Hans-Heinrich Dieter

Feigheit vor dem Jounalismus   (04.08.2015)

 

Ich habe einmal geschworen, das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen. Diesen Eid, bei dem es nicht nur um die Freiheit, sondern gleichermaßen um das Recht in unserer demokratischen Gesellschaft geht, nehme ich sehr ernst.

Demokratie geht davon aus, dass der Souverän, das Volk, sich aus mündigen Bürgern zusammensetzt, die am Wohl der Gesellschaft interessiert sind. Die rechtstaatlich verfasste Demokratie lebt von der Teilung der Gewalten, Legislative, Exekutive und unabhängige Justiz. Die Gewalten kontrollieren sich und halten die Machtausübung in der Balance - nach dem bewährten Prinzip von checks and balances. Die Medien als vierte Gewalt werden nicht kontrolliert. Wesentliche Bestandteile unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung sind die Meinungs- und die Pressefreiheit. In Artikel 5 des Grundgesetzes heißt es: "Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt." Und dann heißt es: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre." Diese - nicht uneingeschränkte - Pressefreiheit gilt es zu schützen, vor Beeinträchtigung und vor Missbrauch.

Unsere Rechtsordnung gilt es ebenfalls zu schützen. Wenn Geheimdokumente des Verfassungsschutzes veröffentlicht werden, dann muss der Behördenleiter einem solchen Gesetzesverstoß auf der Grundlage unseres Rechtssystems, zum Beispiel durch eine Anzeige, begegnen. Wenn ein Anfangsverdacht hinsichtlich eines Gesetzesverstoßes vorliegt, dann ist es die Pflicht des Generalbundesanwaltes, zu ermitteln. Kommt der Generalbundesanwalt zu der Überzeugung, dass eine schwerwiegende Straftat vorliegt – wie jetzt durch ein Gutachten bestätigt wird - dann hat er ein Strafverfahren einzuleiten. In unserem Rechtsstaat hat sich jeder - auch Journalisten - an Gesetze zu halten. Und wir können als Bürger darauf vertrauen, dass objektiv und unabhängig ermittelt wird und sowohl be- als auch entlastenden Hinweisen nachgegangen wird. Wenn die Journalisten unschuldig sind, dann wird das Verfahren eingestellt oder sie werden freigesprochen. Dem dient unser unabhängiges Justizwesen.

Im Falle der Veröffentlichung von Geheimdokumenten durch zwei Blogger von "netzpolitik.org" kommt es nun nicht zu normalem, demokratischem, sondern zum inzwischen üblichen Verhalten von Journalisten und Politikern. Diesmal wird nicht die Moral-, die Nazi- oder die Rechtsradikalenkeule geschwungen, sondern die besonders wirksame Pressefreiheitskeule. „Ein Verfahren gegen Vertreter der vierten Macht im Staate - unglaublich!“ „Der Staat legt freie Medien an die strafrechtliche Kette!“ „Der Journalist als Staatsfeind!? Absurd.“ Auf Generalbundesanwalt Range und Verfassungsschutzpräsident Maaßen, die ihre Pflicht tun, wird ziemlich blindwütig eingeprügelt, sie werden mit medialem Schmutz beworfen und es kommt zu den üblichen Verleumdungen, Unterstellungen sowie zu Empörungsgehabe und Skandalisierungen durch Politiker und Journalisten. Man macht Range zum „radikalen Scharfmacher, den an falscher Stelle das Jagd-Gen gepackt hat.“ Er wird ähnlich einem Ebola-Kranken behandelt, Ministerien, insbesondere die zuständigen Minister de Maizière und Maas gehen auf Distanz und haben vermeintlich das Vertrauen in den Generalbundesanwalt verloren, anstatt sich mutig vor die pflichtbewussten Beamten zu stellen und ihnen den Rücken zu stärken. Auch die Bundeskanzlerin, die schon das Buch von Sarrazin herabgewürdigt hat, ohne es gelesen zu haben, geht aus dem Urlaub heraus auf Distanz zum Chefankläger Range und die Medien haben einen Grund, wild über mögliche, unabdingbare, dringend erforderliche Rausschmisse zu spekulieren. In der FRANKFURTER RUNDSCHAU heißt es dazu: “Der vorliegende Fall von Ermittlungen gegen Netzpolitik.org wegen vermeintlichen Landesverrats ist allerdings besonders bizarr. Denn er basiert darauf, dass nachgeordnete Dienststellen Dinge tun, die ihre vorgesetzten Dienststellen angeblich nicht wollen. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, erstattet eine Anzeige, die Innenminister Thomas de Maizière nicht gutheißt. Generalbundesanwalt Harald Range führt den Fehler zur Vollendung – wenngleich Justizminister Heiko Maas davon ebenfalls nichts hält. Zieht man überdies in Betracht, dass der Justizminister das Delikt des Landesverrats für antiquiert hält, muss man sagen: Die ganze Sache ist ein Stück aus dem Tollhaus.“

