Hans-Heinrich Dieter

Dilemma der NATO II (12.04.2011)

 

Das Dilemma der NATO wird immer deutlicher.

In der ersten Woche unter NATO-Befehl hat die NATO 1500 Einsätze geflogen, das sind täglich mehr als 600 Stunden. Die NATO- Kampfflugzeuge haben auch erhebliche Wirkung gegen die libysche Armee und ihre Einrichtungen erzielt. Dieses Tempo wurde ungefähr beibehalten.

Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wird in Bengasi und Misrata aber nicht als „Held“ gefeiert, im Gegenteil. Wann immer den militärisch offensichtlich ziemlich unfähigen Rebellen das Wasser bis zum Hals steht, verleumden sie die NATO und brüllen aufgebracht nach mehr Leistung der NATO für die Aufständischen. Dabei halten sie die NATO offenbar für eine Art Ersatz für die fehlende eigene Artillerie. Die Rebellen haben sich bewaffnet, sind Kriegspartei in einem Bürgerkrieg geworden, weil sie in heilloser Selbstüberschätzung geglaubt haben, der Marsch nach Tripolis und die Vertreibung des Tyrannen würde sich durch lautstarke Kampfparolen und theatralische Siegesgebärden zum Erfolg bringen lassen.

Der arabische Unmut wird natürlich dann ins Dramatische gesteigert, wenn NATO-Kampfflugzeuge eine nicht angemeldete, nicht vernünftig gekennzeichnete gepanzerte Fahrzeugkolonne der Rebellen bekämpfen, mit Verlusten der Aufständischen. Das undankbare, teilweise anmaßende Verhalten der Rebellen wird in Folge weder durch das öffentliche Bedauern von Rasmussen noch durch die sehr berechtigte Verweigerung einer Entschuldigung durch den NATO-Kommandeur Harding beeinflusst. Die NATO wird in dieser besonderen Welt nie „geliebt“ werden.

Nun spricht Generalsekretär Rasmussen das aus, was Fachleute schon vorher wussten. Er hält die Militäroperation der NATO in Libyen inzwischen nicht für ausreichend, um Libyen Frieden zu bringen und sagt: "Die ehrliche Antwort lautet: Für diesen Konflikt gibt es keine militärische Lösung".

Die Bemühungen von fünf als Vermittler wenig glaubwürdigen afrikanischen Staats- und Regierungschefs der Afrikanische Union (AU) um einen sofortigen Waffenstillstand und "die sofortige Einstellung aller Feindseligkeiten" in Libyen waren wie zu erwarten nicht erfolgreich.

Auch andere Friedensvorschläge werden an der strikten Forderung der Rebellen nach einer Abdankung Gaddafis scheitern. Ja, sie lehnen sogar einen Waffenstillstand ab. Das ist sicher keine Handlungsweise im Sinne der leidenden Zivilbevölkerung.

Die Europäische Union berät derzeit humanitäre Einsätze, um der notleidenden Zivilbevölkerung zu helfen. Diese Einsätze will sie mit Soldaten schützen. Eine solche humanitäre Eingreiftruppe der EU operiert dann natürlich in der ständigen Gefahr, in Kampfhandlungen auf libyschem Boden verwickelt zu werden. Das libysche Regime hat schon erbitterten Widerstand angekündigt. Das wird NATO-Operationen in hohem Maße erschweren.

Ein Ermittlungsteam der UN soll unterdessen in Libyen mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen aller Kriegsparteien untersuchen. Da kann man nur hoffen, dass das dreiköpfige Team wirklich unparteiisch untersucht und die beiderseitige Propaganda durchsichtiger wird.

Auf der Grundlage einer sehr einschränkenden UN-Resolution sind derzeit also sehr viele politische Interessen, militärische und humanitäre Absichten zu berücksichtigen, ohne dass die NATO die Grundlagen und die Mittel hat, die Operationen zu einem nicht genau definierten Erfolg zu führen. Die NATO kann in Libyen nicht und nichts gewinnen.

Und da ist es überhaupt nicht hilfreich, wenn der Bündnispartner Frankreich der NATO vorwirft, sie werde ihrer Führungsrolle nicht ausreichend gerecht. Es werde zu wenig getan, um die schweren Waffen von Machthaber Muammar al-Gaddafi zu zerstören und die Zivilbevölkerung zu schützen. Juppé wörtlich: „Die Nato wollte die militärische Führung der Operationen übernehmen, wir haben das akzeptiert. Sie muss jetzt ihre Rolle spielen.“ In Bengasi hört man Sarkozy und Juppé gerne zu.

Die unsolidarische Grand Nation vergrößert das Dilemma der NATO geradezu genüsslich.

(12.04.2011)

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klartext