Hans-Heinrich Dieter

Europäische Verteidigungsunion?   (04.02.2016)

 

Heute unterzeichnen Verteidigungsministerin von der Leyen und ihre niederländische Kollegin die Vereinbarung über eine vertiefte Zusammenarbeit der Marinestreitkräfte beider Länder. Geplant ist, das Seebataillon der Deutschen Marine in die niederländischen Seestreitkräfte einzugliedern. Im Gegenzug nutzt die Bundeswehr künftig ein modernes Versorgungsschiff der Niederländer. Frau von der Leyen sprach von einem ersten Schritt zu einer europäischen Verteidigungsunion. Da fragt man sich, geht es nicht etwas bescheidener und realistischer? Denn eine europäische Verteidigungsunion setzt eine besser strukturierte, tiefer integrierte und handlungsfähige Europäische Union voraus.

Die Europäische Union ist aber derzeit in einem bedauernswerten, ja geradezu mitleiderregenden Zustand. Die Finanzkrise ist nicht überwunden, die Staatsverschuldung ist in den meisten Mitgliedstaaten nicht im Griff, die massiven Strukturprobleme der meisten EU-Staaten sind nicht oder nur unzureichend behoben, das Wirtschaftswachstum der südeuropäischen Staaten ist so niedrig, dass die EZB die Niedrigzinspolitik zunächst nicht ändern wird, die Jugendarbeitslosigkeit ist teilweise so hoch, dass sich junge Bürger radikalisieren und die Flüchtlingsproblematik spaltet Europa. Die Bemühungen Großbritanniens um eine Reform der EU sind einer vertieften Integration gegenläufig. Bisher war die EU nicht einmal in der Lage, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu formulieren. Die Europäische Union hat massiv an Ansehen verloren und wird als Partner in der Weltpolitik wenig ernst genommen. Die EU zeigt sich handlungsunfähig.

Bemühungen um mehr europäische Gemeinsamkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sind nicht neu. Schon1999 wurde mit dem Helsinki Headline Goal (HHG) beschlossen, die European Rapid Reaction Force (ERRF) aufzustellen. 2004 wurde dann die Idee der EU-Battlegroups entwickelt. Im Zeitraum 2005 bis 2007 wurden die ersten Verbände einsatzbereit gemeldet und seitdem werden immer ein bis zwei dieser auch multinationalen Kampfgruppen in Alarmbereitschaft gehalten, ohne allerdings bisher dem Konzept entsprechend eingesetzt worden zu sein. Die "EU-Battlegroups" sind eine bisher weitestgehend arbeitslose Truppe.

Im April 2015wollten Deutschland, Frankreich und Polen zum Motor für eine Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union werden. Als deutlich sichtbares Zeichen dieser gemeinsamen Initiative sollten die EU-Kampfgruppen zukünftig bei Krisen als schnell verfügbare erste Kräfte eingesetzt werden. Diesbezüglich wurde bisher nichts realisiert. Dabei ist es grundsätzlich sehr gut, wenn angesichts der neuen sicherheitspolitischen Lage in Europa mehr Gemeinsamkeit in der Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) gesucht wird. Bisher sind allerdings alle Ansätze dazu mehr oder weniger im Status der Willensbekundung geblieben. Darüber hinaus fördern die Initiativen von immer mehr EU-Mitgliedern nicht unbedingt die vertiefte politische Gemeinsamkeit der Europäischen Union insgesamt - im Gegenteil. Deswegen werden auch unsere Enkel eine europäische Verteidigungsunion nicht erleben.

Die NATO macht jetzt schon die richtige und ausgewogene Politik gegenüber unserem neuen Gegner Russland, da bräuchte sich die EU als Partner nur zu beteiligen und könnte so gemeinsam mit der NATO sicherheitspolitische Verantwortung Europas in der Welt wahrnehmen. Jegliche kostspielige Konkurrenz zur NATO aufgrund von aufwändigen Doppelstrukturen, Kompetenzüberschneidungen und unübersichtlicher Befehlswege, jegliche politische Relativierung der Bedeutung des transatlantischen Bündnisses ist in der aktuellen Lage von Übel und der Sicherheit Europas abträglich.

Mittel- bis langfristig sollte allerdings durchaus an dem Ziel, in der Sicherheitspolitik und bei Rüstungsvorhaben stärker zu kooperieren, festgehalten werden und zu einer solchen Zielsetzung gehört dann auch die Vision von „europäischen Streitkräften“, wenn man es mit Europa ernst meint. Wenn heute in allgemein schwieriger Finanzlage EU-Mitgliedsstaaten wie Deutschland und die Niederlande ihre Verteidigungsanstrengungen bündeln und sich gegenseitig Verbände unterstellen, um Strukturen zu sparen und Fähigkeiten kostengünstig zu bündeln, dann arbeiten sie mittelfristig wirksam, zukunftsorientiert und vernünftig in die richtige Richtung. Die jetzt verabschiedete vertiefte Zusammenarbeit der deutschen und niederländischen Seestreitkräfte ist nicht neu, denn bei der deutschen Division schnelle Kräfte sind bereits niederländische Truppenteile mit sehr gutem Erfolg unterstellt und integriert. Wir haben es also mit einem weiteren Schritt - nicht zur europäischen Verteidigungsunion - zu vernünftiger, zukunftsorientierter Sicherheitspolitik einzelner EU-Mitgliedsländer zu tun.

Wir sollten uns realistische Ziele setzen und nicht von Illusionen reden!

(04.02.2016)

 

Lesen Sie auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/eu-kampfgruppen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/europaeischestreitkraefte.html

 

 

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