Hans-Heinrich Dieter

Entmachtung der Kirchen   (25.02.2019)

 

Das jüngste Urteil des Erfurter Bundesarbeitsgerichtes ist sehr positiv und gut für die Arbeitnehmer bei der Kirche und konfessionellen Arbeitgebern. Das Gericht lehnt sich an das Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofes vom vergangenen September an, der das EU-Antidiskriminierungsrecht so ausgelegt, dass Kirchen von ihren katholischen Beschäftigten nur dann spezielle private Loyalitätsverpflichtungen verlangen dürfen, wenn dies für die konkrete Tätigkeit „wesentlich“ ist. Das Erfurter Urteil ist außerdem richtungweisend, denn es beschneidet die teilweise anmaßende Machtentfaltung der katholischen Kirche. Die Kirche fordert von ihren Angestellten einen hundertprozentig sauberen katholischen Lebenswandel und leistet teilweise für diese konfessionellen Einrichtungen lediglich 10 bis 20 Prozent des erforderlichen finanziellen Aufwandes für deren Betrieb, und der Missbrauchsskandal zeigt, dass die katholische Kirche den eigenen hohen moralischen Ansprüchen in vielerlei Hinsicht selbst nicht genügt. Die Privilegien der Kirchen wurden nun mit dem Urteil stark abgeschwächt: Ein Pfarrer muss deutlich strengeren Anforderungen genügen als ein in einem katholischen Krankenhaus angestellter Arzt oder eine Putzfrau. Die Kirchen müssen in Zukunft ihre besonderen Anforderungen stichhaltig begründen und im Zweifel gerichtlich überprüfen lassen. Damit haben die Richter auch dem Selbstbestimmungsrecht der Kirchen klare Grenzen gesetzt. Das reicht aber noch nicht!

Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche zeigt, dass nicht wenige Geistliche Sexualstraftäter - also ganz widerliche Verbrecher - sind. Es wird außerdem deutlich, dass die diesbezügliche kriminelle Energie auch strukturell bedingt ist und durch Vertuschungen bis in die höchsten Ämter reicht. Viele Betroffene haben vom aktuellen Anti-Missbrauchsgipfel in Rom viel erwartet und sind tief enttäuscht. Denn der gern als Reformer auftretende Papst hat es nicht gewagt, konkrete Forderungen an die Kirche zu stellen und konkrete Maßnahmen zu erlassen. Matthias Katsch, Mitbegründer des „Eckigen Tisches“ zur Aufarbeitung des Skandals, sagt zum Thema: „Die Kirche in Deutschland ist genauso wie ihre Schwesterkirchen in den USA, Australien, Irland und vielen anderen Ländern der Erde, in denen die katholische Kirche vertreten ist, in ein System aus Missbrauch und Vertuschung verstrickt und hat es über Jahrzehnte verstanden, die Öffentlichkeit darüber zu täuschen. … Akten wurden vernichtet, viele Fälle sind nicht richtig dokumentiert worden, die Aktenführung ist konfus“. Deswegen sind die Forderungen nach ganz konkreten Maßnahmen ja auch berechtigt. Und die Enttäuschung der Betroffenen ist auch deswegen sehr verständlich, weil deutlich wird, dass die Kirche nicht bereit und in der Lage ist, die Verbrecher in ihren Reihen zur Rechenschaft zu ziehen. Deswegen darf man der Katholischen Kirche auch die „Selbstaufklärung“ nicht überlassen, denn es wird nach dem unbefriedigenden Gipfel in Rom in der Kirche auch weiterhin Strukturen und Netzwerke geben, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder begünstigen, Aufklärung verhindern sowie das Thema Sexualität tabuisieren und totschweigen. Dem muss ein Ende bereitet werden.

Man muss insgesamt feststellen, dass nicht nur die katholische Kirche das Recht auf eine Sonderstellung in allgemeinrechtlichen Fragen verwirkt hat. Deswegen muss das Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungsrecht der Kirchen nach Art 140 GG, das z.B. auch die ungleichen und teilweise auch ungerechten arbeitsrechtlichen Regelungen für Mitarbeiter der Kirchen festlegt, auf den Prüfstand gestellt werden. Straftaten müssen der staatlichen Gerichtsbarkeit überantwortet und die vollständige Akte des mutmaßlichen Straftäters - einschließlich erster Ermittlungsergebnisse - übergeben werden. Nach einem ordentlichen Gerichtsverfahren muss der Straftäter einer gerechten Strafe unterzogen werden.

Die Stellung und die Bedeutung der Kirchen als „moralische Instanz“ unserer Gesellschaft haben sich gravierend verändert, die Kirchen haben an moralischem Anspruch deutlich verloren. Deswegen ist es hohe Zeit, dass die gesetzlichen Regelungen, die teilweise der Weimarer Reichsverfassung entnommen sind, angepasst werden. Das braucht Zeit, muss aber dennoch zum Wohle unserer Gesellschaft in Angriff genommen werden. Die Kirchen dürfen keine Sonderrechte mehr haben. Das Ziel muss es sein, Staat und Kirche klar zu trennen und die Kirchen geltendem Recht und Gesetz unterzuordnen, wie das in anderen Demokratien auch gehandhabt wird.

Religiöser Glaube und Kirchenzugehörigkeit sind reine Privatangelegenheit mündiger Bürger! Die Verantwortung für Recht und Ordnung muss ausschließlich beim Staat liegen. Und wenn der Staat den Schutz von Kindern vor Missbrauch nicht selbst in die Hand nimmt, wird den Missbrauchsopfern nicht hinreichend geholfen und dann werden die kriminellen kirchlichen Sexualstraftäter auch keiner gerechten Strafe unterzogen. In den USA und in Australien hat man das inzwischen erkannt und handelt!

(25.02.2019)

 

Lesen Sie zum Thema auch:

http://www.hansheinrichdieter.de/html/missbrauchindenkirchen.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/trennungvonkircheundstaat.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/besonderekirchenrechte.html

 

 

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