Hans-Heinrich Dieter

Die neue Konzeption der Bundeswehr   (19.08.2018)

 

Am denkwürdigen 20.Juli dieses Jahres hat Verteidigungsministerin von der Leyen die neue Konzeption der Bundeswehr (KdB) erlassen. Das vom Bundeskabinett verabschiedete „Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ vom 13. Juli 2016 macht Vorgaben für die sicherheitspolitische Ausrichtung Deutschlands und legt Auftrag und Aufgaben der Bundeswehr fest.

Das Weißbuch 2016 ist also die zentrale Bezugsgröße und Vorgabe für die weitere Entwicklung der Bundeswehr mit der KdB. Im höchsten konzeptionellen Dokument der Bundeswehr, das als „Dachphilosophie“ verstanden wird, ist das so formuliert: „Die neue KdB übersetzt den im Weißbuch 2016 formulierten Willen Deutschlands zur Ãœbernahme von mehr Verantwortung in der Welt in Vorgaben zum Handeln für die gesamte Bundeswehr unter Führung des Bundesministeriums der Verteidigung. Die neue KdB aktualisiert zu diesem Zweck die Nationale Zielvorgabe an die Bundeswehr und macht basierend auf aktuellen Rahmenbedingungen neue Vorgaben für das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr. Ãœbergreifendes Ziel ist das Entwickeln und Bereitstellen einer einsatzbereiten, bündnisfähigen und flexiblen Bundeswehr, die in einem volatilen Sicherheitsumfeld Fähigkeiten zur gleichrangigen Wahrnehmung aller Aufgaben zum Schutze Deutschlands besitzt.“

Und etwas später heißt es: „Die Bundeswehr erfüllt einzigartige und unverzichtbare Aufgaben für Deutschland. … Eine den Erfordernissen der Aufgaben entsprechende finanzielle Ausstattung muss es der Bundeswehr ermöglichen, ihr gesamtes Aufgabenspektrum und die bündnispolitischen Anforderungen nachhaltig erfüllen zu können. Eine nachvollziehbare, abgestimmte und zielgerichtete Finanzbedarfsplanung ist Basis für eine ausbalancierte und verstetigte Finanzausstattung.“

Wenn man die Konzeption der Bundeswehr von 2013 kennt, dann mag man jetzt nicht mehr so richtig engagiert weiterlesen, denn dort sind Auftrag und Aufgaben der Bundeswehr, einschließlich der Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen der NATO, sowie die Nationalen Zielvorgaben inhaltlich sehr ähnlich aber weitaus klarer und eindeutiger formuliert. Und dort heißt es unter der Ãœberschrift „Nationale Zielvorgabe“:

- „Die Bundeswehr leistet im Rahmen ihrer Auftragserfüllung einen – Deutschlands Gewicht und Wirtschaftskraft in der Staatengemeinschaft angemessenen – Beitrag zur Wahrung seiner sicherheitspolitischen Interessen.“

- „Die Befähigung zum Kampf als höchster Anspruch an Personal, Material und Ausbildung ist der Maßstab für die Einsatzbereitschaft.“

Und zum finanziellen Rahmen wird dort ausgeführt: „Das Ziel, eine dauerhaft tragfähige Finanzierung der Bundeswehr sicherzustellen, hat die Entscheidung für eine zielorientierte Steuerung, integrierte Planung und durchgängige Prozessorientierung beeinflusst.“

Und wenn man dann die ankündigenden „dachphilosophischen“ Worte an den politischen Taten misst, muss man feststellen, dass die verantwortliche Große Koalition unter Kanzlerin Merkel die Bundeswehr unter der politischen Leitung von de Maizière und von der Leyen in unverantwortlicher Weise unterfinanziert und zu einem sehr eingeschränkt einsatzfähigen „Sanierungsfall“ verkommen lassen hat. Die Bundeswehr ist heute in einem Einsatzfähigkeitsstand, der die Wahrnehmung unserer NATO-Bündnisverpflichtungen nach Artikel 5 des NATO-Vertrages nicht hinreichend gewährleistet. Und die vollmundig angekündigten Trendwenden Personal, Material und Finanzen sind bisher nicht oder nur sehr stark eingeschränkt erfolgreich. Und das Vertrauen, dass neuerliche „dachphilosophische“ Ankündigungen die Lage der Bundeswehr in der zu fordernden Zeit verbessern werden, ist nicht angebracht, denn das politische Leitungspersonal ist nicht leistungsfähiger geworden – teilweise ist das Gegenteil der Fall.