Das „Tollhaus“ bewohnen aber nicht der Verfassungsschutz oder die verunglimpfte Generalbundesanwaltschaft, das Tollhaus ist besetzt durch arrogante, anmaßende, teilweise verantwortungslose und rechtsvergessene Journalisten sowie erbärmlich feige Politiker, die sich aus Angst vor negativer Berichterstattung dem Mainstream der vierten Gewalt anpassen und versuchen, „Schuld“ bei anderen und Nachgeordneten abzuladen, sowie das Heil in der Flucht vor aggressiven Medien suchen.

Was erwarten solche Journalisten und die sich ihnen andienenden feigen Politiker von falsch verstandener Pressefreiheit? Sollen wir auf den Schutz von staatlichen Geheimnissen verzichten oder sollen wir Journalisten – gegen Recht und Gesetz - einen Freibrief ausstellen, alles mit allen Mitteln zu recherchieren und schrankenlos zu veröffentlichen? Sollen Staatsdiener ihre Pflichten mit Rücksicht auf verantwortungslose Journalisten tatsächlich vernachlässigen? Nein, es kann kein Recht auf verantwortungsfreie und schrankenlose Berichterstattung geben!

Gott sei Dank ist Generalbundesanwalt Range ein mutiger Mann und wehrt sich gegen die ungerechtfertigten Angriffe auf sich und unser Rechtssystem. Er verweist öffentlich auf ein im Juni in Auftrag gegebenes externes Gutachten, das klären sollte, ob es sich bei den Veröffentlichungen im Blog "Netzpolitik" um ein Staatsgeheimnis handele und betont, der Sachverständige habe dies gestern bejaht und damit die Rechtsauffassung der Bundesanwaltschaft und des Verfassungsschutzes vorläufig bestätigt. Dass daraufhin das Justizministerium die Weisung erteilt hat, das Gutachten unverzüglich zu stoppen, ist ein schlimmer Angriff auf unsere Rechtsordnung und die Unabhängigkeit der Justiz. Wir haben es offensichtlich nicht mit einem Pressefreiheits- sondern mit einem Rechtsordnungsskandal zu tun! Die beliebte Mainstream-Kanzlerin steht nun ziemlich dumm da.

Die drei Gewalten kontrollieren sich politisch und halten sich in der Balance. Die Medien als vierte Gewalt werden politisch nicht kontrolliert. Das ist so lange nicht zu beanstanden wie die Medien sich an den Pressekodex halten, verantwortungsvoll und die Rechte beachtend berichten und sich selbst kontrollieren. In der letzten Zeit hat die Qualität des deutschen Journalismus dramatisch abgenommen und eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung hat – wenig erstaunlich - das Vertrauen in die Medien verloren. Es gilt nun für die Medien, das Vertrauen der Bevölkerung durch gute Arbeit im Einklang mit dem Pressekodex zurückzugewinnen. Das kann damit beginnen, dass Journalisten die Pressefreiheit nicht missbrauchen und sich erkennbar an die Einhaltung von deutschem Recht und Gesetz gebunden fühlen.

(04.08.2015)

 

 

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