreichen Auslandseinsätzen erfahrene und bewährte Truppe. Sie haben aber keine „speziellen Fähigkeiten“ über die die Polizei nicht verfügt, im Gegenteil. Ein gerne diskutiertes Beispiel für Einsatz der Bundeswehr im Inneren ist das Zeigen von Präsenz bewaffneter Soldaten in Fußgängerzonen, auf Bahnhöfen, bei Großveranstaltungen, um z. B. die Polizei zu entlasten oder Polizeikräfte zu verstärken. Da muss man fragen, welche Rechte solche mit Kriegswaffen eingesetzten Soldaten haben. Zunächst einmal haben solche Soldaten „Jedermann-Rechte“ wie alle anderen Bürger auch und dürfen bei Gefahr im Verzug Straftaten mit angemessenen Mitteln verhindern. Und bewaffnete Feldjäger der Bundeswehr haben beim Dienst in der Öffentlichkeit übrigens auch keine weitergehenden Rechte zur Gewaltanwendung. Wenn die Bundeswehr also in der Vergangenheit zum Beispiel zur Unterstützung unserer amerikanischen Verbündeten Feldjäger als Streifen in housing areas oder als Begleitpersonal bei Munitionstransporten eingesetzt hat, dann war an sich nur „showing the flag“ möglich. Daraus folgt, dass zur Unterstützung der Polizei im Inneren Soldaten nur als Hilfspolizisten eingesetzt werden können. Das ist zu wenig!

Denn die Bekämpfung des Terrorismus erfordert eine zukunftsorientierte, qualitativ neue nationale Sicherheitsvorsorge, die nur durch eine ressortübergreifende Zusammenarbeit zu erreichen ist. Wir brauchen dringend deutsche vernetzte Sicherheitspolitik, über die bisher nur geredet wird. Darüber hinaus muss auf politisch-strategischer Ebene eine gesamtstaatliche Urteils- und Handlungskompetenz zur ressortgemeinsamen Bewältigung von Sicherheitsrisiken geschaffen werden, die über ein umfassendes gemeinsames Lagebild verfügt. Außerdem muss eine ressortübergreifende politisch-strategische Führungseinrichtung etabliert werden, um Krisen und Katastrophen beherrschen zu können. Ganz wichtig ist auch, dass die Führungsvorgänge und die technische Ausrüstung der zivilen und der militärischen Kräfte für die Wahrnehmung von Sicherheitsaufgaben im Inneren kompatibel gemacht und weiterentwickelt werden, um effektive Zusammenarbeit auf operativer Ebene möglich zu machen. Insgesamt brauchen wir eine gesamtstaatliche Sicherheitsarchitektur, die dann auch mit internationalen Strukturen zusammenarbeitsfähig ist. Es wird ein weiter, steiniger und kostspieliger Weg zu gehen sein, bis eine solche Sicherheitsarchitektur geschaffen ist. Bisher können Polizei und die Bundeswehr nicht einmal über kompatible Funkgeräte kommunizieren.

Bis die Bundeswehr die Statik dieser Architektur deutlich verbessern kann, müssen die Verfassung geändert und auch Ausführungsgesetze erlassen werden. Wichtig ist, dass der Einsatz der Bundeswehr im Inneren legitimiert ist, die Soldaten rechtliche Handlungssicherheit haben, und für Einsätze im Inneren ausgebildet und ausgerüstet sind. So weit sind wir leider noch lange nicht.

Soldaten der Bundeswehr haben in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie in Katastrophenlagen schnell, effektiv und erfolgreich helfen. Soldaten dürfen aber nicht missbraucht werden als „Hilfsarbeiter“ für überforderte Kommunen oder Behörden und auch nicht als „Hilfspolizisten“ ohne hinreichende Ausbildung und Befugnisse. Soldaten der Bundeswehr haben die äußere Sicherheit Deutschlands zu gewährleisten, dafür sind sie verpflichtet und ausgebildet worden. Vor einem Einsatz der Bundeswehr im Inneren zur Terrorbekämpfung muss die Verfassung geändert werden!

(24.07.2016)

Lesen Sie auch: http://www.hansheinrichdieter.de/html/einsatziminneren.html 

 

 

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