Um Erfolg zu haben, hätte auch der politische Rahmen besser gestaltet werden müssen. Es ist ein politischer Fehler, wenn ein „Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ lediglich vom Bundeskabinett verabschiedet wird, denn es geht um weitreichende nationale sicherheitspolitische Ziele. Deswegen muss ein solches Weißbuch zwingend vom Parlament eingehend sowie öffentlich diskutiert und im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle der Regierung zumindest gebilligt werden. Denn es ist ja auch der Haushaltsausschuss, der den jeweiligen Verteidigungshaushalt billigen muss. Und folglich darf eine Konzeption der Bundeswehr auch kein reines Ressortpapier sein, wenn es vom Parlament bei seinen Entscheidungen berücksichtigt werden soll.

Um Erfolg im Sinne der neuen KdB haben zu können, müsste das „höchste konzeptionelle Dokument der Bundeswehr“ vom Kabinett gebilligt und von der Kanzlerin erlassen werden, um die Regierung ressortübergreifend bei zukunftsorientierten, vernetzten, sicherheitspolitischen Entscheidungen in der Pflicht zu halten. Und so kommt es, dass das Bundeskabinett mit dem Eckwerte-Beschluss für den Haushalt des Jahres 2019 den Verteidigungsetat zwar um knapp vier Milliarden auf 42,9 Milliarden Euro angehoben hat, dieser Eckwert aber unter dem errechneten Finanzbedarf der Bundeswehr von 43,7 Mrd für 2019 (entspricht 1,31 % BIP) liegt. Und damit ist eine zielorientierte Steigerung in Richtung 2 Prozent BIP erneut nicht erkennbar. Und mit dem 52. Finanzplan der Bundesregierung (2019-2022), der weder eine hinreichende Steigerung in Richtung NATO-Ziel aufzeigt, noch das Erreichen des deutschen Ziels 1,5 Prozent BIP in 2024 ermöglichen wird, kommt es noch schlimmer. Denn nach dem vergleichsweise deutlichen Aufwuchs in 2019 flacht die Kurve den neuen Eckwerten des Finanzministeriums entsprechend wieder erkennbar ab: Für Verteidigung sind für 2020 Ausgaben von 42,9 Milliarden Euro vorgesehen, für 2021 43,8 Milliarden Euro und für 2022 43,8 Milliarden Euro. Damit kommen die Verteidigungsinvestitionen bei erwartbar steigendem BIP nicht über 1,3 Prozent. Deutschland wird also auch mittel- und langfristig seine NATO-Verpflichtungen nicht erfüllen und weiter an Vertrauen verlieren.

Wenn man sich angesichts dieser Fakten sicherheitspolitische Aussagen von SPD-Größen wie Nahles und Stegner, die artikulierte Weigerung des SPD-Finanzministers Scholz, den 52. Finanzplan dem Bedarf anzupassen, das stark eingeschränkte sicherheitspolitische Interesse und Verantwortungsgefühl der Kanzlerin und das unzureichende politische Durchsetzungsvermögen der Verteidigungsministerin vor Augen führt, dann fehlt das Vertrauen, dass die verantwortlichen Politiker und Volksvertreter die Bundeswehr schnell wieder einsatzfähig machen wollen und können.

Die in der neuen Konzeption der Bundeswehr formulierten Ziele werden erneut nicht erreicht werden und die Bundeswehr wird erneut über lange Zeiträume ihren Auftrag nicht zufriedenstellend erfüllen können. Es gibt kaum frustrierendere Rahmenbedingungen für den Dienst engagierter Staatsbürger in Uniform für Deutschland! Und unter solchen Rahmenbedingungen wird auch die erforderliche Gewinnung wirklich qualifizierten Nachwuchses nicht gelingen. Kein Wunder, dass der Forderung nach Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit) so große Bedeutung beigemessen wird.

So ist die neue KdB Schall und Rauch und wird höchstens die Planer im Ministerium verbal befriedigen können!

(19.08.2018)

 

Bei Interesse am Thema lesen Sie auch:

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http://www.hansheinrichdieter.de/html/sicherheitspolitischerzwerg.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/neuesweissbuch.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/vollmundigevdl.html

https://www.bmvg.de/resource/blob/26546/cae384dbb1bbc8588bb3fed2969ee355/20180731-broschuere-konzeption-der-bundeswehr-data.pdf

 

 

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