Hans-Heinrich Dieter

Verfahren gegen politische Leitung  (21.10.2017)

 

Die Bonner Staatsanwaltschaft hat gegen den Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Gerd Hoofe, ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt eingeleitet, weil zureichende tatsächliche und rechtliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen und ein „Anfangsverdacht“ besteht.

Das Ministerium wiegelt natürlich ab und meint feststellen zu müssen, die Anschuldigungen seien „haltlos und entbehrten jeglicher Grundlage“.  Faktisch werde sich das Ministerium allerdings nicht zu dem nun laufenden Verfahren äußern.

Zum Sachverhalt: Zwei Soldatinnen, die einen Vorgesetzten der Nötigung beschuldigen, wenden sich an die direkt bei der politischen Leitung neu eingerichtete Stabsstelle „Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion“, für die Hoofe verantwortlich ist. Ein Offizier wurde parallel – aus dienstlichem Anlass -damit beauftragt, der Beschwerde der beiden Soldatinnen auf der Grundlage der Wehrbeschwerdeordnung nachzugehen. Im Zuge seiner beschwerderechtlichen und der sich daraus ergebenden disziplinarrechtlichen Ermittlungen hat der Offizier bei der Stabsstelle beantragt, die Zeugenaussagen der Soldatinnen einsehen zu können. Seinen Angaben zufolge hat das Verteidigungsministerium die Herausgabe der Aussagen jedoch verweigert und so die disziplinarrechtlichen Ermittlungen wegen des Vorwurfes der Nötigung behindert. Diesen Sachverhalt hat der Offizier zu Anzeige gebracht.

Das Ermittlungsverfahren wird seinen Lauf nehmen, wobei im Zusammenhang mit den – bewusst? – unprofessionellen Ermittlungen gegen die ehemalige Oberbürgermeisterin Dieckmann im Zusammenhang mit dem WCCB-Skandal der Bonner Staatsanwaltschaft wenig Vertrauen entgegengebracht werden kann. Es bleibt das Ergebnis abzuwarten.

Wichtig ist es allerdings in dem Zusammenhang, die Einrichtung der neuen Stabsstelle „Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion“ im Leitungsbereich kritisch zu betrachten.

Die Bundeswehr hat sich 2012 mit der Unterzeichnung der „Charta der Vielfalt“ zum Diversity Management bekannt. Im Weißbuch 2016 ist die Vielfalt der Bundeswehr und ihrer Angehörigen fest verankert. Dem damit verbundenen Anspruch will das Ministerium natürlich gerecht werden. Dabei ist ein Schwerpunkt die Sensibilisierung von Vorgesetzten speziell für die Themen Chancengerechtigkeit, Frauen in Führungspositionen sowie Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Chancengerechtigkeit wurde zur Chefsache erklärt, um erwartetes Fehlverhalten direkt und ungehindert von der Hierarchie korrigieren zu können – dem soll die neue Stabsstelle ganz offensichtlich dienen.

Keine andere Armee hat eine so fortschrittliche Wehrbeschwerdeordnung wie die Bundeswehr und kaum eine andere Streitkraft weltweit hat einen „Ombudsmann“ wie den Wehrbeauftragten, an den sich jeder Soldat mit seinem Problem direkt wenden kann. Und auch keine Berufsgruppe in Deutschland verfügt über ein so breites und abgestuftes Instrumentarium an Gesprächs-, Beschwerde- und Eingabemöglichkeiten wie die Bundeswehr. Nirgends sonst wird Fehlverhalten so konsequent disziplinar geahndet. Die militärischen Führungskräfte sind hier eindeutig in die Pflicht genommen und sich dieser Pflicht auch sehr bewusst. Der Disziplinarvorgesetzte entscheidet gemäß § 35 Absatz 1 der Wehrdisziplinarordnung (WDO) allein verantwortlich, ob und wie er ein Dienstvergehen ahnden soll. Zudem hat er gemäß § 33 WDO zu prüfen, ob er das Dienstvergehen weiter zu melden oder die Sache sogar an die Strafverfolgungsbehörde abzugeben hat. Die Einzelheiten zu Disziplinarverfahren regelt die Zentrale Dienstvorschrift.

Auch wenn Chancengerechtigkeit zur Chefsache erklärt ist, bräuchte es daher keine neue Stabsstelle „Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion“, wenn denn die „Chefin“ den Vorgesetzten vertrauen und ihnen auch den nötigen Verantwortungs- und Entscheidungsspielraum lassen würde.

An diesem Vertrauen fehlt es nicht nur, sondern es herrscht sehr tief sitzendes Misstrauen gegenüber dem „verstaubten Club Gestriger“, der nach Auffassung von der Leyens durch einen Mangel an „Respekt für Vielfalt“ und damit einen Mangel an „Haltung“ charakterisiert ist. Und in ihrem Drang, den Prozess der Inneren Führung stärken zu wollen, fügt sie in einem der vielen Interviews noch an, „…Haltung können Sie nicht befehlen, die müssen Sie vorleben und immer wieder erklären“ und da gebe es viel Widerstand, denn Veränderung werde oft als Bedrohung gesehen.

Zum „Vorleben“ und „Erklären“ gehört aber auch das richtige Verständnis der Philosophie und Kultur der „Inneren Führung“. Und auch da fehlt es ganz offensichtlich in der politischen Leitung. Denn in einem Interview sagt von der Leyen zur Begründung der Weiterentwicklung der Inneren Führung: „...die Welt ändert sich, die Truppe wird vielfältiger, beispielsweise mit Menschen mit Migrationshintergrund, Religionen, sexueller Orientierung, Handicaps, Stärken und Schwächen. Und die Bundeswehr auf diese Vielfalt inklusive der sicherheitspolitischen Veränderungen auszurichten, das ist die Weiterentwicklung der Inneren Führung.“ Hier zeigt die Ministerin ein wenig reflektiertes und begrenztes Verständnis der Inneren Führung.

Die Konzeption der Inneren Führung geht davon aus, dass Vertrauen in Vorgesetzte und Untergebene die Institution insgesamt festigt, Misstrauen sie aber schwächt. So gesehen arbeitet die Ministerin gegen die Innere Führung, die sie ja an sich stärken will. Und wenn sich die Ministerin, wie sie behauptet, „persönlich für die Soldaten verantwortlich“ fühlt, dann wird sie ihrer Verantwortung nicht gerecht, wenn sie die Verantwortung der Disziplinarvorgesetzten untergräbt und so das Vertrauen der Soldaten in die Vorgesetzten beeinträchtigt. Und zur Verantwortung der Ministerin gehört auch Fürsorge für die Soldaten - und fürsorgliches Verhalten schließt Verleumdung und Beleidigung von anvertrauten Soldaten aus.

Die Ministerin hat viel von „Trendwenden“ gesprochen, aber mit diesen Trendwenden bisher nur sehr wenig erreicht, sonst würde doch zum Beispiel sicher noch mindestens eins von sechs deutschen U-Booten seetüchtig sein. Frau von der Leyen sollte deswegen auch über eine „Trendwende politisches Leitungspersonal, BMVg“ intensiv nachdenken!

(21.10.2017)

 

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